Zwischen Islamisierung, Bewaffnung und Hoffnung: Islamisten versuchen die FSA zu marginalisieren und gewinnen an Unterstützung, die Zivilgesellschaft lebt: über Kampagnen, die weiterhin Gewaltlosigkeit fordern- Netzschau vom 18. Januar

Martin Chulov berichtet für den Guardian aus Aleppo über das Schisma zwischen Kämpfern der Freien Syrischen Armee (FSA) und salafistischen Kämpfern. Chulov bezieht sich vor allem auf die Jabhat al-Nusra, eine al-Qaida nahe stehende Gruppierung, die inspiriert von Bin Laden, den globalen Jihad anstrebe. Innerhalb der letzten Monate habe sich diese Gruppierung einen Namen gemacht […]

Martin Chulov berichtet für den Guardian aus Aleppo über das Schisma zwischen Kämpfern der Freien Syrischen Armee (FSA) und salafistischen Kämpfern. Chulov bezieht sich vor allem auf die Jabhat al-Nusra, eine al-Qaida nahe stehende Gruppierung, die inspiriert von Bin Laden, den globalen Jihad anstrebe. Innerhalb der letzten Monate habe sich diese Gruppierung einen Namen gemacht als jemand, der „things done“ kriegt und somit auf der einen Seite wachsenden Zuspruch auf Syriens Straßen bekomme, auf der anderen Seite, distanzierten sich viele ehemalige Unterstützer der konservativen Gemeinden von Jabhat al-Nusra. Als der „Kampf um Aleppo“ Mitte 2012 in seiner heißen Phase war, habe Jabhat al-Nusra eine entscheidende Rolle gespielt, inzwischen aber, so ein Kommandeur der FSA: „[T]hey [al-Nusra] began to reveal themselves. The situation is now very clear. They don’t want what we want.” Der Kommandeur spielt damit vor allem auf die angestrebte Implementierung von der islamischen Sharia seitens Jabhat al-Nusra an. Von diesen Vorstellungen distanziert sich die FSA deutlich, gleichzeitig besteht aber auch das Bewusstsein, dass Jabhat al-Nusra nicht so leicht aufgeben wird, somit kommt der Kommandeur der FSA zum Schluss: „We’ll fight them on day two after Assad fall. Until then we will no longer work with them.”

Über das angespannte Verhältnis zwischen den jihadistischen Kämpfern und der FSA berichtet auch Jamie Dettmer für The Daily Beast. Spannungen zwischen beiden Gruppen seien ausgebrochen nachdem Jihadisten am Mittwoch einen Kommandeur der FSA in der Nähe der türkischen Grenze erschossen hätten. Eine große Befürchtung ist, dass es nun zu Racheaktionen zwischen beiden Gruppen kommt. Dettmer berichtet, dass viele Syrer die wachsende Korruption der FSA, mit Unmut sähen und sich deswegen den Jihadisten, u.a. Jabhat al-Nusra zuneigten. In einigen Städten sei es sogar schon zu Anti-FSA Protesten gekommen. Zudem habe die Gruppierung andere jihadistische Zusammenschlüsse unter ihren Befehl genommen. Die Jihadisten führen immer öfter erfolgreiche Aktionen gegen das Regime durch, insbesondere da sie, anders als die FSA, die chronisch unterfinanziert ist, Unterstützung von ideologischen Sympathisanten aus den Golfstaaten bekämen.

Dass der Kampf in Syrien für die Jabhat al-Nusra nur ein Anfang in einem größeren regionalen Kampf bedeutet, räsoniert Hussein Jemmo für die arabische Tageszeitung al-Hayat. Jemmo zeigt, wie Jabhat al-Nusra die Rolle der FSA versucht zu unterminieren. So klagt die Gruppe die FSA an, mit westlicher Unterstützung zu arbeiten und warnt vor Versuchen, dass syrische Regime durch ein „westliches“ zu ersetzen. Jemmo fragt, ob das Phänomen Jabhat al-Nusra ein temporäres ist, oder weit darüber hinaus geht. Syrien, so die Strategie der Bewegung, sei nur der Anfang eines globalen Jihads. Die relativ erfolgreiche Strategie der Gruppe basiere vor allem auf drei Säulen: Ausdauer, die Entwicklung einer “funktionalen Rolle” für Jihadisten in Syrien und die Kontinuität des Konflikts. Dies beinhaltet die gezielte Marginalisierung und Diffamierung des größten Konkurrenten, die FSA, der Versuch sich selbst das Gewand einer lokalen Konfliktpartei umzuwerfen, und die Promotion gezielter Feinde wie „das alawitische Regime“ oder „der zionistische Feind“. Jemmo kommt zu dem erschreckenden Resümee: „[This strategy has] been working smoothly and successfully until now. Due to the moral chaos surrounding some FSA brigades, and the fact that some of these brigades committed theft, the presence of Jabhat al-Nusra has gained support among the industrial middle class.”

Die syrische Szene ist allerdings vielfältig, so lässt der Bericht von Geoffrey Aronson in Al-Monitor Raum für Hoffnung. Aronson stellt das Projekt „Syrischer Dialog (arab: al-Hiwar as-Suri)“ vor, welches die Bühne für einen „virtuellen Dialog“ zwischen Inlands- und Auslandssyrern ebnet, um folgende Fragen zu beantworten: Was glauben Syrer ist heute wichtig und wie können sie am besten ihre Zukunft gestalten. Was die meisten Syrer fordern, sei vor allem eine andere Realität als die von Jihadisten und FSA gestaltete: „Putting an immediate end to violence and finding political solutions so as to reach a comprehensive peaceful democratic change.“ Ein nationaler Dialog, bestimmt von Rationalität sei wichtig: „Everyone has blood on their hands, and everyone has committed serious mistakes. Dialogue, agreement on a transitional period and a national unity government, and consideration of the other side’s fears would ease tension and put Syria’s interest above all.” Das Projekt zeigt insbesondere, wie viel Wert viele Syrer auf eine tolerante und lebhafte Zivilgesellschaft legen, in welcher Politik nicht durch militärische Kraft definiert ist.

Ein andere Hoffnungsschimmer stellt die auf Syria Deeply vorgestellt Kampagne „Wir sind eine ethische Alternative (Arab: Nahnu badil akhlaki)“ dar. Die Gruppierung, die die Kampagne austrägt, versteht sich vor allem als Reaktion auf die Adaptierung von Gewalt durch Teile der Opposition, wie etwa die FSA und andere Gruppierungen. Die Aktivisten wollen deutlich machen, dass eine Militarisierung keine Alternative zum gewaltfreien Widerstand ist. Das Austragen der Kampagne sehen die Aktivisten als Revolution in der eigentlichen Revolution: „Most importantly, the revolution has started to produce self-correcting mechanisms, and our campaign can be seen as an early revolution against the counter-revolution, which has appeared to confront the Syrian revolution even before its victory. This is the paradox facing Syria today.”

Um zu verstehen, warum das syrische Regime immer noch nicht zusammengebrochen ist, ist ein Blick auf die wirtschaftlichen Netzwerke in Syrien notwendig, welche als Rückgrat des Regimes gesehen werden müssen, so der syrische Wissenschaftler und Aktivist Bassam Haddad. Er erzählt im Interview mit C-SPAN über die ökonomische Dimension der syrischen Revolution: Vetternwirtschaft und die Entstehung von Netzwerken vor der syrischen Revolution, sowie die Signifikanz des Unterschied zwischen urbanen und ruralen Gebieten in Syrien für die Revolution.


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