“Uns bleibt nur immer der Versuch, die Lücken zu schließen” – Bericht aus dem Camp Yarmouk

Das Komitee Camp Yarmouk wurde in den ersten Wochen der syrischen Revolution gegründet. Einige unserer AktivistInnen nahmen aber bereits vor der Gründung des Komitees an mehreren Demonstrationen in Damaskus teil. Später gingen sie von der Teilnahme an Demonstrationen dazu über selbst welche organisieren. Mit dem Voranschreiten der Protestbewegung in weiten Teilen des Landes und der […]

Das Komitee Camp Yarmouk wurde in den ersten Wochen der syrischen Revolution gegründet. Einige unserer AktivistInnen nahmen aber bereits vor der Gründung des Komitees an mehreren Demonstrationen in Damaskus teil. Später gingen sie von der Teilnahme an Demonstrationen dazu über selbst welche organisieren. Mit dem Voranschreiten der Protestbewegung in weiten Teilen des Landes und der steigenden Zahl an AktivistInnen im Komitee hat sich in unserer Gruppe folgende Aufgabenstruktur etabliert:

Insgesamt engagieren sich im Komitee mehr als fünfzig AktivistInnen in verschiedenen Büros. Zwölf AktivistInnen bilden den Vorstand, der regelmäßig neu gewählt wird. Ihre Aufgabe ist Leitung und Koordination des Komitees.

Für alle Protestaktionen im Camp Yarmuk – also Demonstrationen, Sprayaktionen, Flyeraktionen – ist das Büro für Feldaktionen zuständig. Nach dem es im Camp Yarmouk zu militärischen Auseinandersetzungen zwischen Truppen des Regimes und der Freien Syrischen Armee kam, wurden unsere Feldaktionen immer weniger. Vor einigen Wochen kam unser Freund und der Leiter des Büros für Feldaktionen bei einer Explosion ums Leben. Es erfüllt uns mit tiefer Trauer, dass hier immer wieder Menschen für ihr Streben nach Freiheit und Menschenrechte sterben müssen. Wir haben schon viel zu viele verloren und uns bleibt immer nur der Versuch, die Lücken zu schließen.


Video: Kurzfilm “MiG” (Regisseur: Thair Al Sahli) über die Angriffe des Regimes auf das Camp Yarmouk.

Das Medienbüro des Komitees zählt zu den größten und aktivsten Medienbüros innerhalb der Protestbewegung in Damaskus. Unsere Medienaktivisten decken nicht nur Berichterstattung über die Geschehnisse im Camp Yarmouk ab, sondern verfolgen die Lage und die Proteste in ganz Syrien, denn trotz unserer palästinensischen Herkunft betrachten wir uns als ein Teil des syrischen Volkes und ein Teil dieser Revolution (Anm.: Camp Yarmouk ist 1957 in Damakus als palästinensisches Flüchtlingslager entstanden und entwickelte sich über die Jahre zu einem eigenen Stadtteil.). Alle Nachrichten und die aktuelle Lage sowie Dokumentationen der Ausschreitungen und Verbrechen gegen Zivilisten werden auf die Facebookseite des Komitees gestellt. Es gibt eine zweite Seite, die insbesondere auf die Lage im Camp Yarmouk eingeht. Neben den aktuellen Nachrichten wird auf dieser Seite auch über die Aktivitäten des Komitees sowie anderer aktiver palästinensischer Gruppen informiert.
Reaction – Palästinensische Sammlung für Kreativität“ ist eine weitere, von uns erstellte Seite, die – wie der Name schon sagt – künstlerische und kreative Aktivitäten zeigt, die die Thematik Revolution behandeln. Seit Anfang Mai erscheint außerdem die Internetzeitung des Komitees Camp Yarmouk auf Facebook. Die Zeitung soll eine sich Plattform für alle freien syrischen und palästinensischen MedienaktivistInnen sein.


Video: Film der Gruppe “Reaction” zum Gedenken an den verstorbenen Aktivisten Ahmad Koosa, der beim Verteilen von Hilfsgütern von einem Sniper erschossen wurde.

