Inmitten von Trümmern blickt eine Frau auf die Überreste zerstörter Gebäude in der Stadt Atareb im Nordwesten Syriens. Die Erdbeben Anfang 2023 haben hier ganze Ortschaften in Schutt und Asche gelegt. Zudem bombardiert das Regime unaufhörlich die Region. (Bild: Al-Atareb Media Center)

Die Katastrophe nach der Katastrophe

Es fällt schwer, die dramatische Situation nach dem Erdbeben in Syrien zu beschreiben – und das nach zwölf Jahren Arbeit im Kriegskontext. Ein Versuch.

Inmitten von Trümmern blickt eine Frau auf die Überreste zerstörter Gebäude in der Stadt Atareb im Nordwesten Syriens. Die Erdbeben Anfang 2023 haben hier ganze Ortschaften in Schutt und Asche gelegt. Zudem bombardiert das Regime unaufhörlich die Region. (Bild: Al-Atareb Media Center)

Adopt a Revolution ist eine deutsch-syrische Menschenrechtsorganisation und arbeitet mit Partner*innen primär im Norden Syriens zusammen. Mit ihnen stehen wir regelmäßig in Kontakt – mit einigen fast täglich. Am Morgen des 6. Februar waren die Leitungen plötzlich tot. Auch unsere Nachrichten blieben lange Zeit ungelesen und unbeantwortet. Es waren qualvolle erste Stunden der Ungewissheit. Ein ganzer Tag verging, bis wir die Sicherheit hatten: Unsere Partner*innen in den vom Erdbeben schwer getroffenen Gebieten haben überlebt. Sie berichteten uns von den grauenvollen Szenen, die sich vor ihren Augen abspielten. Das Erdbeben hatte nahezu die gesamte Region im Nordwesten Syriens auf einen Schlag in Schutt und Asche gelegt. Eine Katastrophe dieses Ausmaßes hatten wir bis dato nicht erlebt.

Seit zwölf Jahren setzen wir uns intensiv mit der Situation in Syrien auseinander und haben in dieser Zeit mit unseren Partner*innen vieles gemeinsam “durchlebt”. Belagerungen, Giftgasangriffe, Bombardierungen und Vertreibungen – wir haben sie in vielen schrecklichen Situationen begleitet. Auf das, was auf die Erdbeben folgte, waren wir dennoch nicht vorbereitet.  Wer war das schon? Und kann man das überhaupt sein?

Die Mehrheit unserer Partner*innen, die selbst in den Trümmern ihrer Existenzen standen, wechselten sofort in den Notfallmodus. Eilig wurden für die Überlebenden Zelte auf Ackerland errichtet und Decken, Matratzen sowie Brennmaterial herbeigeschafft, um sich gegen die eisige Kälte schützen zu können. Nahrungsmittel, Trinkwasser, medizinische Versorgung – unsere Partner*innen organisierten, verteilten und unterstützten, wo sie nur konnten. Auch bei den Bergungsarbeiten halfen sie mit. Auf UN-Hilfen konnten sie sich nicht verlassen. Erst Tage später trafen die ersten Lieferungen ein. 

Auch wir wechselten sofort in den Krisenmodus. Wir informierten kontinuierlich in unseren Kanälen über die verheerende Lage vor Ort, gaben Interviews und sammelten zielgerichtet Spenden für unsere Partner*innen ein. Gerade in den ersten Tagen schliefen wir wenig und arbeiteten viel. So konnten wir – obwohl wir nur ein kleines Team sind – schnell und effektiv agieren. Und weil unsere Prozesse auf kürzerem Wege und unbürokratischer als bei großen NGOs ablaufen, erhielten unseren Partner*innen akut die Unterstützung, die sie brauchten. Auch wenn die Betroffenen der Erdbeben schon lange keine mediale Aufmerksamkeit bekommen, sind die Folgen der Katastrophe weiter spürbar. Solange leisten unsere Partner*innen Nothilfe, unterstützen beim Wiederaufbau und bieten psychosozialen Support. Wir stehen dabei an ihrer Seite.