Seit Wochen ist die Situation in Idlib schlimmer denn je: Der südliche Teil Idlibs wird tagtäglich massiv bombardiert, auch in anderen Teilen der Region gibt es Luftangriffe, an manchen Orten rücken Bodentruppen auf die Region vor. Zugleich droht vielen Menschen, Gewalt durch die dschihadistische Miliz HTS zu erleiden, die seit Anfang 2019 große Teile der Region kontrolliert.
Insgesamt sind in der Region mindestens 300.000 Menschen auf der Flucht. Inzwischen mussten auch PartnerInnen von Adopt A Revolution vor den Bomben fliehen. Wir versuchen Ihnen soweit es geht beizustehen.
Bitte helfen Sie uns, dass wir unseren PartnerInnen in dieser Situation beistehen können:
Unsere Idlib-Projekte im Überblick:
Fatin Rajib Center (Ariha)
Das von uns unterstützte zivile Zentrum ist nach der syrischen Physikerin Fatin Rajib benannt, die sich aktiv in die friedliche Bewegung 2011 eingebracht hatte und in Haft des syrischen Regimes gestorben ist. Der Name des Zentrums soll alle Menschen und insbesondere die Frauen in der Nachbarschaft daran erinnern, dass Politik keine Männer-Sache ist.
Das Zentrum fördert mit Diskussionsrunden und Workshops emanzipatorische Perspektiven. Ein Teil der AktivistInnen des Zentrums musste 2018 bereits vor einer Regime-Offensive aus Süddamaskus nach Idlib fliehen. Aufgrund der Bombardements entscheiden die AktivistInnen von Stunde zu Stunde, ob es sicher genug ist, um das Zentrum zu öffnen. Immerhin liegen viele Räume im Keller, sodass die Menschen im Fatin Rajib Center relativ gut geschützt sind.
“Normalerweise haben die Flugzeuge bombardiert und sind wieder abgezogen, jetzt bleiben sie oft stundenlang am Himmel – man weiß dann nicht, ob sie noch mal etwas abwerfen oder nicht. Das ist eine krasse Methode der Einschüchterung und Bedrohung.“
Marwa, Fatin Rajib Center
Women Support and Empowerment Center (Idlib-Stadt)
Anfang 2018 wurde das von Adopt a Revolution unterstützte Frauenzentrum in Douma/Ost-Ghouta durch den Vormarsch des Assad-Regimes zerstört. Huda, Leiterin des Zentrums und langjährige Partnerin von Adopt a Revolution, wurde wie Tausende andere aus Ost-Ghouta nach Idlib vertrieben.
In Idlib baute sie ein neues Zentrum auf: Das Women Support & Empowerment Center Idlib. Ihr Zentrum bietet erneut Alphabetisierungs-, Englisch-, Computer- und Nähkurse für die Ärmsten der dort lebenden Frauen an. Das hilft den häufig aufgrund des Krieges früh verwitweten Frauen, eine Arbeit zu finden, um sich und ihre Kinder aus der größten Not zu befreien. Auch organisieren Huda und ihre Mitstreiterinnen psychosoziale und Rechtsberatung für Frauen.
Dammeh Frauenzentrum (Idlib-Stadt)
Frauen in Idlib erleben oft Gewalt und Bedrängnis inner- und außerhalb ihrer Häuser. Die hizba, die islamistische Sittenpolizei, beschimpft und belästigt sie. „All das sorgt für großen psychologischen Druck“, sagt Mumina, die für das Dammeh-Frauenzentrum arbeitet.
Deswegen bieten die AktivistInnen des Zentrums psychosoziale Unterstützung an, Diskussionsrunden über Bürger- und Frauenrechte und eine Rechtsberatung. Und nicht zuletzt setzen sich die AktivistInnen für eine gewaltlose Erziehung ein.
Projekte zu fördern, die sich in Syrien und insbesondere in der Region Idlib für Frauenrechte einsetzen, ist für uns ein Kernanliegen.
Youth for a brighter tomorrow (Tarmala und Maarat Tahrama)
„Youth for a brighter tomorrow“ will jungen Leuten Alternativen zur Gewalt aufzeigen und bietet Kurse zu gewaltfreier Kommunikation und Friedensbildung. Solche Projekte sind wichtig, um jenen Menschen Strukturen und Rückhalt zu bieten, die sich nicht bewaffneten Gruppen anschließen wollen.
Da Tarmala an der Front liegt und heftig bombardiert wird, musste die Arbeit ausgesetzt werden, das Team ist auf der Flucht. Einige sind nach Atareb im westlichen Umland von Aleppo geflohen. Dort erhalten sie Unterstützung von unseren Partnern vom zivilen Zentrum Atareb (siehe unten).
