Rund um Kobani sind die Dschihadisten von ISIS bereits seit etwa einem Jahr aktiv. Sie halten die nordsyrische Stadt seitdem in Belagerung und schneiden sie und ihre Umgebung von der Versorgung ab. Strom – und damit die Wasserversorgung – ist seit sechs Monaten gekappt und das bei Temperaturen von rund 40 Grad Celsius in den letzten Wochen. Doch nach ihrem Eroberungsfeldzug im Irak, bei dem die Radikalislamisten Geld und große Mengen schwerer Waffen erbeutet und nach Syrien gebracht haben, gehen sie massiv militärisch gegen die Grenzstadt zur Türkei unter kurdischer Selbstverwaltung vor, deren BewohnerInnen sie zu den Ungläubigen zählen.
Zehn Dörfer hat ISIS schon unter seine Kontrolle gebracht, berichtet Ahmad von der unabhängigen Studentischen Union UKSS im Skype-Gespräch. Dabei wurden auch Panzer und Raketenwerfer aus dem Irak eingesetzt, über die Anzahl der Getöteten hat er keinen Überblick, aber allein in den ersten Tagen des Ramadan waren 60 Kämpfer der kurdischen Verteidigungseinheiten ums Leben gekommen. Inzwischen ist die Region des selbstverwalteten kurdischen Kantons Kobani mit rund 500.000 BewohnerInnen, von denen viele aus anderen Regionen in Nord-Syrien dorthin geflohen sind, von allen Seiten umschlossen und nur noch auf Schleichwegen zu erreichen.
Für über 600 Studierende, die Ende Mai zu Prüfungen an die Universität nach Aleppo reisen mussten, wurde dies zum Verhängnis: Sie wurden am Checkpoint der Dschihadisten kontrolliert und wer Kobani als Wohnort in seinem Ausweis angegeben hatte, wurde aus den Minibussen heraus festgenommen. Die Studierenden wurden nach Menbej verschleppt, wo ISIS ein Gefängnis betreibt in dem auch gefoltert wird. Seit Wochen arbeiten die AktivistInnen der UKSS mit Solidaritätsaktionen und Protesten daran, dass die Studierenden freigelassen werden. Immerhin konnten sie erreichen, dass einige Studentinnen inzwischen freigelassen wurden, andere konnten fliehen und sich über die Grenze in die Türkei absetzen. Trotzdem werden noch rund 400 Studierende weiter von den Dschihadisten festgehalten.
Dass Kobani direkt an der Grenze zur Türkei liegt, führt bislang nicht zu einer Verbesserung der Versorgungslage. Zwar hatte eine wütende Menge von der türkischen Seite kommend, den Grenzzaun an einigen Stellen niedergerissen, um den Nachbarn auf syrischer Seite zu helfen; doch türkische Soldaten riegeln die entstandenen Löcher und den Übergang hermetisch ab. Diese Abriegelung führt dazu, dass viele in Kobani der Türkei zutrauen, sie würde die Dschihadisten beim Vorgehen gegen die kurdische Selbstverwaltung unterstützen. Mit Lastwagen hätten die an anderer Stelle Waffen und Munition über die Grenze aus der Türkei nach Syrien bringen können – ein Gerücht das Ahmad nicht bestätigen kann.
Dass die Kämpfe inzwischen bis auf rund 15 Kilometer an die Stadt herangerückt sind, beunruhigt Ahmad zwar; doch trotzdem versucht er zusammen mit der UKSS, die Menschen zu überzeugen, nicht zu fliehen. Dem Druck von außen setzen sie kulturelle Events und Weiterbildungsangebote entgegen, damit die Menschen in der Belagerung nicht vollständig verzweifeln. Und sie bauen auf politische Vielfalt statt der Dominanz der PYD-Partei, um eine eine offene Diskussion über die Zukunft der kurdischen Selbstverwaltung in Syrien führen können.
Jetzt zu fliehen würde für die AktivistInnen bedeuten, alles aufzugeben, was sie sich in Kobani in den letzten Jahren aufgebaut haben: Die Freiheiten, die sie sich von der syrischen Diktatur erstritten haben genauso wie den Widerstand, den sie gegen die totalitären Dschihadisten von ISIS geleistet haben. Für diesen Widerstand hoffen sie auf die Solidarität der Welt.
Adopt a Revolution unterstützt den zivilen Widerstand gegen die ISIS-Terroristen in Syrien. Die junge syrische Zivilgesellschaft, wie die Union der Kurdisch-Syrischen Studierenden UKSS, wehrt sich gegen die Diktatur genauso, wie gegen die Unterdrückung durch religiöse Eiferer. Helfen Sie mit!
Syrische Zivilgesellschaft unterstützen!
Im Mai wurde der aus Kobani stammende UKSS-Aktivist Muhammad Muhammad von ISIS getötet und seine Leiche brutal geschändet. Zuvor hatte er eine unverschleierte Frau verteidigt, die von ISIS-Kämpfern beleidigt wurde. Lesen Sie unseren Nachruf auf Muhammad Muhammad von der UKSS in Kobani!