Offener Brief: Importstopp für Öl, Gas und Kohle aus Russland

Putin finanziert seine Kriege insbesondere aus den Einnahmen von Rohstoff-Verkäufen. Rund eine halbe Milliarde Euro täglich fließen aus der EU nach Russland, um Energieimporte zu bezahlen – ein Großteil davon direkt an staatsnahe Energiekonzerne. Mit zahlreichen anderen Erstunterzeichner*innen fordern wir mit einem offenen Brief an die Bundesregierung, den Import von fossilen Energieträgern aus Russland zu stoppen.

Angesichts der Aggression des russischen Militärs in der Ukraine, aber auch nach den zahllosen Kriegsverbrechen der russischen Luftwaffe in Syrien fordern wir gemeinsam mit zahlreichen Erstunterzeichner*innen aus der hiesigen Zivilgesellschaft von der Bundesregierung einen Importstopp für fossile Energieträger aus Russland. Uns ist wichtig darauf hinzuweisen, dass es trotz der von zahlreichen Menschenrechtsorganisationen bestens dokumentierten russischen Kriegsverbrechen in Syrien weiterhin keinerlei syrienbezogene Sanktionen gegen die russische Führung gibt. Umso wichtiger ist es, jetzt angesichts des Kriegs in der Ukraine die wirtschaftlichen Fähigkeiten des Kremls für die weitere Kriegsführung massiv einzuschränken.

9. März 2022,
Offener Brief

Sehr geehrter Herr Bundeskanzler Olaf Scholz,
sehr geehrter Herr Vizekanzler Robert Habeck,
sehr geehrter Herr Bundesfinanzminister Christian Lindner,

die russische Armee führt ihren völkerrechtswidrigen Angriffskrieg mit täglich zunehmendem Terror und Gewalt gegen die Zivilbevölkerung. Der Kampf um die Einnahme der großen Städte kann bereits in den nächsten Tagen tausende Menschenleben fordern und zu großflächiger Zerstörung führen. Wir sind äußerst besorgt und fühlen mit den Menschen in der Ukraine.

Was uns sehr bewegt: Wir alle finanzieren diesen Krieg. Täglich zahlen wir als EU-Staaten über 500 Millionen Euro für den Import von Öl, Gas und Kohle an die russische Führung. Allein mit dem Verkauf von Öl verdient sie 300 Millionen Euro am Tag. Deutschland ist einer der größten Zahler in der EU. Mehr noch: Diese Petroeuros schwächen massiv die Wirkung der zu Recht erlassenen Sanktionen gegenüber der russischen Zentralbank. Da sie den Kurs des Rubels durch die Sanktionen nicht mehr mit eigenen Devisen stützen kann, stabilisiert sie ihn jetzt mit unserem Geld.

Wir, die Unterzeichner*innen dieses Briefes, finden es unerträglich, diesen Krieg jeden Tag weiter mitzufinanzieren. Wir stehen vor einer Gewissensfrage, die wir mit folgender Forderung beantworten: Erlassen Sie gemeinsam mit den anderen EU-Staaten einen Importstopp für Öl, Gas und Kohle, in Kombination mit einem Programm zur sozialen Abfederung der absehbaren Preissteigerungen. Drehen Sie der russischen Führung den Geldhahn zu!

Wir sind uns bewusst, dass ein Importstopp große Auswirkungen auf unsere Wirtschaft und unseren Alltag hätte. Einschränkungen, zunächst bei Industrie und später auch Privathaushalten, würden wahrscheinlich. Die Energiepreise könnten weiter steigen. Doch all dies sollten uns unsere Freiheit, Sicherheit und das Leben der Menschen in der Ukraine wert sein – während wir hier für einen Ausgleich für einkommensschwache Haushalte einstehen. Nicht sie dürfen die Hauptbürde der Folgen eines Importstopps tragen, sondern diese muss auf unsere Schultern gerecht verteilt werden.

Die Regierung hat die bisherige Ablehnung solcher Maßnahmen auch mit dem “sozialen Frieden” begründet. Wir lehnen es ab, Frieden gegeneinander ausgespielt zu sehen. In unserer Gesellschaft gibt es eine weit verbreitete Bereitschaft, angesichts der furchtbaren Nachrichten aus der Ukraine Verantwortung zu übernehmen und die Belastungen zu schultern, die mit einem Importstopp für uns entstehen würden. 68 Prozent der deutschen Bevölkerung unterstützen nach einer aktuellen Umfrage von Infratest Dimap “Maßnahmen gegen Russland auch dann, wenn es zu Engpässen der Energieversorgung kommt”. Dieser Krieg kommt mit gigantischem Leid, und schnelles Handeln hat Kosten. Einen Teil davon wollen wir sobald wie möglich übernehmen, gerade weil wir sehen, wie schnell die Lage in der Ukraine eskaliert.

Der Importstopp für Öl, Gas und Kohle muss zugleich der Auftakt für eine Politik sein, die uns in einer ganz neuen Kraft und Geschwindigkeit als bisher aus der Energieabhängigkeit von Despoten und Autokraten befreit und konsequent auf Erneuerbare Energien, Energieeffizienz und eine Verkehrswende setzt. Putin zeigt uns in diesem Augenblick, dass keine Demokratie wahrlich frei und sicher sein kann, solange ihre Energieversorgung von der Friedfertigkeit eines Autokraten abhängt.

