“Ich hätte nie gedacht, dass man den Tod riechen kann!”

Das Mädchen aus Homs „Ich hätte nie gedacht, dass man den Tod riechen kann!“   Huda hat Schüsse gehört.. Sie hat Leichen gesehen.. Sie hat den Tod gesehen. Huda kommt aus der Rebellenhochburg Homs und lebt seit ihrer Hochzeit im letzten Sommer in Deutschland, da ihr Mann hier als Arzt praktiziert. Eine junge aufgeschlossene Frau, […]

Das Mädchen aus Homs
„Ich hätte nie gedacht, dass man den Tod riechen kann!“

 

Huda hat Schüsse gehört..
Sie hat Leichen gesehen..
Sie hat den Tod gesehen.
Huda kommt aus der Rebellenhochburg Homs und lebt seit ihrer Hochzeit im letzten Sommer in Deutschland, da ihr Mann hier als Arzt praktiziert.
Eine junge aufgeschlossene Frau, Anfang zwanzig. Sie wirkt ruhig nach außen, während die Erinnerungen an ihre Zeit in Homs aus ihr raussprudeln.
Noch immer lässt sie der Geruch des Todes nicht los. Das letzte Mal hatte sie ihre Familie in Homs im letzten Februar besucht. Sie war aus dem sicheren Deutschland, nach Homs geflogen, um ihre Prüfungen an der Universität dort abzulegen. Alle rieten ihr davon ab, doch sie wollte dem syrischen Regime trotzen und ihr Studium fortsetzen.
Während die syrische Armee mit Panzern und schwerem Beschuss gegen die Rebellenhochburg Homs vorging, versteckte sich Huda mit ihrer Schwester und zwei Freundinnen in ihrer Wohnung.
Hudas Augen sind traurig, während sie mir alles erzählt. Noch immer fühlt sie die Atomsphäre, wenn sie davon berichtet, wie der Kannonenhagel der syrischen Armee immer näher rückte. Sie erzählt, wie sie ihren Freundinnen zurief „Achtung schnell unter den Tisch!“ Huda und ihre Freundinnen eilten in das Esszimmer unter den großen Esstisch und hielten einander fest. Sie hatten Glück: Das Esszimmer befand sich auf der Rückseite des Gebäudes, die Vorderseite wurde beschossen.
Sie hören den verzweifelten Schrei einer Frau. „Allahu Akbar, Allahu Akbar!“, schrie ein Mann. Gott ist groß, Gott ist groß!
„Diesen Ruf hört man oft in solchen Augenblicken“, erzählt Huda. „Minuten in denen die Menschen in ihrer Verzweiflung nur noch Gott um Hilfe und Standhaftigkeit bitten können.
Unter dem Tisch suchte sie den Augenkontakt mit ihrer Schwester, die neben ihrer Freundin hockte und drückte ihre Hand. „Es hört gleich auf. Mach Dir keine Sorgen. Sie sind noch nicht im Haus.“
Mittlerweile ist Huda zurück bei ihrem Mann in Deutschland. Bei ihrer Flucht aus Homs wurde Huda von ihren Eltern getrennt. So kam sie nach Deutschland ohne sich von ihren Eltern verabschieden zu können, ohne sie vielleicht ein letztes Mal zu sehen.
Jetzt, in Deutschland, verfolgt sie, genau wie viele andere Exilsyrer Tag für Tag mit voller Besorgnis die Geschehnisse in ihrem Land über die Nachrichten. In den vergangenen Monaten, in denen die syrische Armee ihre militärische Offensive gegen Homs ausweitete, ist auch die Verbindung über das Internet oder Telefon nahezu unmöglich geworden.
Rascha, eine Zahnärztin aus Homs, ist seit letzten September ebenfalls in Deutschland. Ihre Familie lebt in Homs. Sie kann sie seit Tagen nicht mehr erreichen.
Ihr Bruder wurde am Anfang der Revolution gefangen genommen, weil er an einer friedlichen Demonstration teilgenommen hatte. Ausgerechnet im Fastenmonat Ramadan, der für Muslime ein besondere Monat ist, da sie meist in familiärer Runde zum Fastenbrechen zusammenkommen.
“Es war eine harte Zeit für mich und meine Familie, wenn wir abends beim Essen saßen und sein Stuhl leer blieb.” Einen Monat später kam er frei.
Es fällt ihr schwer ihren Alltag hier in Deutschland zu bewältigen während ihre Familie in Syrien um ihr Leben bangt.
„Wenn ich mich morgens auf den Weg zu meinem Deutschkurs mache und mir die Menschen auf der Straße ansehe, wie sie in Freiheit und in Würde leben können zerreißt es mir das Herz angesichts der Repressionen in meinem Land und die Realität Syriens holt mich wieder ein.”
Mehr als vier Wochen konnte sie nicht mehr zu ihrem Kurs. Rascha fehlt jegliche Konzentration. „Ich bin zwar körperlich da, aber meine Gedanken sind unaufhörlich bei meiner Familie und den Opfern des brutalen Assad Regimes.”
Sie weiß, dass sie ihre berufliche Zukunft als Zahnärztin in Deutschland riskiert, aber „ich fühle mich wie gelähmt, wenn ich daran denke, welche Hölle die Menschen zur Zeit in Syrien durchleben nur um ihr Gott gegebenes Recht auf Freiheit und Würde einzufordern.”