Das Revival der Revolution: Stimmen aus Syrien

Freude und Angst, Feiern und Flucht, Vertreibung und Wiedersehen – inmitten der Offensive entsteht ein Bild voller Gegensätze. Wir fangen die Stimmung vor Ort ein.

7. Dezember, Azaz

Wie werden die Islamisten von HTS regieren?

Unser Partner Anas Al-Rawi vom Hooz-Zentrum im Interview mit der NZZ am späten Abend:

In Syrien herrscht derweil Ekstase gemischt mit Ungewissheit. Anas al-Rawi ist ein Oppositioneller der ersten Stunde, der schon 2011 gegen Asad auf die Strasse ging. Für die Freude über den Sturz des Regimes finde er keine Worte, erzählt der 36-Jährige in einem Videotelefonat am späten Samstagabend. Der Mann mit dem langen schwarzen Vollbart lächelt immer wieder, während er an seiner Shisha zieht. „Aber ich habe kein komplettes Vertrauen in die Islamisten der HTS.“ Seine Sorge hat sich beim Besuch der Städte Aleppo und Hama nach ihrer Befreiung verflüchtigt. Die islamistische Miliz habe die Christen und andere Minderheiten in den eroberten Städten geschützt. „Und das sage ich als jemand, der 2012 gegen die Nusra-Front demonstriert hat.“

Hier gibt es den gesamten Artikel mit Anas Zitaten zum Nachlesen:

Damaskus ist gefallen: der Sturz von Bashar Al-Asad verändert Syrien und den gesamten Nahen Osten

7. Dezember, Erbin (Vorstadt von Damaskus)

Heute empfinde ich das erste Mal seit meiner Vertreibung wieder Freude.“

In der Stadt Erbin, die 2013 mit Giftgas angegriffen wurde, demonstrieren die Menschen, feiern ausgelassen mit Feuerwerk und reißen Bilder von Assad herunter. Zu Erbin hat Adopt a Revolution eine besondere Beziehung. Trotz jahrelanger Belagerung und regelmäßigem Beschuss brach in Erbin das kulturelle Leben nicht zusammen – auch dank unseres Partners Abdulsattar. Als Apotheker versorgte er die Menschen in den belagerten Vorstädten von Damaskus über Jahre mit Medizin – und organisierte nebenbei den Aufbau von Kellerschulen inmitten des Kriegs. 2018 wurde das Zentrum seine Stadt vom Regime erobert und er musste nach Deutschland fliehen. Heute, sagte er uns unter Tränen am Telefon, empfindet er das erste Mal seit der Vertreibung wieder Freude.

Hier ein Portrait unseres langjährigen Partners:

6. Dezember, Suweida

Verzweifelter Hilferuf aus Südsyrien: Schützt uns vor Assads Luftangriffen!

Aktuell sind es die Menschen in Südsyrien, die anders jene in Idlib über die letzten Jahre nicht ständigen Luftangriffen ausgesetzt waren. Doch das könnte sich jetzt schnell ändern: Die Aktivistin Raya aus Suweida, die gestern noch live zu einer unserer Veranstaltung zugeschaltet war, berichtet von Militärflugzeugen, die über der Region kreisen. Das Assad-Regime droht mit Bombardierungen, nachdem sich auch im Süden bewaffneter Widerstand formiert hat. Es wird von Gefechten und sogar Abspaltungen in den Reihen des Regimes berichtet. Ansgesichts der drohenden Bombardierung fürchten die Menschen um ihr Leben.

Wir, die Bewohner*innen der südsyrischen Provinzen Suweida und Daraa stehen am Rande eines blutigen Massakers: Flugzeuge des Assad-Regimes kreisen bereits über unseren Städten. Ein Luftangriff würde unvorstellbares Leid verursachen – ein blutiges Massaker an unschuldigen Menschen. Unsere Provinz ist klein, wir haben keine Schutzräume. Wir leben in großer Angst und unsere Panik wächst. Unsere Proteste für Freiheit und Gerechtigkeit sind friedlich. Wir schützen selbst die Überläufer aus den Reihen der syrischen Armee. Doch jetzt sind wir auf uns allein gestellt.

Helft uns, bevor es zu spät ist! Wir brauchen die Unterstützung der Weltgemeinschaft, um das Assad-Regime von weiteren Angriffen abzuhalten. Jede Minute zählt, um eine Katastrophe zu verhindern!