Die Nabd-Versammlung: „Unsere Revolution wird weitergehen, bis wir jedes einzelne der uns bisher verweigerten Rechte erlangt haben“

Ziviler Ungehorsam und gewaltlose Mobilisierung sind in Syrien von Beginn an das Herzstück des Volksaufstandes gewesen. Trotz der verstärkten Militarisierung setzen mehrere Gruppen und Graswurzelinitiativen die Verteidigung und die Förderung der Werte fort, für welche SyrerInnen im März 2011 auf sie Straße gingen. Unter diesen Gruppen hat die Nabd-Versammlung der Zivilen Demokratischen Jugend eine entscheidende […]

Ein junger Aktivist hält einen Banner mit der Aufschrift “Scud-Raketen bringen uns nicht zum Schweigen“. Quelle: Nadb-Versammlung, Facebook.
Ein junger Aktivist hält einen Banner mit der Aufschrift “Scud-Raketen bringen uns nicht zum Schweigen“. Quelle: Nadb-Versammlung, Facebook.

Ziviler Ungehorsam und gewaltlose Mobilisierung sind in Syrien von Beginn an das Herzstück des Volksaufstandes gewesen. Trotz der verstärkten Militarisierung setzen mehrere Gruppen und Graswurzelinitiativen die Verteidigung und die Förderung der Werte fort, für welche SyrerInnen im März 2011 auf sie Straße gingen. Unter diesen Gruppen hat die Nabd-Versammlung der Zivilen Demokratischen Jugend eine entscheidende Rolle gespielt.

Der Anfang: Die Geburtsstätte von Nabd

Homs, auch als die Hauptstadt der Syrischen Revolution bekannt, ist die Geburtsstätte von Nabd („Puls“ auf Arabisch). Die Bewegung wurde aus der Notwendigkeit geboren, die bemerkenswerte Vielfalt in der Stadt von der sich intensivierenden Gewalt zu schützen. Zudem sollten die SyrerInnen miteinander in Verbindung gebracht werden, um so den unerbittlichen Versuchen des Regimes, das Land mit Konfessionalismus und Militarisierung zu verbrennen, Einhalt zu gebieten. Diese Themen wurden täglich zwischen AktivistInnen während ihres Zusammenkommens in Hassans Café in Homs diskutiert – was letztendlich zur Gründung von Nadb führte.

Am 28. Juni 2011 versammelte sich eine Gruppe von 15 jungen Leuten mit verschiedenen religiösen und politischen Hintergründen, um die Geburt von Nabd (“Puls”) zu diskutieren. Der Name, die Geschäftsordnung und die Ziele der Versammlung wurden einstimmig angenommen. Eine offizielle Facebook-Seite wurde bald nach diesem Treffen eröffnet.

Der Poet Omar Yusuf Suleiman (siehe sein Profil auf unserer Seite über syrische Schöpfer), der am ersten Nabd-Treffen teilgenommen hat, äußerte gegenüber Syria Untold:

„Wir waren eine Gruppe ambitionierter Jugendlicher, die danach strebten, die zivile Bewegung in Syrien zu gestalten und versuchten, SyrerInnen davor zu bewahren, dem Konfessionskrieg zu erliegen, in welchen uns das Regime hineinzog.“

Die erste offizielle Aktivität der Versammlung war die Organisation einer Demonstration im Stadtviertel Bab al-Sebaa. Eine(r) der AktivistInnen erzählt: „Zu Beginn haben nur sehr wenige teilgenommen, nur ca. 20 Leute sangen ‘Mit unseren Händen werden wir unsere Heimat aufbauen’… ‘Das Volk will den Sturz des Regimes’; und allmählich wurden die Mitglieder der Gruppe auch in anderen Stadtvierteln willkommen geheißen, sodass die Anzahl der Protestierenden anstieg.“

Bezüglich der ersten Demonstration der Versammlung meint Suleiman:

 „Die ersten Proteste erzielten ihre gewünschte Wirkung. Die Teilnahme von Männern und Frauen verschiedener Religionen und Konfessionen – und insbesondere der alawitischen Glaubensrichtung – an einer Demonstration in Khalidia, einem Stadtviertel, welches überwiegend von Sunniten bewohnt ist, war mehr als nur ein heilendes Ventil für die Spannungen zwischen verschiedenen muslimischen Gruppen. Die negativen Stereotype, die jede Gruppe übereinander gehört hatte, verdampften, als sie mit einander interagierten.“

