Zwei Seiten einer Medaille: Assad-Regime und „Islamischer Staat“
Angesichts der öffentlich zur Schau gestellten Gewalt des „Islamischen Staats“ (IS) werden hierzulande vermehrt Stimmen laut, die im syrischen Regime einen möglichen Partner im Kampf gegen die Dschihadisten sehen. Doch AktivistInnen der syrischen Zivilgesellschaft betrachten IS und das Regime längst als zwei Seiten einer Medaille – und nennen eine Reihe von Gründen, warum das Regime kein Partner in der Auseinandersetzung mit den Dschihadisten sein kann. Zusammengestellt von Barbara Blaudzun und André Find
1 Das Regime hat den Aufstieg der Dschihadisten befördert
Im Sommer 2011, Monate nach Beginn des Aufstands, entließ das Regime hunderte Islamisten aus seinen Gefängnissen. So wurde der Aufstand „islamisiert“. Während kurdische Milizen und die Freie Syrische Armee gegen den IS kämpfen, sind Angriffe des Regimes auf IS-Stellungen selten.
2 Morde im Verborgenen haben noch immer größere Folgen
Auch ohne öffentliches Köpfen sterben mehr Menschen durch das Assad-Regime als durch den IS: Binnen zweier Wochen 400 Fassbomben, 118 bekannt gewordene Foltertote allein im Oktober 2014, Chemiewaffen und Hungerblockaden gegen ganze Stadtteile – so wird die Bevölkerung für die Auflehnung bestraft.
3 Minderheiten: Instrumentalisiert statt geschützt
AktivistInnen aus religiösen Minderheiten berichten, dass sie bei Festnahmen besonders hart bestraft wurden. Auch die KurdInnen waren immer BürgerInnen zweiter Klasse. Unterdrückt wie alle anderen, werden Minderheiten gemäß der Maxime „für oder gegen mich“ instrumentalisiert.
4 Syrien ist mehr als der Gegensatz zwischen Regime und IS
„Wir oder die Terroristen“ behauptet das Regime. Wer Syrien nur noch als Gegensatz zwischen Regime und IS betrachtet, geht dem auf den Leim. Denn lokale Selbstverwaltungen, das demokratische Experiment der KurdInnen oder die junge Zivilgesellschaft lassen sich nicht einfach als „islamistisch“ abtun.
5 In viele Teile Syriens kann das Regime nie zurückkehren
Wo es Tod und Zerstörung bringt, wird das Assad-Regime nicht mehr als Ordnungsmacht akzeptiert – auch dort nicht, wo die Menschen jetzt unter IS-Terror leiden. Die Opposition wird sich weiter wehren, sodass gilt: Bleibt Assad, wird Syrien ein „failed state“.
6 Eine politische Lösung? – Vom Regime verweigert!
Zivile AktivistInnen, also mögliche VerhandlungspartnerInnen, sitzen weiter im Gefängnis. Auch auf internationalem Parkett scheiterten alle Verhandlungen, weil das Regime nur über „Terrorbekämpfung“ sprechen wollte. Gleichzeitig inhaftierte es die Familien dieser GesprächspartnerInnen, um Druck auszuüben.
Dieser Beitrag erschien auch in der Adopt a Revolution-Zeitung vom Dezember 2014, die Sie hier als PDF abrufen können. Bestellen Sie einige Exemplare der Zeitung, um Sie an FreundInnen und Bekannte weiterzugeben, in Geschäften auszulegen oder bei Veranstaltungen zu verteilen. Gerne senden wir Ihnen kostenfrei Exemplare zu. Senden Sie uns dazu einfach eine Email an: info@adoptrevolution.org
Seit Ende 2011 unterstützt Adopt a Revolution die Projekte der jungen syrischen Zivilgesellschaft für Freiheit, Demokratie und Menschenrechte. Zivile AktivistInnen streiten weiterhin für ihre Freiräume und sind die letzten, die in Syrien noch humanitäre Hilfe für die Opfer von Verfolgung durch Diktatur und IS-Terror leisten können. Helfen Sie mit, diese Projekte der Selbsthilfe zu ermöglichen!