Im Kontext der schweren Erdbeben im türkisch-syrischen Grenzgebiet fordert die Assad-Regierung die Aufhebung der gegen sie verhängten westlichen Sanktionen. Auch der syrische rote Halbmond drängt auf ein Ende der Wirtschaftssanktionen, um Hilfe für die Erdbebenopfer leisten zu können.
„Das Regime bemüht sich redlich, sich dem Westen als Retter in der Not darzustellen, dem aufgrund der Sanktionen die Hände gebunden sind. Das Gegenteil ist der Fall. Die Bundesregierung, die EU und die USA dürfen nicht auf diese billige Desinformationskampagne hereinfallen“, erklärt Svenja Borgschulte, Head of Outreach & PR bei der deutsch-syrischen Menschenrechtorganisation Adopt a Revolution.
Denn: Die Sanktionen erlauben explizit den Import humanitärer Hilfe nach Syrien, wie beispielsweise medizinische Güter und Nahrungsmittel. Bereits seit 2014 wird humanitäre UN-Hilfe auch in den Regime-Gebieten geleistet – Syrien ist das weltweit größte Empfängerland. „Die Menschen leiden nicht unter den Sanktionen, sondern unter der Misswirtschaft des Regimes und seiner Korruption. 2020 hat sich das Regime die Hälfte der UN-Hilfsgelder in die eigene Tasche gesteckt. 60 Millionen Dollar wurden so der leidenden Bevölkerung vorenthalten. Es liegt also klar auf der Hand: nicht die Sanktionen, sondern das Regime verschärft die humanitäre Katastrophe“, betont Borgschulte.
Assad-Regime erschwert Hilfe
Das Regime verhindert nicht nur aktiv Hilfe in den von ihm selbst kontrollierten Gebieten. Die oppositionellen Regionen im Norden Syriens sind am schwersten von den Erdbeben betroffen. Nur ein Grenzübergang steht hier für humanitäre UN-Hilfe aus der Türkei zur Verfügung. Denn: Russland hat zusammen mit China in den vergangenen Jahren mit einem Veto im UN-Sicherheitsrat dafür gesorgt, dass nach und nach alle Grenzübergänge für UN-Hilfe geschlossen wurden. Dieses kalkulierte Vorgehen hatte die humanitäre Lage schon lange vor den Erdbeben massiv verschärft.
Trotz internationaler Appelle verweigert das syrische Regime der UN seine Zustimmung dafür, alle Grenzübergänge für humanitäre Hilfe nutzen zu dürfen. Gleichzeitig bombardiert es auch nach den Erdbeben die Region und verschlimmert damit die Lage noch einmal massiv.
„Heute ist der fünfte Tag nach der Katastrophe und es ist immer noch keine internationale Hilfe bei uns eingetroffen. Während ihr in euren warmen Häusern Diskussionen rund um Sanktionen führt, sterben bei uns jeden Tag mehr Menschen, weil ihnen Hilfe vorenthalten wird. Wir fordern die Internationale Gemeinschaft auf, dafür zu sorgen, dass die Grenzen jetzt geöffnet werden und endlich ausreichend humanitäre UN-Hilfe bei uns ankommt. Tausende sind bereits tot, weil Hilfen nicht angekommen sind. Jetzt muss es darum gehen, zumindest die Überlebenden zu versorgen! Es geht hier um unsere Leben, nicht um eure Befindlichkeiten oder die eines Diktators“, appelliert Souad Al-Aswad von „Makers of Change“ und Partnerin von Adopt a Revolution aus Salqin in Idlib.
Eine aktuelle Studie von Adopt a Revolution mit dem Titel „Sanktionen den Palästen, Solidarität den Hütten“ von November 2022 hat sich eingehend mit der Sanktionsfrage beschäftigt.