Families for Freedom in Berlin: Aufklären über das Schicksal von Syriens Verschwundenen

Families for Freedom ist eine von Frauen geführte Initiative syrischer Familien, die Gerechtigkeit für ihre in syrischer Haft verschwundenen und getöteten Angehörigen fordern. Anfang September machen sie in Berlin auf das Schicksal der Verschwundenen aufmerksam.

2015 verschwand der Name des syrisch-palästinensischen Aktivisten Bassel Khartabil plötzlich aus dem syrischen Häftlingsregister und nichts war mehr über seinen Verbleib zu erfahren. Der bekannte Netzaktivist war im Frühjahr 2012 vom Assad-Regime festgenommen worden. Er im Sommer 2017 erhielt seine Ehefrau, die Anwältin Noura Ghazi, über inoffizielle Kanäle traurige Gewissheit über seinen Verbleib: Bassel war 2015 hingerichtet worden.

Vor einigen Wochen begann das Assad-Regime damit, das syrische Zivilregister zu aktualisieren. Im Zuge dieser Maßnahme erfuhren hunderte, wahrscheinlich eher tausende Familien vom Tod ihrer Angehörigen in syrischen Gefängnissen. Auch Noura erhielt erst jetzt eine offizielle Bestätigung über den Tod ihres Mannes. Mit anderen Frauen setzt sich Noura für die Aufklärung des Schicksals von Syriens Gefangenen und Verschwundenen ein. Die Initiative, in der sie sich zusammengeschlossen haben, heißt „Families for Freedom“. Aktuell macht die Initiative in Berlin mit Aktionen und Veranstaltungen auf die Situation der Verschwundenen und ihrer Familien aufmerksam. (Termine siehe unten)

Nach Angaben des Syrian Network for Human Rights sitzen rund 200.000 Menschen weiterhin in syrischen Folterknästen oder gelten als verschwunden. Die Praxis des „Verschwindenlassens“ ist ein schwerwiegendes Verbrechen gegen die Menschenrechte – in Syrien ist sie Alltag. Alle Aktivistinnen der „Families for Freedom“ haben selbst erlebt, was es bedeutet, wenn ein geliebter Mensch verschwindet.

So auch Bayan Shurbaji. Die Soziologin und Aktivistin stammt aus der Stadt Daraya, die ein Symbol des friedlichen Aufstandes gegen Assad war. Als Soldaten der Regierungstruppen 2011 erstmals in die Stadt einmarschierten, reckten ihnen die Menschen Blumen und Wasserflaschen entgegen. Drei Männer hatten sich die Geste ausgedacht – zwei von ihnen, Yahya und Ma’an, waren Bayans Brüder. Noch im selben Jahr wurden sie inhaftiert. Erst sieben Jahre später erfuhr Bayan, dass beide getötet worden waren.

Für Bassel, Yahya, Ma’an und tausende andere ist es zu spät. Sie haben das Martyrium von Assads Gefängnissen nicht überlebt. Doch für zigtausende andere gibt es vielleicht noch Hoffnung. Und die Ermordeten haben Gerechtigkeit verdient. Dafür tritt „Families for Freedom“ ein.

AktivistInnen von Families for Freedom in Genf vor dem Genfer Sitz der Vereinten Nationen. Foto: Dylan Collins/Families for Freedom

Ein Überblick über die kommenden Veranstaltungen mit Aktivistinnen von Families for Freedom in Berlin:

04. September | 19:00 Uhr im Sharehaus Refugio

Der Krieg ist erst vorbei, wenn wir Antworten haben.
Aktivismus von Frauen in Syrien

„Die Kampfhandlungen in Syrien gehen weiter, tausende Namen getöteter Gefangener sind inzwischen bekannt und die Verhandlungen in Genf stagnieren – all das verhindert eine Beendigung des Krieges.

Doch selbst unter diesen widrigen Umständen setzen sich syrische Aktivistinnen weiter mit Nachdruck für Gerechtigkeit und Wahrheitsfindung ein. Sie hören nicht auf, nach dem Verbleib der Verschleppten zu fragen und die Menschenrechtsverletzungen international öffentlich zu machen. Der anhaltende Aktivismus von Frauen findet international wenig Beachtung. Doch er ist die Basis für einen zukünftigen Frieden.“

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06. September | 19:00 Uhr in der Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen

Wenn Menschen einfach so verschwinden

„Wie fühlen sich Menschen, deren Angehörige plötzlich im Gefängnis einer Diktatur verschwinden? Wie lebt es sich mit dem Gefühl der Ungewissheit und der Rechtlosigkeit gegenüber einem allmächtigen Staat? Die Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen und die Frauenrechtsorganisation ‚Women Now for Development‘ haben erstmals ehemalige politische Gefangene und deren Angehörige aus Syrien und der DDR zusammengebracht, um Erfahrungen auszutauschen.“

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08. September | 16:30 Uhr auf dem Pariser Platz | Kundgebung

Der ‚Bus der Freiheit‘ in Berlin

„Wir werden den Bus auf dem historischen Pariser Platz, direkt vor dem Brandenburger Tor, parken. Bitte kommt und unterstützt die Demonstration. Erhebt eure Stimme mit uns und verlangt Freiheit und Gerechtigkeit für Syriens verschwundene Menschen.

Gemeinsam werden wir der Welt Bilder der Söhne und Töchter Syriens zeigen, die von uns genommen wurden. Unsere Herzen sind schwer wegen der tragischen Nachrichten, die viele syrische Familien erhalten: Die Bestätigung, dass ihre Liebsten in der Haft verstorben sind. Wir stehen diesen Familien bei und verlangen gemeinsam Gerechtigkeit für ihre Angehörigen, und dass die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden.

Wir verlangen die Freilassung von tausenden Menschen, die noch immer in den Verliesen des Regimes und der bewaffneten Gruppen gefangen sind.“

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