“Verflucht sei deine Seele, Zahran!”

Dieser Satz war auf den jüngsten Demonstrationen gegen Jaysh al-Islam (Armee des Islam) immer wieder zu hören: Verflucht sei deine Seele, Zahran! Gemeint ist damit Zahran Alloush, der Anführer des Konglomerats verschiedener islamistischer und salafistischer Strömungen, die zusammen die größte Rebellentruppe in der Gegend bilden. Vor Kurzem hat Jaysh al-Islam durch ein Video von sich […]

Dieser Satz war auf den jüngsten Demonstrationen gegen Jaysh al-Islam (Armee des Islam) immer wieder zu hören: Verflucht sei deine Seele, Zahran! Gemeint ist damit Zahran Alloush, der Anführer des Konglomerats verschiedener islamistischer und salafistischer Strömungen, die zusammen die größte Rebellentruppe in der Gegend bilden.

Vor Kurzem hat Jaysh al-Islam durch ein Video von sich reden gemacht, in welchem sie 18 Männer von ISIS hinrichteten als Reaktion auf den Tod Dreier ihrer Männer durch deren Gewalt. Als medienwirksames Bild bietet dies vorerst die prominentest Aktion in den Auseinandersetzungen in der östlichen Ghouta, vorausgegangen sind dem bereits im letzten Jahr zahlreiche Kämpfe mit Hunderten Toten und Verletzten. Jaysh al-Islam kämpft hier nicht nur gegen ISIS, sondern etwa auch gegen Jaysh al-Umma (Armee der Nation, gemeint ist hier die Nation der Muslime), die ebenfalls in der östlichen Ghouta präsent sind. Bei einer größeren Auseinandersetzung zwischen den beiden Parteien wurden einige führende Personen sowie bis zu 300 weitere Kämpfer der Jaysh al-Umma von Jaysh al-Islam festgenommen, welche seitdem in dem von ihnen kontrollierten Gefängnis al-Toba festgehalten werden. „Viele BewohnerInnen und einige AktivistInnen der Ghouta vermuten, dass dieses Gefängnis nichts anderes ist als die Gefangenenlager des Regimes“, erzählt ein Journalist aus Douma. Diese Welle an Festnahmen bildet zunächst den Gipfel einer vorausgehenden Praxis von willkürlichen Anschuldigungen, die theoretisch jeden in der Ghouta treffen konnten. Die Unterstellung etwa, Mitglied von ISIS zu sein, ist eine bequeme Methode um Störenfriede aus dem Weg zu schaffen. Diese beliebigen Verhaftungen waren ein zentraler Grund für die jüngsten Demonstrationen in der östlichen Ghouta, wie der Journalist weiter berichtet: „Alles begann damit, dass die Familien der früheren Gefangenen von Jaysh al-Islam erfuhren, dass die Armee diese hinrichten werde. Daraufhin brach in Saqba Wut und Unmut aus, obwohl Jaysh al-Islam noch einmal zurückkehrten und versicherten, dass dies eine Fehlinformation sei.“

Vor etwa einem Monat begannen dann Proteste in Saqba (östlich von Damaskus), breiteten sich über Hamoryah und Ein Terma aus und gelangten letztendlich nach Mesraba. Häufig wurden die Demonstrationen von Frauen getragen, die die Freilassung ihrer Söhne und Männer ebenso wie den Sturz Zahran Alloushs forderten. Ein Video dieser Demonstration hat der Aktivist Anas Al-Khouli im Internet veröffentlicht und fand sich prompt ebenfalls unter den Gefangenen des Jaysh al-Islam wieder, wie Petra Becker jüngst in ihrem letzten Syrien-Newsletter berichtet.

Die Gefangenen sind jedoch nur einer von vielen Gründen, warum die Menschen gegen Jaysh al-Islam auf die Straßen gehen. Die Geschehnisse sind eingebettet in einen Rahmen von Belagerung und Hunger, wie der syrische Journalist berichtet. 90 % der BewohnerInnen der Ghouta, etwa eine halbe Millionen Menschen, seien ihm zufolge auf Hilfsleistungen angewiesen, da sie sich durch die Preisanstiege, verursacht durch die Belagerung, kaum noch die Dinge des täglichen Bedarfs, besonders Grundnahrungsmittel, kaufen können. Der Preisanstieg ist so unverhältnismäßig, dass eine Person mittlerweile etwa 30 Dollar benötigt, und dies, um nur einen Tag zu bestreiten. Die AktivistInnen und lokalen Koordinationskomitees schätzen, dass seit der Belagerung rund 400 Menschen durch Mangelernährung und Hunger ums Leben gekommen sind. Hinzu kommt, dass die militärische Situation der Opposition sich immer mehr verringert und diese in den letzten Monaten empfindliche Gebietsverluste einbüßen musste.

Willkürliche Verhaftungen durch Jaysh al-Islam haben das Leben der BewohnerInnen der Ghouta in der letzten Zeit noch weiter belastet, einige Seiten machen die Gruppe auch für die Entführung der Douma4 verantwortlich, was Zahran Alloush allerdings bis zum heutigen Tag dementiert. Die vier AktivistInnen, die vor mehr als einem Jahr aus ihrem Büro entführt wurden, werden noch immer vermisst.  „Die Mehrheit der Verhaftungen erfolgte aufgrund ideologischer und ideeller Gründe, daher haben auch die Verhaftungen von Persönlichkeiten aus Religion und Medien in letzter Zeit stark zugenommen. Und jeder, der gefangen genommen wird, tritt eine Welle der Empörung los“, berichtet der Journalist.

Douma hebt sich als wirtschaftliches und einflussreiches Zentrum von den anderen Städten ab, bisher gab es hier noch keine Demonstrationen gegen Jaysh al-Islam. Dies hat mehrere Gründe, wie ein Aktivist erklärt: „Douma ist eine Hochburg für die Kämpfer des Jaysh al-Islam, viele ihrer BewohnerInnen teilen deren Einstellung und Gedanken. Ebenso sind die vorausgegangenen Proteste in Douma zum größten Teil gescheitert. Hinzu kommt, dass sich die Luft- und Raketenangriffe des Regimes auf diese Stadt konzentrieren. Dies lässt die Angst davor wachsen, dass Ansammlungen, die einer Demonstration gleichen, zur Zielscheibe dafür werden.“

Die Demonstrationen hingegen, die einige der Orte der östlichen Ghouta ergriffen haben, sind nicht ausschließlich gegen Jaysh al-Islam gerichtet: „Die Proteste sind gegen die militärischen Formationen in der Gegend, gegen deren Korruption und Unvermögen“ erzählt eine Aktivistin aus der Region.

Die syrische Zivilgesellschaft braucht nach wie vor unsere Unterstützung – auch, um eine Alternative zu den bewaffneten Auseinandersetzungen liefern zu können. Adopt a Revolution unterstützt seit Ende 2011 zahlreiche Projekte zur Stärkung der syrischen Zivilgesellschaft. Unterstützen Sie sie mit Ihrer Spende!

Spenden für Syrien!