Neues Assad-Interview, Großstadt Raqqa von den Rebellen erobert, eine Million Flüchtlinge im Ausland – Netzschau 06. März

Bashar al-Assad hat der Sunday Times ein Interview gegeben, in dem er sich über westliche Hilfe für die Rebellen beschwert. Bizarr die Auffassung über seine persönliche Rolle im Konflikt: „In any case, he [Assad] said, it was nonsense to suggest that the conflict was about the president and his future.” Wie dw berichtet, ist Assad bereit, […]

Bashar al-Assad hat der Sunday Times ein Interview gegeben, in dem er sich über westliche Hilfe für die Rebellen beschwert. Bizarr die Auffassung über seine persönliche Rolle im Konflikt: „In any case, he [Assad] said, it was nonsense to suggest that the conflict was about the president and his future.” Wie dw berichtet, ist Assad bereit, mit den Rebellen zu verhandeln – nachdem diese die Waffen niedergelegt haben. Der iranische Außenminister verkündete derweil, Assad werde sich 2014 wieder als Präsident zur Wahl stellen. Bei SANA kann das seitenlange Transkript des Assad-Interviews nachgelesen werden.

Die Rebellen haben im Nordosten mit Raqqa zum ersten Mal eine Großstadt unter ihre Kontrolle gebracht. Raqqa ist für das Regime strategisch nicht sehr bedeutend, die SZ (Printausgabe) schreibt, dass es wahrscheinlich trotzdem versuchen wird, einen Gegenangriff zu starten. Man will den Rebellen und der Opposition nicht gestatten, eine Art Regierung aufzubauen. Dementsprechend fürchten die Rebellen und Einwohner eine mögliche Rache des Regimes. Auf dem zentralen Platz in Raqqa wurde unter frenetischem Jubel eine Statue von Hafez al-Assad gestürzt. Die Rebellen sollen u.a. auch den Provinzgouverneur festgenommen haben.

Über die Lage im Ort Ras al-Ayn, wo es mehrmals zu Kämpfen zwischen kurdischen Milizen und arabisch-islamistischen Gruppen kam, berichtet die ZEIT. Dort herrscht seit kurzem ein Waffenstillstand, den auch der anerkannte Oppositionelle Michel Kilo mit ausgehandelt hat. Die ausländischen Jihadisten sollen demnach abziehen, Kurden und FSA-Einheiten den Waffenstillstand zusammen gewährleisten. Der Artikel erwähnt kurz die Hilfe kurdischer Aktivisten beim Wiederaufbau der Stadt. Hierbei ist stark die Sawa-Koalition aktiv, die von Adopt a Revolution unterstützt wird.

Aktuell sind zwei Videoberichte aus Aleppo anzuschauen, die sowohl ein Bild von der Front zeichnen als auch vom Versuch der Einwohner, ein „normales“ Leben aufrechtzuerhalten. Im Weltspiegel-Bericht erklärt ein Anwohner, dass es einen Marshall-Plan für Syrien bräuchte. Christoph Reuter berichtet für SPIEGEL TV von den Bedingungen an der Front, aber auch den Schwierigkeiten der Einwohner. Erfreulich ist, dass beide Berichte die Bedeutung von Bildung und Schule für die jungen Einwohner Aleppos veranschaulichen.

Wie Reuters berichtet, befindet sich seit heute eine Million syrischer Flüchtlinge im Ausland. Allein seit Jahresbeginn haben damit 400.000 Menschen das Land verlassen, Kinder machen den Großteil der Flüchtlinge aus. Der UN-Flüchtlingskommissar warnt, Syrien bewege sich auf ein völliges Desaster zu. Bislang ist nur ein Viertel der zugesagten Mittel bei der UN eingegangen. Wie finanznachrichten.de schreibt, gerate nach Ansicht der Caritas die syrische Flüchtlingskrise völlig außer Kontrolle. Man sorgt sich zudem um die Stabilität der Aufnahmeländer Jordanien und Libanon, die an einen kritischen Punkt geraten sind. Dort komme es zu Spannungen zwischen Flüchtlingen und Bewohnern und die Infrastruktur reiche nicht mehr aus. Noch schlimmer sei es in Syrien, wo rund 80 Prozent der Menschen arbeitslos seien. Die neuankommenden Flüchtlinge hätten daher nichts mehr außer ihrer Kleidung. Die Caritas selbst versorgt in Syrien und in den Nachbarstaaten Bedürftige.

