Zwischen Solidarität und humanitärer Hilfe – Eine Einordnung

Die zugespitzte humanitäre Situation in Syrien ist keineswegs „natürliche“ Folge der Gewalt im Land. Als Bestrafungsaktionen unter dem Motto „Assad oder wir brennen das Land nieder“ hat das Regime die Not an vielen Orten bewusst herbeigeführt, sei es durch die dauerhafte Belagerung ganzer aufständischer Städte und Stadtteile oder die gezielte Zerstörung von Infrastruktur wie Bäckereien […]

Die zugespitzte humanitäre Situation in Syrien ist keineswegs „natürliche“ Folge der Gewalt im Land. Als Bestrafungsaktionen unter dem Motto „Assad oder wir brennen das Land nieder“ hat das Regime die Not an vielen Orten bewusst herbeigeführt, sei es durch die dauerhafte Belagerung ganzer aufständischer Städte und Stadtteile oder die gezielte Zerstörung von Infrastruktur wie Bäckereien oder Wasserwerken in oppositionellen Gebieten. Von Sophie Bischoff und Ansar Jasim

Wenn lokale Bürgerkomitees, die sich ursprünglich im Protest gegen die Diktatur gegründet hatten, anfangen, staatliche Einrichtungen wie Strom- und Wasserleitungen, Zivilregister oder Schulen selbst zu übernehmen, dann begreifen AktivistInnen dies als fortgesetzten Widerstand gegen die Unterdrückung des Regimes. Zwar bedeutet die Tatsache, dass solche Einrichtungen in oppositionellen Gebieten liegen, keine automatische Orientierung an demokratischen Zielen. Denn etwa auch die IS-Dschihadisten infiltrierten Ortschaften zuerst dadurch, dass sie Getreidespeicher und Bäckereien unter ihre Kontrolle brachten und so eine Machtposition aufbauten, um der Bevölkerung ihre Ideologie aufzuzwingen.

Projekte, die Adopt a Revolution in Zusammenarbeit mit lokalen Initiativen in Syrien umsetzt, folgen dagegen durchgehend einem emanzipatorischen, pluralistischen Ansatz und zielen über die Befriedigung alltäglicher Bedürfnisse der Bevölkerung hinaus.

AktivistInnen dieser Projekte machen deutlich, dass es sich nicht um ein Zugeständnis handelt, wenn die lokalen Machthaber Wasser, Strom oder Nahrung zur Verfügung stellen. Vielmehr stellen sie klar, dass sie von einem Grundrecht etwa auf Lebensmittel oder Schulbildung ausgehen.

Die Hungerblockaden durchbrechen: AktivistInnen bauen Gemüse im städtischen Umfeld an, um es an Bedürftige zu verteilen. Quelle: Lens Young Yeldani.
Die Hungerblockaden durchbrechen: AktivistInnen bauen Gemüse im städtischen Umfeld an, um es an Bedürftige zu verteilen. Quelle: Lens Young Yeldani.

Durch das Schaffen eigener ziviler Infrastruktur bieten die AktivistInnen nicht nur eine Alternative zu den beiden in Syrien herrschenden Diktaturen, dem Baathismus und dem radikalen Islamismus. Sie schaffen auch Mitbestimmungsrechte und Diskussionsräume, mit denen die Grundlagen für eine von toleranten und demokratischen Werten geprägte Gesellschaft gelegt werden. Ein konkretes Beispiel hierfür sind die alternativen Schulen in Erbin, in denen nicht nur Wissen vermittelt wird, sondern auch patriarchale und autoritäre Strukturen in Frage gestellt werden.

Solche Ansätze zu stärken ist deshalb mehr als humanitäre Hilfe, es ist gelebte Solidarität mit der syrischen Zivilgesellschaft.

Dieser Beitrag über erschien auch in der Adopt a Revolution-Zeitung vom Dezember 2014, die Sie hier als PDF abrufen können. Bestellen Sie einige Exemplare der Zeitung, um Sie an FreundInnen und Bekannte weiterzugeben, in Geschäften auszulegen oder bei Veranstaltungen zu verteilen. Gerne senden wir Ihnen kostenfrei Exemplare zu. Senden Sie uns dazu einfach eine Email an: info@adoptrevolution.org

Seit Ende 2011 unterstützt Adopt a Revolution die Projekte der jungen syrischen Zivilgesellschaft für Freiheit, Demokratie und Menschenrechte. Zivile AktivistInnen streiten weiterhin für ihre Freiräume und sind die letzten, die in Syrien noch humanitäre Hilfe für die Opfer von Verfolgung durch Diktatur und IS-Terror leisten können. Helfen Sie mit, diese Projekte der Selbsthilfe zu ermöglichen!

Jetzt syrische Zivilgesellschaft stärken!