„Der Beschuss auf Tarmala ist ununterbrochen. Allein gestern wurden 80 Raketen auf die Stadt geschossen. Keiner unser Verwandten ist mehr da. Manchmal schleicht sich jemand morgens in die Stadt, um zu sehen, wie groß die Zerstörungen sind.“
Wael, Youth for a brighter Tomorrow
Planting seeds of peace – Baader-Organization (Kafranbel)
Das Team der Baader-Organisation hat seit Anfang des Jahres über Wochen zusammen mit Schüler*innen, Eltern und Lehrer*innen alles getan, um eine sichere Umgebung für Kinder zu schaffen und dort die Prinzipien der Gewaltfreiheit zu vermitteln. Da im Assad-System Schläge im Unterricht normal sind, ist die Arbeit mit den Lehrer*innen besonders wichtig. Aktuell aber ist die Arbeit ausgesetzt: Kafranbel wird heftig bombardiert.
“Fast alle Leute sind aus Kafranbel geflohen. Hier in Idlib-Stadt ist es besser, aber in der Umgebung der Stadt wird auch bombardiert. Gerade in diesem Moment kommt die Meldung rein, dass östlich der Stadt eine geflohene Familie getroffen wurde.“
Ahmad, Baader Organisation
Makers of Change (Kafranbel)
Die AktivistInnen von „Makers of Change“ kämpfen in der konservativen Region Idlib gegen Diskriminierung und Gewalt gegen Frauen und Kinder und unterstützen sie bei ihrer freien Entfaltung. Aktuell sind viele der AktivistInnen auf der Flucht, wo und wie die Arbeit fortgeführt werden kann, ist aufgrund der aktuellen Eskalation noch unklar.
Ziviles Zentrum (Atareb)
Nach sieben Jahren Krieg ist das Gemeinwesen in der Kleinstadt bei Aleppo durch Misstrauen und Furcht geschwächt – dagegen versuchen die AktivistInnen anzugehen. Und sie kämpfen nicht nur gegen das Assad-Regime: Jahrelang organisierten sie auch erfolgreich Proteste gegen Dschihadisten.
„Wir lassen nicht zu, dass Dummköpfe und Extremisten unsere Revolution missbrauchen!“, sagte uns Muhammad einmal. Aktuell sind die KollegInnen im Zentrum in höchster Alarmbereitschaft und haben Sicherheitsvorkehrungen getroffen – ihnen droht Gewalt von vielen Seiten.
„Die Leute aus der Umgebung fliehen zu uns, täglich kommen 25 bis 30 neue Familien an. Wir haben eine kleine Broschüre erstellt, damit sie sich zurecht finden: Wo sind die Notunterkünfte, wo werden sie kostenlos behandelt, wo bekommen sie humanitäre Hilfe.“
Mohammed, Ziviles Zentrum Atarib
Theaterprojekt Idlib (Idlib Stadt)
Die Kerngruppe des Theaterprojekts besteht aus ausgebildeten Schauspielern und Regisseuren. Im Zuge von Revolution, Verfolgung, Krieg und Vertreibung entdeckten sie die Chancen, die Theater im therapeutischen Bereich bietet und engagieren sich seitdem in der psychosozialen Unterstützung von Männern, Frauen und Kindern.
Ein aktueller Schwerpunkt ihrer Arbeit ist die Auseinandersetzung mit der Erfahrung von Gefangenen – im Zuge der Revolution wurden hunderttausende Menschen inhaftiert und gefoltert, viele überlebten die Haft nicht, die Überlebenden leiden oft lange unter den Folgen.
Zeitoun Zeitung (Idlib-Stadt)
Die Lokalzeitung hat ein Büro in Idlib-Stadt, das Team ist aber in der gesamte Provinz verstreut. Ihr Ziel ist es, den Menschen informativen und kritischen Journalismus aus Idlib über Idlib zu bieten. Unter anderem vermittelt die Zeitung internationale Entwicklungen in Bezug auf Idlib – etwa über Auseinandersetzungen im UN-Sicherheitsrat oder andere geopolitische Ereignisse, die das Leben der Menschen in Idlib betreffen.
Um unseren PartnerInnen in Idlib in dieser schwierigen Situation beistehen zu können, brauchen wir Ihre Hilfe. Im Zuge militärischer Eskalationen steigen die Preise für viele Güter. PartnerInnen auf der Flucht haben hohe Kosten, um sich und ihre Familien in Sicherheit zu bringen. Projekte in Gebieten, in denen viele Geflüchtete Schutz suchen, brauchen Unterstützung, um sich für Schutzsuchende engagieren zu können.