Wieder und wieder Giftgas – und was jetzt?

Die Organisation für das Verbot Chemischer Waffen, kurz OPCW, hat drei 2017 verübte Giftgasangriffe auf die Stadt Ltamenah untersucht. Das Ergebnis ist eindeutig: Das Assad-Regime hat dort zweimal Sarin und einmal Chlorgas eingesetzt. Wann wird es dafür endlich bestraft?

Geht es um Giftgasangriffe in Syrien, herrscht in der breiten Öffentlichkeit die Meinung vor, man wisse doch alles nicht so genau. Schließlich ranken sich um die drei prominentesten Angriffe mit chemischen Waffen eine Vielzahl unterschiedlichster (Verschwörungs-)Theorien. 

Ob Ghouta 2013 (Sarin, über 1000 Tote), Khan Sheikhoun 2017 (mindestens 86 Tote) oder Douma 2018 (mindestens 34 Tote) – all diese Angriffe wurden zum Ziel massiver Desinformationskampagnen, die vor allem von Russland ausgingen und die heute dies und morgen das behaupteten.

Selbst die OPCW selbst geriet in den Fokus der Schmutzkampagne, um die Glaubwürdigkeit der unabhängigen internationalen Organisation zu untergraben. Das Motto dabei: Hauptsache, der Zweifel bleibt. Denn das reicht, um die Täter zu schützen.

Es geht um einen Serientäter

Dabei ist die Frage des Chemiewaffen-Einsatzes im Syrien-Krieg keine Frage von drei isolierten Ereignissen. Ein jetzt von der OPCW veröffentlichter Bericht dreht sich um drei Giftgaseinsätze im Jahr 2017 auf die damals von oppositionellen Milizen gehaltenen Stadt Ltamenah im Norden von Hama. 

Hat von diesen drei Giftgaseinsätzen außerhalb Syriens damals jemand Notiz genommen – außer einige Expert*innen? Wohl kaum. Dabei wurde in Ltamenah nicht „nur“ Chlorgas eingesetzt – eine relativ einfach herzustellende Waffe – sondern auch das aggressive Nervengas Sarin. 

Dass der OPCW-Bericht zum Ergebnis kommt, dass das Assad-Regime 2017 in Ltamenah Sarin eingesetzt hat, ist nicht nur deshalb von Bedeutung, weil die OPCW erstmals klar das Regime von Bashar al Assad als Täter nennt. (Zuvor hatte sie dafür kein Mandat, das hat sie erst seit Mitte 2018).

Der Bericht sollte ebenso ins Bewusstsein rufen, dass das Assad-Regime, von der Weltöffentlichkeit weitgehend unbeachtet, immer wieder Chemiewaffen eingesetzt hat: 340 Chemiewaffeneinsätze dokumentiert das Global Public Policy Institut. 37 davon haben die Vereinten Nationen bis März 2019 untersucht und davon in 32 Fällen das Assad-Regime als Täter identifiziert. 

Die UN-Untersuchungskommission IIIM hat bis Anfang 2019 37 Chemiewaffenangriffe untersucht. 32 Mal war das Assad-Regime verantwortlich, bei fünf Fällen konnte die Täterschaft nicht eindeutig geklärt werden.

Trotzdem hält sich in der Öffentlichkeit weiter das irre Argument, Giftgaseinsätze würden dem Regime nicht „nutzen“, es müsste sich daher um False-Flag-Aktionen handeln. Dabei ist das Motiv des Regimes klar: Es setzt Giftgas ein, weil es Menschen in oppositionell gehaltenen Gebieten, ganz gleich ob Bewaffnete oder Zivilist*innen, wie Ungeziefer zu vernichten oder zu vertreiben trachtet. Und weil es Dank Russlands schützender Hand dafür keine Strafe fürchten muss.

Es braucht dringend Druck auf Russland

Außenminister Heiko Maas forderte kurz nach Erscheinen des jüngsten OPCW-Berichts, die internationale Staatengemeinschaft müsse dafür sorgen, dass die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden. Die Bundesregierung wolle sich hierfür im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen und bei der OPCW mit Nachdruck einsetzen.

Ob die Bundesregierung diesen Worten endlich Taten folgen lässt, wird sich zeigen. Fest steht: Freundliches Zureden allein wird Putin nicht dazu bringen, seine Vetos aufzugeben, mit denen Russland das Assad-Regime bislang vor Strafverfolgung schützt.

Wenn Bundesregierung und Europäische Union verhindern wollen, dass der Einsatz von Chemiewaffen straflos bleibt und damit eines Tages Usus in der Kriegsführung von Despoten wird, müssen sie jetzt handeln und endlich ernsthaft Druck auf Putin und seine Entourage ausüben, zur Not mit auch Sanktionen gegen diejenigen, die Kriegsverbrechen decken – damit die Täter von Giftgas-Einsätzen endlich bestraft werden können.

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