Ich rede mit der Zunge meines säkularen Ichs.
Warum hat al-Assad Angst vor diesem Ausdruck (Allahu Akbar)?!
Warum zittert sein Thron, wenn er ihn hört?
Er ist sicher nicht gläubig, und weder er noch seine regierende Truppe kannte einen Gott; er ist absolut davon überzeugt, dass er nach dem Tod lediglich zu Asche wird.
Und er ist auch davon überzeugt, dass keine versteckte oder göttliche Kraft auf Seiten der Revolutionäre kämpft und kein Gott jene beschützt!! Warum hat er dann Angst vor dem Ausdruck „Allahu Akbar“? Warum war dieser Ausdruck der erste Feind, dem er mit Skud-Raketen entgegentrat?
Er hat nicht vor ihm Angst, weil es ein Ausdruck ist, den die religiösen Fanatiker benutzten. Vielmehr, weil der Syrer in seiner Schlauheit weiß, dass er al-Assad mit der Benutzung des Ausdrucks erniedrigt und seinen Spinnenthron zum Wanken bringt. Und somit begann der Säkulare – vor dem Islamisten oder dem Fanatiker – ihn zu benutzen. Er benutzte ihn und ließ dadurch das Gebilde von al-Assad erzittern. Und er stellte sich mit nackter Brust vor dessen barbarischen Feuerbeschuss, welcher als Reaktion auf die „Allahu Akbar“-Rufe kommt…. Das ist das Takbir (Allahu Akbar-Sagen), meine Herrschaften.
Takbir! …“Allahu Akbar“… oh mein Land, sag „Allahu Akbar“!
Ich habe einen Freund, der sich für die Revolution und seine Freunde aufopfert und eigentlich eine ganz einfache Person ist. Er verfügt über ein breites Wissen, obwohl er nicht zu den Gebildeten gehört. Einige Zeit musste er auch den bitteren Geschmack der Assad-Gefängnisse kosten, einfach nur wegen seines Engagements in der humanitären Hilfe für angrenzende Regionen. Dieser Freund erzählte mir, dass er einmal aus Begeisterung von seiner Zellentür aus – mit aller Kraft – „Takbiiir“ schrie. Und plötzlich sei das Gefängnis aus allen vier Ecken in einer Stimme „Allahu Akbar“-schreiend explodiert. Das brachte alle arabischen Throne in ihrer Gesamtheit zum Wackeln. Es explodierte vom Boden und vom Himmel, von den Wänden und Türen, den Ketten und Folterinstrumenten und von überall her: „Allahu Akbar“… Er erzählte mir, dass die Rufe erst verstummten, als die Sicherheitskräfte und die Unterstützungstruppen von außerhalb des Gefängnisses die Zellen stürmten… als ob das Jüngste Gericht stattfand. Als er mir das erzählte, lachte er jenes schöne Lachen, für welches er bei allen Revolutionären bekannt ist. Er erzählte mir, dass das schönste, was er gehört hat, der Satz „Allahu Akbar, oh mein Land, rufe ‚Allahu Akbar‘“ sei. Denn in jenem Satz ersteht die Stärke wieder auf. Er sagte das, obwohl er nicht zu den stark Religiösen gehört, wie es auch alle wissen.
Anschließend richtete er einen Rat an mich. Ich muss jedes Mal immer noch aufs Neue lachen, wenn ich mich daran erinnere. Er sagte mir: „Rufe niemals ‚Allahu Akbar‘ in einem Gefängnis. Ich sage dir, es stellt sich raus, dass das im Gefängnis kein Scherz ist“, und er lachte.
Und bei den Demonstrationen in meiner Stadt Salamiyya gehörte diese Takbir-Geschichte zu den witzigsten Erzählungen. So lernte man die revolutionäre Bewegung in der Stadt kennen. Ziel in Salamiyya war es, alle religiösen Konfessionen und politischen Richtungen einzuschließen. Um genau zu sein, hatten unsere sunnitischen Brüder Führungspositionen in der Leitung der Demonstrationen in Salamiyya inne. Sie haben jedoch niemals irgendeine religiöse Couleur für die Demonstrationen angestrebt, um somit erstens auch die Behauptungen al-Assads zu wiederlegen. Dieser behauptete, syrienweit gebe es eine islamistische Ausrichtung in den Demonstrationen. Zweitens taten die sunnitischen AktivistInnen dies, um sich mit den SyrerInnen der anderen Konfessionen (und insbesondere den Ismailiten) in einer vereinten revolutionären Bewegung zu verbrüdern. [Anm.: Die Stadt Salamiyya beherbergt das religiöse Zentrum der Ismailiten in Syrien, daher sind viele der Einwohner Ismailiten.]
Und die Sache ist ganz einfach: Der erste, der „Takbir“ in den Demonstrationen gerufen hat, war ein Ismailit von der Seite seines Vaters – und vom Denken her Marxist bis ins Knochenmark. Und die ersten, die diesen Takbir-Ruf erwiderten, waren dessen Freunde: die Säkularen und Kommunisten der Stadt. Wie haben unsere sunnitischen Brüder aus der Tiefe ihrer traurigen Herzen gelacht, und nun stehen sie vor den Takbir-Rufen, die sie im Grunde gar nicht verlangt hatten – sie werden ja als Terroristen, Radikale und solche, die andere für Ungläubig erklären und die Zerstörung des Assad-Syriens wollen, angesehen. Auf Takbir-Rufe antwortet jeder, der inmitten einer Demonstration steht, und jeder, der mit ihnen ins neue Syrien geht. Ein Syrien, das gibt, ohne von dir zu erwarten, dass du etwas einforderst… nicht das Assad-Syrien.
Das Komitee in Salamiyya unterstützen!
Dieser Bericht erschien im Juni 2013 zuerst in arabischer Sprache auf der Facebook-Seite des Lokalen Komitees Salamiyya. Verfasst hat den Artikel ein Aktivist aus Salamiyya unter dem Pseudonym al-Badawi al-Muhadjar („der vertriebene Beduine“). Salamiyya ist eine Kleinstadt nahe Homs und Hama in Zentralsyrien. Die Stadt ist das religiöse Zentrum der Ismailiten in Syrien. Das multireligiöse Salamiyya schloss sich früh den Protesten in Syrien an – und trat damit der Regierungspropaganda entgegen, es handele sich bei den DemonstrantInnen um islamische Extremisten. Das lokale Komitee Salamiyya wird von AaR finanziell unterstützt. Hier finden Sie den aktuellen Komiteebericht. Im obigen Artikel reflektiert der Aktivist al-Badawi al-Muhadjar die Wirkung des „Allahu Akbar“-Rufens in der syrischen Protestbewegung. Eine Aktivistin von AaR hat den Bericht ins Deutsche übertragen.