Am 2. April starb ein 53jähriger in einem Krankenhaus in Qamishli, im kurdisch geprägten Nordost-Syrien. Der Verdacht: Covid-19. Schon vor seinem Tod wurde eine Probe per Flugzeug ins Labor nach Damaskus geschickt. Der Test fiel positiv aus.
Doch das erfuhren die Gesundheitsbehörden der Region erst über zwei Wochen später – weder Damaskus noch die WHO haben sie rechtzeitig über das positive Testergebnis informiert. Das ist dramatisch, denn so ging viel kostbare Zeit im Kampf gegen die Ausbreitung des Virus verloren.
Nur eine Kommunikationspanne?
Auch wenn es sich theoretisch um eine bloße Panne handeln kann: Dass die kurdische Selbstverwaltung Corona-Tests nach Damaskus schicken muss, hat einen politischen Hintergrund. Ein russisches (auch von China mitgetragenes) Veto im UN-Sicherheitsrat sorgt seit Anfang des Jahres dafür, dass internationale Hilfslieferungen für die Selbstverwaltungsgebiete in Nordost-Syrien – den kurdisch geprägten Teil des Landes, sowie die Teile der Provinz Dair ez-Zor östlich des Flusses Euphrat – nicht mehr aus dem Irak erfolgen können, sondern über Damaskus laufen müssen.
Internationalen Hilfsorganisationen bleibt daher wenig anderes übrig, als das Assad-Regime darüber bestimmen zu lassen, was mit ihren Hilfsmitteln passiert. Die WHO arbeitet gezwungenermaßen eng mit dem Gesundheitsministerium des Regimes zusammen, lieferte ihm Testverfahren, Schutzmaterialien und medizinische Geräte.
Hilfe nur für regimeloyale Regionen
Die kurdisch geprägte Selbstverwaltung im Nordosten erhielt davon so gut wie nichts. Zwar wurde WHO-Material in den Nordosten geliefert, doch nur an ein Krankenhaus, das in einer kleinen vom Assad-Regime kontrollierten Enklave in Qamishli liegt.
Dass das Assad-Regime humanitäre Hilfe politisch instrumentalisiert, hat in Syrien lange Tradition. Viele Jahre lang hat das Regime oppositionelle Regionen durch Hungerblockaden von internationalen Hilfslieferungen abgeschnitten, wodurch immer wieder Menschen an Hunger oder verweigerter medizinischer Versorgung starben.
Auch wenn die Zeit der Belagerungen vorbei ist: Weiterhin blockiert das Regime internationale Hilfslieferungen für Regionen jenseits Assads Kontrolle. Den Kampf gegen die Corona-Pandemie droht das das wesentlich zu erschweren, wie der Fall des ersten Covid-19-Todesopfers im kurdisch geprägten Nordost-Syrien zeigt.
In Nordost- und Nordwestsyrien ist die Bevölkerung auf zivilgesellschaftliche Selbstorganisation angewiesen, um sich in der Corona-Krise zu schützen. Partnerprojekte von Adopt a Revolution setzen selbstorganisiert Maßnahmen gegen die Ausbreitung der Pandemie um. Unterstützen Sie diese Projekte!
Quellen und weiterführende Informationen:
Qantara: Syria’s divisions damage efforts to mobilise against coronavirus (20.04.2020)
NYT: Syria Virus Death Traced to Kurdish-Run Northeast Region 17.04.2020
WHO: WHO continues to support the fight against coronavirus in Syria (2.04.2020)
Washington Post: WHO has a dictator-problem (16.04.2020)
Reuters: After Russia, China veto, U.N. says medical aid for Syria stuck in Iraq (29.01.2020)