Das Recht auf Bildung ist in Artikel 28 der UN-Kinderrechtskonvention verankert. Trotzdem haben derzeit weltweit ca. 258 Millionen Kinder und Jugendliche keinen Zugang dazu – Tendenz steigend. Krieg, Flucht und Vertreibung, fehlende Lehrer*innen oder wirtschaftliche Not aufgrund von Konflikten führen meist dazu, dass Kinder nicht lernen können. Bildung ist aber der Schlüssel, um beispielsweise Armut zu bekämpfen und zur Zukunftsfähigkeit von Gesellschaften beizutragen. Schule ist außerdem der beste Schutz für Kinder vor Frühehen, Ausbeutung oder Rekrutierung.
Ukrainische Lehrer*innen versuchen deshalb seit Beginn des russischen Angriffskrieges im Februar 2022 mit staatlicher Unterstützung online den Schulunterricht aufrechtzuerhalten. Denn bislang sind bereits 5,2 Millionen Menschen aus der Ukraine geflohen – der Großteil sind Frauen und Kinder. Weitere 7,7 Millionen Menschen sind zu Binnenvertriebenen geworden. Für die Kinder bedeutet die Flucht der zumindest temporäre Abbruch ihrer Schulbildung. In Syrien ist die Lage dramatischer: 6,8 Millionen Menschen sind seit 2011 geflohen, weitere 6,9 Millionen sind Vertriebene im eigenen Land. Allein im Nordwesten und Nordosten Syriens leben insgesamt rund vier Millionen Binnenvertriebene – fast die Hälfte von ihnen sind Kinder. Ihnen fehlt es an Behausungen, Lebensmitteln und einer Zukunft, denn Schulen und Bildungseinrichtungen sind hier rar. Für die meisten von ihnen bedeutet die Flucht der faktische Abbruch ihrer Schulbildung.
Bildung kann nicht warten
Trotzdem sind bis heute Bildungsprogramme im Rahmen der humanitären Hilfe stark unterfinanziert. Dabei ist Schule mehr als ein Ort zum Lernen. Insbesondere in Kriegs- und Krisensituationen gibt Unterricht den Kindern durch einen geregelten Alltag auch Halt und Sicherheit. In Idlib müssen sich die Menschen weitestgehend selbst helfen. Gleichzeitig stehen sie vor dem Problem, dass hier Schulen und Bildungseinrichtungen immer wieder zur direkten Zielscheibe des Assad-Regimes und Russlands werden. Diese gezielten und unmittelbaren Angriffe sind nicht nur schwere Kriegsverbrechen, sondern auch eine schwere Menschenrechtsverletzung gegen Kinder. In Idlib sind sie Alltag und verschärfen das Problem.
Unsere Partner*innen vom Amal Frauenzentrum haben sich deshalb zur Aufgabe gemacht, Kindern eine Grundbildung zu sichern. Inmitten des Krieges bilden sie Lehrer*innen weiter und betreiben eine Vorschule im Keller, wo die Kinder sicher vor Beschuss sind. Muntaha, eine der Frauen aus dem Zentrum, hat bereits zuvor Bildungszentren für Kinder gegründet und arbeitet unermüdlich daran, möglichst vielen einen Bildungsabschluss zu ermöglichen. Ihr unerbitterlicher Einsatz zahlt sich immer wieder aus. Als beispielsweise die Stadt Madaya 2016 vom Assad-Regime belagert und ausgehungert wurde, hat sie mit Abiturient*innen in der Stadt gearbeitet und konnte mit dem Regime einen Deal aushandeln: Für das Ablegen der Abschlussprüfungen durften die Schüler*innen damals kurzfristig die Stadt verlassen, um einen offiziellen Schulabschluss erhalten zu können.
Wenn die Kinder nicht zur Schule können, kommt die Schule zu den Kindern
„Wir wollen bei uns in Zukunft vor allem auch Kinder aus den IDP-Camps in unserer Umgebung, Straßenkinder und Kinder aufnehmen, die aufgrund der psychischen Folgen des Krieges besondere Bedürfnisse haben“, erzählt Muntaha. „Wir sind sehr glücklich mit unserer Arbeit, weil sie einen Unterschied macht.“
Unserer Partnerin Huda vom Frauenzentrum Idlib ist bereits in den IDP-Camps unterwegs, beispielsweise im Flüchtlingscamp Al-Kanaes, in dem viele Menschen mehrfach Vertriebene sind. Weder im Camp noch in Nähe gibt es eine Schule. Bis Huda im vergangenen Jahr mit Alphabetisierungsklassen für bislang 94 Kinder startete, konnte kaum ein Kind hier lesen oder schreiben. Die meisten haben noch nie oder seit vielen Jahren nicht mehr eine Schule von innen gesehen. Gleichzeitig arbeiten die Aktivistinnen des Frauenzentrums auch mit den Müttern der Kinder zusammen. Zukünftig möchte Huda auch ihnen Alphabetisierungskurse im Camp anbieten.
Kinder im Krieg brauchen am meisten Schutz und Hilfe – und eine Perspektive für die Zukunft. Weil internationale Bildungsprogramme stark unterfinanziert sind, brauchen Projekte wie das von unseren Partnerinnen der Frauenzentren dringend Unterstützung, um den Kindern eine Zukunftsperspektive zu geben.