Mit besorgten Grüßen

Barbara Lochbihler, Vizepräsidentin des UN-Ausschusses gegen das Verschwindenlassen (CED), Menschenrechtsexpertin
Saša Stanišić, Schriftsteller
Marina Weisband, Publizistin
Luisa Neubauer, Fridays For Future
Lena Gorelik, Autorin
Roda Verheyen, Rechtsanwältin und Richterin am Hamburgischen Verfassungsgericht
Vladimir Slivyak, Right Livelihood Award Laureate 2021, Cochair of Ecodefense
Jasmina Kuhnke, Aktivistin und Autorin
Rezo, Youtuber
Katharina Nocun, Netzaktivistin und Autorin
Ruprecht Polenz, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Osteuropakunde (DGO), ehem. Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses des Deutschen Bundestags
PD Dr. Jörg Herrmann, Direktor, Evangelische Akademie der Nordkirche
Sasha Marianna Salzmann, Autor:in
Claudia Kemfert, Energieökonomin
Max Czollek, Autor
Antje Rávik Strubel, Schriftstellerin
Stefan Rahmstorf, Klimaforscher
Christoph Bautz, Geschäftsführender Vorstand Campact e.V.
Carolin Emcke, Publizistin
Raul Krauthausen, Menschenrechtsaktivist
Eckart von Hirschhausen, Stiftung Gesunde Erde – Gesunde Menschen
Andreas Rettig, Fußball Manager
Hannes Jaenicke, Schauspieler
Helen Fares, Bildungsaktivistin
Esra Kücük, Allianz Kultur- und Umweltstiftung
Kübra Gümüşay, Autorin
Benjamin Fredrich, Katapult
Martin Kaiser, Geschäftsführender Vorstand Greenpeace Deutschland e.V.
Roland Hipp, Geschäftsführender Vorstand Greenpeace Deutschland e.V.
Navid Kermani, Schriftsteller
Ferda Ataman, Publizistin
Carola Rackete, Naturschutzökologin
Christian von Hirschhausen, Wirtschaftswissenschaftler
Dr. Kira Vinke, Leiterin Klima und Außenpolitik, Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik
Elias Perabo, Politologe und Initiator Adopt a Revolution
Katja Riemann, Schauspielerin
Peter Lohmeyer, Schauspieler
Natascha Freundel, Journalistin
Anja Kling, Schauspielerin
Rainer Osnowski, lit.Cologne
Carla Reemtsma, Fridays for Future
Clelia Sarto, Schauspielerin
Volker Quaschning, Energiesystemforscher, Hochschule für Technik und Wirtschaft HTW Berlin
Pauline Brünger, Fridays for Future
Nike Lorenz, Hockeynationalspielerin
Elke Schmitter, Autorin
Benjamin Fischer, Aktivist
Marieluise Beck, Parlamentarische Staatssekretärin a.D., Direktorin Zentrum Liberale Moderne
Igor Levit, Pianist
Niklas Höhne, NewClimate Institute, Professor für Klimaschutz, Wageningen Universität
Axel Prahl, Schauspieler
Volker Beck, Tikvah Institut
Markus Beckedahl, Journalist und Netzaktivist
Ulrike Draesner, Autorin
Julia Franck, Schriftstellerin
Michael Kösling, Pfarrer
Cordula Stratmann, Komikerin
Ralf Fücks, Geschäftsführender Gesellschafter Zentrum Liberale Moderne
Jakob Blasel, Klimaaktivist
Jonas Lüscher, Schriftsteller
Carel Mohn, Stellvertretender Vorsitzender Transparency International Deutschland e.V.
Kerstin Müller, Staatsministerin a.D.
Rayk Anders, Journalist und Autor
Matthias Matschke, Schauspieler
Kai Niebert, Nachhaltigkeitsforscher
Karl Schlögel, Historiker
Henrike Schlottmann, Project Together
Lisa Potthoff, Schauspielerin
Katharina Wackernagel, Schauspielerin
Theresia Crone, Fridays for Future
David Wortmann, Unternehmer
Luciano Moral, Künstler
Sven Plöger, Meteorologe
Jonas Nay, Schauspieler
Hans-Josef Fell, Präsident der Energy Watch Group
Stefan Morschheuser, Investor und Unternehmer
Hedwig Richter, Hochschullehrerin
Fabian Heilemann, Unternehmer und Investor, Earlybird
Mattheus Berg, Campaigner
Heinrich Stößenreuther, Klimalobbyist
Anna Alex, Unternehmerin, Planetly
Gianni Jovanovic, Aktivist & Autor
Tanja Ferkau, Geschäftsführerin IMPCT gGmbH
Carlotta Nwajide, Nationalmannschaft Rudern
Stefan Wagner, Sports for Future
Micha Fritz, Wasseraktivist, Goldeimer
Christina Nick, Verkehrsexpertin
Julian Zuber, CEO GermanZero e.V.
Patrick Hohlwegler, Klimaexperte
Bianca Praetorius, Unternehmerin & Aktivistin
Stephan Breidenbach, Hochschullehrer und Unternehmer
Joana Breidenbach, Sozialunternehmerin
Felix Rodenjohann, CEO ansvar2030 & Gründer THE CLIMATE TASK FORCE
Boris Wasmuth, Unternehmer
Holger Michel, Freiwillige Helfen
Dr. Kerstin Stark, Mitgründerin und Vorständin Changing Cities e.V.
Lars Jessen, Filmemacher
Ole Plogstedt, Koch und Aktivist
Daniel Krauss, Unternehmer
Felix Dachsel, Chefredakteur Vice Deutschland und Europe Cares e. V.
Hamburger Hilfskonvoi e.V.
Seebrücke Gronau
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