Was bedeutet die Aufhebung der US-Sanktionen für Syrien?

Die US-Sanktionen gegen das Assad-Regime trafen vor allem auch die Bevölkerung – während Eliten oft Wege fanden, sich zu entziehen. Mit ihrer Aufhebung beginnt für Syrien nun ein neues Kapitel zwischen politischer Hoffnung, wirtschaftlicher Erholung und der Frage: Wer profitiert davon?

Die Reise des US-Präsidenten Trump in die Golfstaaten sendet Schockwellen durch die Region. Eine davon ist seine Ankündigung, die Sanktionen gegen Syrien aufzuheben. Diese Nachricht feierten viele Syrer*innen ausgiebig. Außerdem traf sich Trump mit Al-Sharaa, das erste hochrangige Treffen zwischen Syrien und den USA seit dem Jahr 2000, um laut seiner Aussage die Beziehung zu “normalisieren”. Dabei kommunizierte der US-Präsident wie auch im Vorfeld des Treffens Forderungen, die neben der Bekämpfung des Terrorismus im Land auch die Normalisierung zu Israel umfassen.

Die Sanktionen stammen noch aus der Zeit der Schreckensherrschaft des Assad-Regimes. Ihre Abschaffung war längst überfällig und ihre Wirkung umstritten.

“Ich bin voller Freude und Erleichterung über die Aufhebung der Sanktionen gegen das syrische Volk – denn es hat nicht nur während der Zeit des Widerstands gegen das Assad-Regime gelitten, sondern auch weiter nach dessen Sturz.”

Mohammad Shakrdy, Ziviles Zentrum Atareb

Wie hilfreich waren die Sanktionen gegen das Assad-Regime?

Bereits lange bevor Bashar al-Assad zum ersten Mal Gewalt gegen die eigene Bevölkerung ausübte, war Syrien Ziel internationaler Sanktionen. 1979 verhängten die USA Maßnahmen gegen das Regime seines Vaters Hafez al-Assad – unter anderem wegen der Unterstützung der Hisbollah und anderer als terroristisch eingestufter Gruppen. In den 2000er-Jahren folgten weitere Sanktionen, um die Herstellung von Massenvernichtungswaffen zu verhindern sowie gegen ausgewählte Vertreter des Regimes.

Der Beginn der staatlichen Repressionen gegen die Demokratiebewegung ab 2011 in Syrien führte zu einem härteren Durchgreifen. ​​Die USA, die EU und andere westliche Staaten reagierten auf die gewaltsame Unterdrückung der Opposition durch das Assad-Regime mit umfassenden Maßnahmen. Diese beinhalteten u. a. ein Öl-Embargo, Finanzsanktionen gegen Schlüsselpersonen des Regimes sowie Export- und Investitionsverbote. 

Ein besonders wirksames und hartes Instrument war der sogenannte „Caesar Act“ der USA (2019), der nicht nur syrische Akteure, sondern auch ausländische Firmen und Staaten, die mit dem Assad-Regime kooperierten, ins Visier nahm. Diese sekundären Sanktionen führten zu einem weitgehenden wirtschaftlichen Stillstand und behinderten auch humanitäre Hilfe.

Der Schatten der Diktatur: Die Sanktionen gegen das Assad-Regime haben Syrien sechs Monate lang gegeißelt.

Rückblickend lässt sich sagen, dass die Sanktionen sicherlich den Druck auf das Assad-Regime erhöhten und eine internationale Rehabilitierung verhinderten. Dennoch waren die Sanktionen stets umstritten – vor allem wegen ihrer sozialen Nebenwirkungen. Die Zivilbevölkerung litt früh unter Preissteigerungen, Versorgungsengpässen und eingeschränkten Überweisungsmöglichkeiten, während gut vernetzte Eliten sich oft entziehen konnten. 

Selbst gezielte Sanktionen gegen einzelne Branchen oder Oligarchen wirkten sich auf die gesamte Wirtschaft aus. Die Tatsache, dass humanitäre Ausnahmen vorgesehen waren, konnte die Belastungen für die Bevölkerung nur begrenzt abmildern. Der Sturz des Assad-Regimes markiert nun auch das Ende einer Ära, in der internationale Sanktionen ein zentrales, wenn auch ambivalentes außenpolitisches Instrument darstellten.

Was bedeutet die Aufhebung der US-Sanktionen für Syrien?

Nach dem Sturz des Assad-Regimes läutet die angekündigte Aufhebung der US-Sanktionen eine entscheidende Wende für Syrien ein. Denn obwohl EU-Staaten und andere Länder ihre Sanktionen gegenüber Syrien bereits teilweise aufgehoben oder reduziert haben, blieb die Wirkung bislang begrenzt – weil die USA den internationalen Bankensektor dominieren. Aufgrund der US-Sanktionen führten viele Banken keine Transaktionen nach Syrien durch, da sie andernfalls mit erheblichen Konsequenzen rechnen mussten.

Warten auf den Wiederaufbau: Ganze Landstriche liegen weiterhin in Trümmern, noch immer leben mehr als sechs Millionen Syrer*innen in provisorischen Unterkünften.

Bei der Aufhebung geht es nicht nur um wirtschaftliche Erholung, sondern auch um ein klares politisches Signal. Außerdem helfen sie der von Armut und teilweise auch Hunger gebeutelten Zivilbevölkerung in u. a. zwei entscheidenden Bereichen:

1. Humanitäre Hilfe erreicht die Menschen schneller
Obwohl humanitäre Güter formal nie sanktioniert waren, erschwerten die Finanzsanktionen gegen die syrische Zentralbank seit 2011 den Transfer von Hilfsgeldern und Auslandsüberweisungen. Ihre Lockerung würde es internationalen NGOs ermöglichen, lebensnotwendige Unterstützung bereitzustellen. Auch Auslandsüberweisungen von syrischen Familienmitgliedern könnten schneller und sicherer bei ihren Angehörigen ankommen.

2. Mehr wirtschaftlicher Spielraum für den Wiederaufbau
Sanktionen trafen die Bevölkerung meist härter als die Eliten. Vor allem die unteren sozialen Schichten litten unter Preissteigerungen und Versorgungsengpässen. Mit der Aufhebung zentraler Handels- und Finanzbeschränkungen können nun Überweisung aus dem Ausland getätigt werden. Das bedeutet, dass  nun Produktionsketten wieder in Gang setzen und Arbeitsplätze sichern.

Dass die Sanktionen jetzt aufgehoben werden, kommt nicht von ungefähr: “Die Zivilgesellschaft war eine der wichtigsten Kräfte bei der Frage der Aufhebung der Sanktionen – insbesondere durch ihre Treffen mit Entscheidungsträger*innen in den USA”, sagt unser Partner Mohammad Shakrdy vom Zivilen Zentrum Atareb. Er hofft nun auf größere Handlungsräume für zivilgesellschaftliche Initiativen, mahnt aber auch: 

„Ich hoffe, dass diese Gelegenheit genutzt wird, um die Situation der Syrer*innen zu verbessern, unser Land wieder aufzubauen und eine bessere Zukunft für unsere Kinder und kommenden Generationen zu sichern – und nicht, um die Macht Einzelner oder bestimmter Gruppen zu zementieren.“


Adopt a Revolution hat zu dem Thema Sanktionen und dessen Auswirkungen intensiv gearbeitet. Wir empfehlen daher unsere Studie „Sanktionen den Palästen, Solidarität den Hütten“, die sich eingehend mit den Hintergründen der Sanktionen gegen das Assad-Regime beschäftigt.