Als die Bombardierungen auf die Flüchtlingscamps Anfang November losgingen, war unsere Partnerin Huda Khaity vom Women Support & Empowerment Center Idlib nicht vor Ort. Das war ein reiner Zufall, denn in einem der betroffenen Camps waren die Mitarbeiterinnen vom Frauenzentrum lange aktiv. Umso mehr haben sie die Nachrichten erschüttert.
„Ich kenne viele der Bewohner*innen persönlich. Fast alle wurden bereits mehrfach vertrieben und müssen seit Jahren das harte Leben in den Camps ertragen – ohne Aussicht auf eine Besserung ihrer Situation. Die Menschen haben schon lange keine Hoffnung mehr, jemals in ihre Heimatdörfer und -städte zurückkehren zu können. Sie haben sich, so hart das ist, damit abgefunden, dass sie ihr Leben in den Zelten fristen werden. Sie leben hier buchstäblich von der Hand in den Mund. Sie haben kein Geld, es gibt keine Infrastruktur und keine Schulen. Die meisten Camps sind inoffiziell und haben sich um die Städte herum gebildet, deshalb kommt hier keinerlei Unterstützung an. Und selbst die offiziellen Camps erhalten keine regelmäßige humanitäre Hilfe.
Sie sind auf freiem Feld, es gibt hier keine Möglichkeit, sich in Sicherheit zu bringen. Die Stoffzelte und provisorische Hütten mit Wellblechdach bieten keinerlei Schutz bei Bombardierungen aus der Luft oder vor Granaten. Sie bieten ja nicht mal ausreichend Schutz vor Eis und Schnee.
Denn die Menschen haben ihre letzte Zuflucht verloren. Es ist während des Winters nahezu unmöglich woanders hinzuziehen. Und selbst wenn: Das Regime bombt überall, es kennt keinen Halt.
Es gibt keine greifbare Lösung für die Menschen in den Camps, wir können keine Alternative bieten. Es gibt nicht genügend Wohnraum für die Vielzahl an Menschen, die nach Idlib vertrieben wurden. Es gibt schlichtweg keinen Platz, um sie in richtigen Wohnhäusern unterzubringen, wo sie etwas geschützter im Fall von Bombenangriffen wären, in jedem Fall aber vor der eisigen Kälte sicher. Bezahlbar wäre eine Wohnung ohnehin nicht. Mittlerweile zahlt man für eine einfache Wohnung zwischen 75 und 100 Dollar Miete pro Monat. Das ist unerschwinglich für die Menschen, die mittellos in den Camps leben. Die meisten dort haben keine Arbeit. Wer doch einen Job ergattern konnte, verdient deutlich weniger als 50 Dollar monatlich. Es gibt für die Menschen also kein Entkommen aus den Flüchtlingslagern und vor den Bomben. Mit und ohne Bomben ist aber klar: Es gibt kein Überleben ohne Hilfe von außen. Aber internationale humanitäre Hilfe kommt hier nicht an, zumindest nicht in den zahllosen inoffiziellen Camps.
Sie gehören ohnehin zu unserem Alltag. Nicht nur die Flüchtlingslager, auch alle anderen Orte werden in Idlib regelmäßig bombardiert. Nirgendwo ist man sicher vor den Bomben, insbesondere nicht wir Zivilist*innen. Ich werde nicht müde, es immer wieder zu betonen: Das Assad-Regime und Russland greifen am meisten und ganz bewusst Wohngebiete an – seien es die Camps oder dicht besiedelte Viertel in den Städten.
Gerade bereiten wir ein Projekt zum Seuchenschutz vor. Wir liefern und verteilen Hygieneartikel zum Schutz vor der gerade grassierenden Cholera und vor Corona. Und wir klären auf, wie sich die Menschen hier unter den Bedingungen bestmöglich schützen können. Während das Regime versucht, alles Leben zu vernichten, versuchen wir so vielen Menschen wie möglich zu helfen.“