Der türkische Präsident Recep Erdoğan und UN-Generalsekretär António Guterres bei ihrem Treffen im November 2019

Die UN und Erdogan: Schulter an Schulter gegen Geflüchtete?!

Erdoğan plant mindestens zwei Millionen syrische Geflüchtete aus der Türkei in den Nordosten Syriens umzusiedeln. Dabei scheint er auf die Unterstützung von der UN hoffen zu können.

Der türkische Präsident Recep Erdoğan und UN-Generalsekretär António Guterres bei ihrem Treffen im November 2019

Ankaras Umsiedlungspläne stoßen bei der UN auf weit weniger Kritik, als erwartet. Bei einem Treffen am 1. November mit dem türkischen Präsident Recep Erdoğan betonte UN-Generalsekretär António Guterres lediglich, die Grundprinzipien für eine “freiwillige, sichere und würdige Rückkehr von Geflüchteten”. Damit unterstützt die UN nicht nur das völkerrechtswidrige Vorhaben, sondern fällt auch auf den Propaganda-Sprech aus Ankara herein. Denn: Die Menschen kommen nicht aus den anvisierten Gebieten, von Rückkehr kann also keine Rede sein. Stattdessen werden sie in die eroberten Regionen und Städte zwangsumgesiedelt, aus denen die hiesige Bevölkerung vorab durch die Militärinvasion vertrieben wurde.

Unsere Partner aus Nordost-Syrien bewerten „die Ankündigung des UN Generalsekretärs, die Pläne der Türkei zu überprüfen und eine Kommission dafür ins Leben zu rufen, als Zustimmung zur angekündigten ethnischen Säuberung und Zwangsumsiedlung der Kurden und anderen syrischen Flüchtlingen.”

Für den Generalsekretär scheint dieses Detail indes kein Problem. Stattdessen beauftragte er das UNHCR ein Expertenteam zusammenzustellen, das nun in enger Zusammenarbeit mit den türkischen Behörden einen Plan für die Umsiedlungen erstellen soll, um eine freiwillige und sichere” Rückkehr” zu gewährleisten. Auch Erdoğan bekräftigte zwar, dass die „Rückkehr“ von Geflüchteten freiwillig geschehen werde. Allerdings hat die Türkei schon vor ihrer Militäroffensive in Nordsyrien syrische Geflüchtete in Istanbul festgenommen und diese unfreiwillig nach Syrien zurückgeführt teilweise wurden die Betroffenen sogar direkt an die Terrormiliz HTS in Idlib übergeben.

Trotzdem scheinen beim ersten Treffen des Expertenteam des UNHCR und einer Delegation des türkischen Außenministeriums in Genf am 11. November erste Einigungen erzielt worden zu sein. Zumindest der stellvertretende türkische Außenminister Yavuz Kıran bezeichnete die Gespräche als “konstruktiv und fruchtbar”. Folgegespräche sind bereits in Planung.

Türkei hebelt Völkerrecht aus

Diese Einigkeit verwundert umso mehr, da dieser Bevölkerungsverschiebung, auch bekannt als “Demographic Engineering”, das völkerrechtliche Fundament fehlt. Zumindest der wissenschaftliche Dienst des Bundestages benennt dies klar und bezeichnet die geplante Technik als eine “ethnische Flurbereinigung” und schreibt, dass besatzungsrechtlich “jegliche Formen der Umsiedlung geschützter Personen in besetzten Gebieten untersagt” seien. Eine Sicherheitszone könnte auch nur dann errichtet werden, wenn eine Selbstverteidigungslage für die Türkei vorliegt. Jedoch sieht der wissenschaftliche Dienst “keine völkerrechtlich zulässige Selbstverteidigungshandlung” und selbst wenn eine bestehen sollte, sieht das Gutachten “keinen Zweifel an der Unangemessenheit der türkischen Militäroffensive”. Daher bestehe keine völkerrechtliche Basis überhaupt ein Gebiet zu errichten, in das Geflüchtete zwangsweise umgesiedelt werden können.

Wenn selbst die UN an der Umsetzung dieser auf Völkerrechtsbruch basierenden Plänen arbeitet, bleibt kaum Hoffnung, dass jemand der Türkei einen Strich durch die Rechnung macht. Diese treibt ihr Vorhaben derweil eisern an und machte bereits deutlich, dass sie schnell handeln will. Ein wichtiges Stichdatum dürfte der 17./18. Dezember zu sein. Dann findet das erste Global Refugee Forum in Genf statt. Bei dem Gipfel will Ankara bereits einen groben Fahrplan zur Zusammenarbeit mit dem UNHCR präsentieren.

Aus der Vergangenheit nichts gelernt

„Für uns als vertriebene Oppositionelle ist die Situation unerträglich – wir dachten, wir könnten unsere Demokratie-Bewegung hier fortsetzen. Aber es scheint so, dass wir nun alle einfach zu Opfern der Vereinbarungen und Abmachungen der regionalen und internationalen Mächte werden.”
Unser Partner Ahmad aus den von der Türkei kontrollierten Euphrate-Shield-Gebieten

Schnelle Aktionen und die Zustimmung zur „Rückkehr“ durch die UN sind besonders dramatisch, da in den bereits 2016 und 2018 von der Türkei eingenommenen und seitdem von ihr kontrollierten Euphrat-Shield-Gebieten von Sicherheit für die dort lebenden Menschen nichts zu spüren ist. Unser Partner Ahmad aus den von der Türkei kontrollierten Euphrate-Shield-Gebieten berichtet von ständigen Explosionen, Autobomben und Willkür an den Checkpoints.

“Die UN soll vielmehr ihre Aufgabe der Friedenssicherung wahrnehmen, und sich dafür einsetzen, dass die Vertriebenen innerhalb Syriens wieder zu ihren Häusern zurückkehren können. Geflüchtete sollen freiwillig und würdevoll in ihre ursprünglichen Regionen zurückkehren können.”

Einer unserer Partner in Nordost-Syrien