PM: Debatte um Syrien-Abschiebungen soll von Behördenversagen ablenken

Nach der mutmaßlich islamistisch-motivierten Messerattacke in Dresden: Innenminister Wöller lenkt mit Abschiebungsdebatte vom Versagen der Polizeibehörden ab // Auswärtiges Amt stellt fest: Syrien nicht sicher für Abschiebungen

Berlin/Leipzig, 22. Oktober. Nach der mutmaßlich islamistisch motivierten Messerattacke in Dresden, bei der ein Mann getötet, ein zweiter schwer verletzt wurde, fordert Sachsen Innenminister Roland Wöller, den Syrien-Abschiebungsstopp zu beenden. Ferdinand Dürr, Sprecher der deutsch-syrischen Menschenrechtsorganisation „Adopt a Revolution“ betont: „Abschiebungen nach Syrien sind rechtlich nicht möglich. Innenminister Wöller will offenbar vom Versagen seiner Sicherheitsorgane ablenken.“

Das Auswärtige Amt stellt seit 2012 in seinen Lageberichten fest, dass in Syrien systematisch und flächendeckend gefoltert wird. Nach Art. 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention darf niemand darf der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden. Dies gilt auch für Straftäter oder Gefährder – auch wenn zahlreiche Politiker der Union dies in der aktuellen Debatte offenbar nicht wahrhaben wollen.

Zudem sind sämtliche Behörden des Assad-Regimes, mit denen sich deutschen Behörden zur Durchführung von Abschiebungen koordinieren müssten, in Verbrechen gegen die Menschlichkeit verstrickt und daher Ziel internationaler und europäischer Sanktionen. Vor dem Oberlandesgericht Koblenz läuft derzeit ein Folterverfahren gegen zwei Vertreter dieser Behörden wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit.

Syrien-Abschiebungen sind rechtlich und praktisch unmöglich

Mit der rechtlich und praktisch nicht umsetzbaren Forderung nach Syrien-Abschiebungen lenkt Sachsens Innenminister vom Versagen seiner Sicherheitsorgane ab. Der mutmaßliche Täter war kurz vor der Tat unter anderem aufgrund islamistisch motivierter Straftaten aus der Haft entlassen worden. Er galt als Gefährder und stand unter Führungsaufsicht. Sachsens Innenministerium muss jetzt aufklären, warum es dennoch zu dieser Tat kommen konnte, anstatt populistische Debatten zu befeuern.

Adopt a Revolution betont, dass Abschiebungen kein geeignetes Mittel im Kampf gegen dschihadistischen Terror sind, und erinnert in diesem Zusammenhang daran, dass in den vergangenen Jahren mehrere hundert Dschihadist*innen aus Deutschland nach Syrien gereist sind, um sich dort der genozidalen Terrororganisation »Islamischer Staat« anzuschließen. Die dschihadistischen Täter und ihre mörderische Ideologie sind keine Bedrohung „von Außen“, sondern längst internationalisiert. Dschihadistischer Terror lässt sich daher nicht mit Abschiebungen in den Griff bekommen.

Petition: Abschiebungsstopp unbefristet verlängern

Gemeinsam mit über 8.000 Unterzeichner*innen der Petition #SyriaNotSafe (https://syria-not-safe.org/#petition) fordern wir die Innenminister*innen auf, bei der im Dezember in Weimar stattfindenden Innenmisterkonferenz den Fakten im Syrien-Lagebericht des Auswärtigen Amtes Rechnung zu tragen und den Syrien-Abschiebestopp zu verlängern. Statt einer Debatte über Abschiebungen braucht es nachhaltige Strategien zur Eindämmung der dschihadistischen Ideologie und zur Verhinderung entsprechend motivierter Gewalttaten.

Über Adopt a Revolution

Adopt a Revolution unterstützt seit Anfang 2012 die Arbeit der syrischen Zivilgesellschaft und vermittelt hierzulande Informationen aus der syrischen Demokratiebewegung. Unter https://adoptrevolution.org/ stellt die Menschenrechtsorganisation aktuelle Entwicklungen aus der syrischen Zivilgesellschaft dar. Zivile Initiativen in Syrien hat Adopt a Revolution bisher mit über zwei Millionen Euro aus Kleinspenden finanziell unterstützt.