Journalismus in Syrien: »Der Zweifel hat bei uns Methode«

Die unabhängige Wochenzeitung Souriatna ist eines der besten Medien Syriens. Jawad al-Muna, Chefredakteur des ausgezeichneten Blattes, über Journalismus im Krieg.

+++ Dieser Artikel stammt aus unserer neuen Zeitung +++

Irgendwo zwischen den Bombardements, Hungerblockaden und Extremisten in Syrien gebt ihr noch eine Zeitung heraus. Was können Medien heute in Syrien noch bewirken?

Unter der Diktatur gab es keine freien Medien. Alle Zeitungen standen unter direkter Kontrolle des Regimes oder gehörten regimetreuen Geschäftsmännern. Souriatna ist ein Ergebnis der friedlichen und zivilen Bewegung, die 2011 landesweit entstanden war. Wir wollten medial abdecken, was im Land passiert, und als Stimme dieser zivilen Bewegung fungieren. Mit unserer wachsenden Verbreitung ging aber auch eine Verantwortung einher, objektiven Journalismus zu machen, der allen Seiten auf die Finger schaut. Wir machen syrische Stimmen hörbar, schonen sie aber auch nicht mit unserer Kritik. Darüber hinaus geben wir immer wieder Sonderausgaben heraus, zu Themen wie sexualisierter Gewalt, politischer Satire oder der Frage der Staatsbürgerschaft.

Wie geht ihr mit den in diesem Konflikt allgegenwärtigen »Fake News« um?

Indem wir die Pluralität unserer Quellen sicherstellen. Wir haben zahlreiche KorrespondentInnen in Syrien, nutzen offizielle Mitteilungen, Material im Internet und gleichen all das ab. Der Zweifel hat bei uns Methode – wir stehen erstmal allem skeptisch gegenüber, selbst den Berichten unserer eigenen KorrespondentInnen. Nur einen Bruchteil des Materials, das wir erhalten, veröffentlichen wir auch, weil wir viele Informationen nicht von mehreren Quellen bestätigt kriegen.

Syrien ist für JournalistInnen eines der gefährlichsten Länder der Welt. 

Wir haben einen Notfallplan für unserer KorrespondentInnen. Einer unser Redakteure ist dafür verantwortlich, sicherzustellen, dass wir jederzeit wissen, wo unsere Leute sind und wie es ihnen geht. Unsere Reporter und Zusteller wurden mehrfach bedroht und inhaftiert.

Was auch daran liegt, dass ihr unbequem bleibt; 2015 habt ihr euch auf eurer Titelseite mit Charlie Hebdo solidarisiert. Daraufhin griffen euch Dschihadisten an, beschlagnahmten und verbrannten die Auflage der Zeitung und nahmen Autoren von euch fest. 

Wir haben uns mit den Opfern solidarisiert, nicht mit dem Blatt. Was wir über ihre Karikaturen denken, ist völlig irrelevant; Menschen dürfen nicht getötet oder drangsaliert werden, weil sie ihre Meinung äußern. Dass es keine Freiheit des Wortes gab, ist eines der Ursprungsprobleme in Syrien und einer der Gründe für die Revolution gewesen. Als neue syrische Medien wollen wir Meinungsfreiheit erringen und die gilt für uns und für jeden anderen auf der Welt.

Souriatna ist auch für seine großartigen Titelseiten bekannt – schauen Sie sich hier eine Auswahl an. Keine Freiheit ohne Pressefreiheit – unterstützen Sie die Zeitung oder einen anderen Partner von Adopt a Revolution aus dem Medienbereich mit ihrer Spende!

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