Die offiziellen Zahlen der UN zeigen jedoch nur einen Teil des Flüchtlingsstroms. Der dw-Artikel „Nichts zu verlieren“ beleuchtet die Lage syrischer Flüchtlinge in der Türkei und Griechenland. Nachdem die EU die Landgrenze zur Türkei dicht machte, hat sich der Flüchtlingsstrom auf den weitaus gefährlicheren Seeweg verschoben. In der Türkei sollen sich ca. 300.000 Syrer aufhalten, die dort zwar eine Unterkunft in Lagern und Versorgung erhalten können, jedoch kein Asyl. So bleiben vielen nur die Illegalität oder die Dienste von Schleppern. Wie gefährlich der illegale Seeweg in die EU ist, zeigt sich in Lesbos, wo seit Monaten verstorbene anonyme Flüchtlinge begraben werden. Deutschland ist trotzdem weiterhin nicht bereit, syrische Flüchtlinge aufzunehmen. Das Innenministerium bevorzugt, Hilfe in den Nachbarstaaten zu leisten. Pro Asyl kritisiert diese Haltung, da die Lage in den Aufnahmelagern immer dramatischer werde. Ein erster Schritt wäre, in Deutschland lebenden Syrern die Aufnahme von Angehörigen zu gestatten. Immerhin: Deutschland hält laut UNHCR vorbildlich seine versprochenen Hilfszusagen.

Julia Gerlach berichtet für die FR von einem „General ohne Armee“. Nach der Desertierung samt Familie versuchte Omar Asfar umgehend, sich der FSA anzuschließen. Laut Asfar vertragen die FSA-Kämpfer jedoch keine Kritik, und so gab es für ihn keine Verwendung. Der General meint, die Reserven des syrischen Regimes reichten noch für Jahre Krieg aus, die FSA übertreibe zudem ihre Ressourcen und Stärke. Gerade deshalb seien er und andere desertierte hochrangige Militärs für die FSA so wichtig. Frustriert lebt Asfar nun in Amman und wird fürs Nichtstun vom jordanischen Staat entlohnt. Zur Rolle der Islamisten meint Asfar: „Vom Westen kommt nichts. Die Islamisten sind die einzigen, die etwas machen. Deswegen bekommen sie Unterstützung durch die Bevölkerung!“

Die Arabische Liga stellt aktuell der Nationalen Koalition unter Moaz al-Khatib eine Mitgliedschaft in Aussicht, wie die WELT berichtet. Das Regime Assads wurde bereits 2011 ausgeschlossen. Der Stabschef der FSA war kürzlich zu Besuch im EU-Parlament und forderte eine Aufhebung des Waffenembargos gegen Syrien, da dieses nur die Rebellen, und nicht das Regime Assads treffe.

Wie tagesschau berichtete, kamen kürzlich mindestens 40 syrische Soldaten im Irak um. Sie hatten sich vor Kämpfen an der Grenze ins Nachbarland zurückgezogen, auf dem Weg zurück nach Syrien gerieten sie unter Beschuss. Nicht zuletzt dieser Vorfall schürt Ängste über einen weiteren regionalen Konflikt.


feed_iconUnsere Syrien-Presseschau als RSS-Feed abonnieren.

Für eine wöchentliche Zusammenfassung unserer Beiträge im Syrischer Frühling-Blog schicken Sie uns doch einfach eine E-Mail an: newsletter[ätt]adoptrevolution.org.

Dieser Beitrag ist lizensiert als Creative Commons zur freien Verwendung bei Namensnennung. Bei kommerzieller Weiterverwendung bitten wir um eine Spende an Adopt a Revolution.