Eine Momentaufnahme aus einem Workshop mit einer Frauenrechtlerin

“Was wir wirklich brauchen sind solidarische Netzwerke für Frauen”

Weitere Frauenzentren wie in Idlib? Braucht es nicht, meint unser Partner Mohammed vom zivilen Zentrum Atareb. Und das hat einen guten Grund.

Eine Momentaufnahme aus einem Workshop mit einer Frauenrechtlerin

Im zivilen Zentrum Atareb arbeiten hauptsächlich Männer. Frauenrechte sind hier trotzdem nicht nur ein Thema, sondern auch Teil der Agenda, denn die Aktivist*innen wissen: Eine echte freie und gerechte Gesellschaft gibt es erst dann, wenn alle – einschließlich der Frauen – frei sind eigene Entscheidungen zu treffen und das Leben nach eigenen Wünschen und Vorstellungen zu gestalten.

Deshalb hat das Team rund um Mohammed Shakerdy vor einigen Monaten eine anonyme Umfrage unter den in Atareb lebenden Frauen durchgeführt. Das Ziel: die größten Herausforderungen der Frauen identifizieren. Insgesamt 175 Frauen konnten die Aktivist*innen für ihre Umfrage gewinnen – nicht selbstverständlich in einer von Krieg und Islamisten gezeichneten Region. Durch die jahrelange Community-Arbeit der Aktivist*innen hat sich hier aber ein starkes Vertrauensverhältnis zum zivilen Zentrum entwickelt, das ihnen ermöglicht ihre Gedanken auch zu diesen Themen zu teilen. 

Sensible Themen werden totgeschwiegen

Kernfrage der kleinen Studie war die nach den größten Problemen und Herausforderungen, mit denen Atarebs Frauen konfrontiert sind. Bei der Auswertung hat sich dann gezeigt, dass viele Probleme sehr sensible Themen sind, für die es – wie so oft – keinen Raum gibt sie zu äußern, zu behandeln oder gar zu lösen.

„Es gibt in Atareb bereits Frauenorganisationen, die sich mit den Problemen von Frauen besser auskennen, als wir es je könnten und sie leisten großartige Arbeit“, erklärt Mohammed Shakerdy, Leiter des zivilen Zentrums Atareb. „Diese Frauenorganisationen konzentrierten sich allerdings bisher vor allem darauf, Frauen aus- und weiterzubilden, damit diese Arbeit finden und die Familie ernähren können. Denn viele Frauen sind durch den Krieg und die Vertreibung mittlerweile Alleinernährerinnen ihrer Familien. Was aber fehlt sind Räume, um über die wirklich empfindlichen Themen sprechen zu können.“

Für die Aktivist*innen war direkt klar, dass sie diese Lücke füllen wollen, denn:

„Gerade weil die meisten Haushalte heute von Frauen geführt werden, betreffen ihre Probleme die gesamte Gesellschaft. Unsere Arbeit verstehen wir genauso als gesamtgesellschaftliche Arbeit: Wenn wir die Frauen stärken, hilft das der gesamten Gesellschaft!”

Mohammed Shakerdy

Workshops für Multiplikatorinnen

Für die weitere Arbeit wurden deshalb Frauenaktivistinnen und -rechtlerinnen engagiert, die auf Basis der in der Umfrage offengelegten Themen Workshops konzipierten. Gezielt werden so Multiplikatorinnen geschult, die entweder schon in zivilgesellschaftlichen Organisationen arbeiten oder nach Arbeit suchen. Sie sind es, die über ihre Position als engagierter Teil der Stadtgemeinschaft langfristige solidarische Netzwerke am Leben erhalten können.

Die Multiplikatorinnen aus den Frauenzentren geben ihr erlerntes Wissen in Workshop-Reihen weiter. Hier werden seitdem Themen und Fragestellungen aus dem Alltag der Frauen besprochen, wie: Was tun bei sexueller Belästigung? Wie umgehen mit Gerüchten? Aber auch: Wie mit Konflikten in der Organisation umgehen? Was sind Frauenrechte im Kontext zivilgesellschaftlicher Organisationen?  

Das Ziel der Workshop-Reihe: vor allem ein Netzwerk der Solidarität unter den Frauen der Stadt zu schaffen.

„Niemandem ist geholfen, wenn sich einfach nur noch eine weitere Frauenorganisation bildet. Was wir wirklich brauchen, sind solidarische Netzwerke, in denen sich Frauen sicher fühlen und handlungsfähig sind.“

Deshalb zielen die Workshops darauf ab, dass die Frauen Vertrauen zueinander aufbauen, Bande knüpfen und konkrete Werkzeuge an die Hand bekommen, mit denen sie Situationen zukünftig meistern können, anstatt ihnen hilflos ausgeliefert zu sein.

 „Wir wollen sie so weit stärken, dass sie diese Methoden und Taktiken an andere Frauen weitertragen und sich so informelle Frauensolidaritätsnetzwerke entwickeln. Nur so kann langfristig eine Veränderung eintreten.“

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Zentren der Zivilgesellschaft vernetzen zivile Initiativen, um ihre Kräfte zu bündeln, fördern den Erfahrungsaustausch der Gruppen untereinander und unterstützen die Bevölkerung bei der Selbsthilfe. So schaffen sie vor Ort Strukturen, mit deren Hilfe sich die Menschen mit friedlichen Mitteln gegen Diktatur und Dschihadismus zur Wehr setzen.

Unterstützen Sie die Arbeit des zivilen Zentrums Atareb!