Um Flüchtlinge kümmert sich das Büro für humanitäre Hilfe. Die Zahl der Binnenflüchtlinge übersteigt bei weitem die Zahl der Flüchtlinge außerhalb Syriens. Ins Camp Yarmuk kamen zunächst hunderte Flüchtlinge auf der Suche nach Schutz, denn anfangs dachte man, dass das Regime die syrischen Palästinenser nicht angreifen würde. Doch Wochen später wurde auch unser Stadtteil zum Ziel von militärischen Operationen der Regimetruppen. Deswegen gibt es nun hunderte Menschen aus dem Camp selbst, die ebenfalls humanitäre Unterstützung brauchen. Die AktivistInnen in diesem Büro versorgen die Flüchtlinge und Betroffenen im Camp Yarmouk mit Lebensmitteln, Decken und Bekleidung. Vor kurzem haben sie über 500 Lebensmittelkörbe (ca. 20 € je Korb) verteilt. Finanziert wurde diese Aktion durch eine Spendensammlung unter den BewohnerInnen des Camps. Nur ab und zu erhalten wir auch humanitäre Unterstützung von Dritten.


Video: Kindertheater für die Kinder des Camps und der Flüchtlingfamilien.

Der medizinischen Versorgung von Verletzten und Kranken, die keine Behandlung in staatlichen Krankenhäuser bekommen, nimmt sich das Büro für medizinische Hilfe an. Mittlerweile gibt es im Camp Yarmouk zwei provisorische Krankenhäuser – eines davon hat unser Büro aufgebaut und in beiden arbeiten unsere Teams für medizinische Hilfe. Darüber hinaus organisiert das Büro Medikamente für benachbarte Stadtteile wie Al Hadjar, Al Asswad, Al Tadamun und Al Qadam.

Das Sicherheitsbüro kümmert sich um die Sicherheit der AktivistInnen und der Zivilisten im Camp. Das Büro ist unter anderem für den Transport und die sichere Unterbringung der AktivistInnen zuständig. Außerdem war das Büro bei Koordination der Desertion von Soldaten aus den Reihen des sogenannten Volkskomitees, also der Brigaden von Ahmad Djibril maßgeblich beteiligt. Die Brigaden von Ahmad Djibril arbeiten sehr eng mit dem syrischen Luftwaffengeheimdienst zusammen, weswegen es sehr schwer und extrem gefährlich ist, zu desertieren. Auch der Leiter dieses Büros ist vor kurzem bei einem Raketenangriff umgekommen.


Video: Zerstörung und Aufbau nach dem Angriffen des Regimes auf das Camp Yarmouk.

Das Statistikbüro veröffentlicht regelmäßig die Zahlen von Märtyrern, Verhafteten und Vermissten im Camp Yarmouk und in Syrien. Darüber hinaus werden Daten über Sachschäden im Camp erhoben und gespeichert.
Das Büro für Menschenrechte ist unser jüngstes Büro. Das Team besteht aus AktivistInnen, die im Bereich der Menschenrechte ausgebildet wurden. Sie haben mehrere Trainingskurse innerhalb und außerhalb Syriens absolviert. Sie dokumentieren insbesondere Menschenrechtsverletzungen in den palästinensischen Camps in Syrien. Momentan wird diesbezüglich an der Erstellung einer umfassenden Datenbank gearbeitet. Das Büro besitzt auch eine eigene Facebookseite

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Bild: Die vom Verein Bassmeh errichtete und finanzierte Schule im Camp Yarmouk. Im Januar wurden dort bereits 253 SchülerInnen von der ersten bis zur neunten Klasse unterrichtet.

Neben den oben genannten Büros war unser Komitee an der Gründung des Bassmeh Sozialvereins (Bassmeh bedeutet Fingerabdruck) tatkräftig beteiligt. Der Sozialverein wurde Anfang 2012 gegründet und ist eine nicht eingetragene Organisation. – Die Registrierung wurde von den Behörden abgelehnt. Bassmeh ist in humanitären und sozialen Bereichen tätig. In den ersten Monaten nach der Gründung beschränkte sich die Tätigkeit des Vereins auf das Camp Yarmouk, aber mittlerweile arbeitet die Gruppe in mehreren Städten um Damaskus herum, wie zum Beispiel in Qadsiyya und Khan Al Shekh. Bassmeh kümmert sich um die Versorgung der Bevölkerung mit humanitärer und medizinischer Hilfe und organisiert die Errichtung von Schulen und Kindergärten.
Strukturell und administrativ ist Bassmeh von Komitee abhängig. Der Verein finanziert sich bis jetzt hauptsächlich durch private Spender. Momentan werden drei Schulen, zwei große Flüchtlingsheime (in Adra und im Camp Yarmouk) sowie zwei kleine Krankenhäuser (in Qadsiya und Khan Al Shekh) vom Verein finanziert und verwaltet.

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