Der aktuelle Amnesty-Bericht “You’re going to your death” belegt Gefährdung von Syrien-Rückkehrer*innen

Syrien-Rückkehrer*innen: Amnesty-Bericht belegt Folter und Verschwindenlassen in Dutzenden Fällen

Amnesty International belegt, was Abgeschobenen in Syrien droht: Ein neuer Bericht der Organisation dokumentiert Fälle von 66 Menschen, die nach ihrer Rückkehr nach Syrien verschleppt, vergewaltigt oder gefoltert worden sind – darunter etliche Kinder.

Der aktuelle Amnesty-Bericht “You’re going to your death” belegt Gefährdung von Syrien-Rückkehrer*innen

Eine heute erschienene Recherche von Amnesty International belegt insgesamt 66 Fälle von syrischen Geflüchteten, die zwangsweise oder freiwillig in den vom Assad-Regime kontrollierten Teil Syriens zurückgekehrt sind und dort Opfer von willkürlicher Haft, Folter, Verschwindenlassen und Ermordung wurden.

Angesichts der zahlreichen, im Detail schockierenden Fallbeschreibungen kommt Amnesty International zu dem Schluss, dass es für Rückkehrende nirgendwo in Syrien sicher ist und Abschiebungen daher völkerrechtswidrig sind:

Es verstößt gegen das Völkerrecht, Menschen in ein Land abzuschieben, in dem sie Gefahr laufen, verschleppt und gefoltert zu werden. Genau das ist aber in Syrien der Fall.

Markus N. BeekoGeneralsekretär von Amnesty International in Deutschland

Amnesty International kritisiert die Aufhebung des Abschiebungsstopps in Deutschland, die dänische Praxis, syrische Asylsuchende das Aufenthaltsrecht zu entziehen und zur Ausreise zu drängen sowie die illegalen Abschiebungen aus dem Libanon und der Türkei. »Die Bundesregierung sollte auf Länder wie die Türkei und den Libanon einwirken, damit Menschen aus Syrien weiter Zuflucht gewährt wird. Abschiebungen in die Hände staatlicher syrischer Folterer – ob aus der Türkei, dem Libanon oder aus Deutschland – sind verantwortungslos, völkerrechtlich verboten und menschlich widerwärtig«, so Amnesty International.

Der Bericht “You’re going to your death” dokumentiert konkret 59 Fälle von Männern, Frauen und Kindern, die nach ihrer Rückkehr in Syrien willkürlich festgenommen wurden. 33 Menschen wurden in Haft oder während eines Verhörs gefoltert oder anderweitig misshandelt, in 27 weiteren Fällen wurden die Betroffenen Opfer von Verschwindenlassen. In fünf von diesen Fällen wurden die Familienangehörigen schließlich informiert, dass ihre Angehörigen in Haft gestorben waren. Der Verbleib von weiteren 17 Menschen ist nach wie vor unbekannt.

Keineswegs neu – aber sehr wichtig

Für Syrien-Kenner*innen sind die Ergebnisse des Berichts alles andere als überraschend. Dutzende Quellen dokumentieren bereits, dass syrische Geflüchtete direkt bei der Ankunft in Syrien oder auch nach ihrer Rückkehr an ihrem Zielort von den syrischen Geheimdiensten verhört werden.

Wer in solchen Verhören in Verdacht gerät, einer Oppositionsbewegung anzugehören oder den Geheimndiensten einen anderen Anlass für eine willkürliche Verhaftung bietet, riskiert in Haft gefoltert zu werden oder “zu verschwinden”. Im letzteren Fall bleibt das Schicksal der Betroffenen oft jahrelang ungeklärt.

In den letzten Jahren wurden immer wieder konkrete Fälle von syrischen Geflüchteten bekannt, die nach ihrer Rückkehr von den syrischen Geheimdiensten gefoltert, entführt oder ermordet wurden. Darunter waren auch Menschen aus Deutschland – und darunter auch Menschen, die von den deutschen Behörden Rückkehrhilfen für ihre “freiwillige” Rückkehr erhalten hatten.

2019 dokumentierte das Syrische Netzwerk für Menschenrechte 638 Fälle von Menschen, die nach ihrer Rückkehr nach Syrien Opfer von Verschwindenlassen wurden und 15 Fälle von Folter mit Todesfolge.

Auch die im Amnesty-Bericht beschriebenen Fälle von sexualisierter Folter oder von Folter an Kindern sind nicht überraschend: Dass die Sicherheitskräfte des Assad-Regimes systematisch sexualisierte Foltermethoden anwenden, ist ebenso belegt wie die Tatsache, dass die Folterer des Assad-Regimes sogar Kinder foltern.

Der geringe Neuigkeitswert schmälert nicht den Wert dieses Berichts. Denn leider ist es dringend erforderlich, dass renommierte internationale Organisationen wie Amnesty International die bekannten Fakten immer und immer wieder mit neuen Recherchen untermauern – um es den abschiebewilligen Innenpolitiker*innen so schwer wie möglich machen, die für sie unbequeme Realität einfach zu ignorieren.