Die Präsenz syrischer Frauen

Eines der Merkmale, welches die Versammlung von anderen Bewegungen unterscheidet, ist die herausragende Präsenz syrischer Frauen bei den Aktivitäten und Stellungnahmen. Weibliche und männliche Aktivisten stehen Seite an Seite. Am Weltfrauentag, dem 8. März 2012, haben die Aktivistinnen eine Stellungnahme herausgegeben:

„Wir, die revolutionären Frauen Syriens, richten uns am Frauentag an das Regime und sagen: Unsere Revolution wird weitergehen, bis wir jedes einzelne der uns bisher verweigerten Rechte erlangt haben. Wie etwa das Recht der Frau, sich selbst als Präsidentschaftskandidatin zu nominieren und ihre Nationalität an ihre Kinder weiterzugeben.“

Die Aktivitäten von Nabd: Kreativität, Innovation und Spaß

Nachdem die Nabd-Versammlung an den Demonstrationen in Homs teilgenommen hatte, begann die Gruppe ihre Arbeit durch das Organisieren & Einladen zu Protesten sowie durch die Teilnahme & Schaffung von Kampagnen auszuweiten. Ziel dieser Aktionen war es, die Einheit des Landes zu bekräftigen und Konfessionalismus abzulehnen. Eine dieser Kampagnen ist „Die Woche der Einheit: Homs kämpft gegen Konfessionalismus“, welche vom 20.-30. Dezember 2011 stattfand. Während dieser sieben Tage hat die Versammlung zahlreiche Aktivitäten organisiert, etwa das Verfassen von Liedern. Zudem wurde Frauen verschiedener Konfessionen geholfen, Besuche bei Familien abzuhalten, die emotionale Traumata erlitten haben, um Solidarität und moralische Unterstützung zu zeigen.

Eine Demonstration der Gruppe Nabd im Homser Viertel Khalidia am 14.08.2011.

Die Nabd-Versammlung hat zudem eine Kampagne in den Stadtvierteln von Lattakia ins Leben gerufen. Dort haben sie Poster von Präsident Assad ausgehändigt, auf welchen auf seiner Stirn der Satz „Setze deinen Fußabdruck hier hin“ geschrieben stand. Eine andere Kampagne, die im Herzen von Damaskus stattfand, waren die „Freiheits-Stoßstangen-Sticker“. Die AktivistInnen haben Stoßstangen-Sticker, welche Freiheit und Würde forderten, an Privatautos und öffentliche Verkehrsmittel geklebt. Weitere Aktivitäten waren das Sprayen von Graffiti in der Stadt Zabadani in Zusammenarbeit mit der Gruppe Zabadani Youth, am 18. März 2012 bei Dämmerung. Andere Kampagnen waren etwa das „Freiheitsgeld“, bei der die AktivistInnen anti-Regime-Sprüche auf Münzen und Geldscheine schrieben und in die Luft warfen. Dann gab es u. a. auch noch die „Wir sind die moralische Alternative zum Regime“- Kampagne.

Ein Plakat der Gruppe Nabd, das Teil der Kampagne “Wir sind die moralische Alternative zum Regime” in Lattakia war.

Trotz des Rückgangs von friedlichem Widerstand, welcher das Ergebnis der Militarisierung der Revolution ist, ist die Versammlung aktiv und relevant geblieben. Die Flexibilität der Organisationsstruktur und die Abwesenheit einer zentralen Führung sind der Schlüsselfaktor zum Überleben gewesen, trotz der konstanten Festnahmen der Kader und AktivistInnen. Die jüngste Nabd-Kampagne beinhaltete die „Hört für einen Tag auf zu leben“-Kampagne am 22. August 2013, welche in Zusammenarbeit mit den Lokalen Basiskomitees stattfand. Hinzu kommt noch die Kampagne vom 27. August 2013 namens „Wir haben Graffiti an die Wände gesprüht – und das Regime hat uns mit Chemikalien besprüht“. Beide Kampagnen sind eine Reaktion auf die Benutzung von international verbotenen chemischen Waffen in Ghouta durch das Regime. [Diese Attacke fand am 21. August 2013 statt und forderte mehr als 1.300 Opfer.]

Dieser Text ist am 26. September 2013  in englischer Sprache auf Syria Untold erschienen. Die hier vorliegende deutsche Übersetzung wurde durch eine Adopt a Revolution-Aktivistin zur Verfügung gestellt.

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