Aleppo: “Mit ihrer Untätigkeit beteiligt sich die Welt an den Verbrechen”

Seit Anfang Juli währt die Belagerung der einstigen Metropole Aleppo. Auch PartnerInnen von Adopt a Revolution sind dort eingeschlossen. Einer von ihnen, Mutaz, berichtet uns vom Leben in der Stadt und klagt an.

Aleppo ist gänzlich unter Belagerung. Unterdessen erleben wir eine fürchterliche Reihe von Bomben- und Raketenangriffen durch Assads Milizen und seine russische Luftunterstützung auf Wohngebiete. Sie zielen direkt auf die Infrastruktur, die Zivilverteidigung, Krankenhäuser und Hilfsorganisationen. Die Menschen erwarten das Schlimmste, eine langwierige Belagerung. Sie haben angefangen in den kleinen Parks zu gärtnern und Lebensmittel anzubauen, um dem drohenden Hunger zu widerstehen. Dabei lernen sie von den Erfahrungen der anderen belagerten Gebiete.

Die ersten Mängel an Lebensmittel sind schnell offensichtlich geworden, was auch an der Konkurrenz der Menschen untereinander und an einigen Verkäufern liegt, die versucht haben, das Monopol über bestimmte Güter zu erlangen.

Die Menschen überrascht es nicht, dass das alles geschehen ist – die Gefahr der Belagerung ist seit zwei Jahren präsent und diese letzte Straße war schon immer Bombardements und seit einiger Zeit auch Scharfschützenfeuer ausgesetzt.

Viele der Menschen, die noch hier leben, wollen die Stadt nicht erlassen, denn selbst die Bomben und Raketen halten sie für besser, als vertrieben zu werden und wieder unter Assads Herrschaft leben zu müssen. Das Regime und Russland behaupten “humanitäre” Fluchtkorridore eingerichtet zu haben. Doch man traut ihnen nicht und fürchtet dennoch verhaftet zu werden. Warum zwingen sie die Menschen ihre Heimatstadt zu verlassen? Warum lassen sie die UN nicht die Verantwortung übernehmen und warum lassen sie die Versorgung der Bevölkerung nicht zu, sondern versuchen stattdessen einen demographischen Wandel zu erzwingen und Menschen aus ihren Häusern zu werfen?

Durch russisch-syrisches Bombardement zerstörtes Krankenhaus in Aleppo
Durch russisch-syrisches Bombardement zerstörtes Krankenhaus in Aleppo

Die Bilder aus Madaya gehen mir nicht aus dem Kopf
Wir haben die verbleibenden Nahrungsmittel rationiert und essen nur eine Mahlzeit am Tag.
Der Beschuss der Stadt währt den ganzen Tag während zivile Organisationen versuchen, so gut zu helfen wie möglich. Ich habe Angst, Kinder hungern zu sehen, die Bilder aus Madaya gehen mir nicht aus dem Kopf.

Doch so lange aber Menschen hier leben, versuchen zivile Organisationen und Netzwerke die Bevölkerung weiter zu unterstützen.

Wir versuchen Ackerbau-Projekte zu realisieren und geben Workshops, um Menschen beizubringen, wie ihr eigenes Essen anbauen können und Wege entwickeln, um der Belagerung zu widerstehen und ihr Leben fortzuführen. Andere dokumentieren was hier geschieht und versuchen es über die Sozialen Medien zu verbreiten.

Das Völkerrecht? Nicht mehr als Tinte auf Papier
Die Anfänge der Revolution waren so wunderbar, etwas Neues begann. Und ich denke, dass es Hoffnung gibt, für die Zukunft, dass wir zu relativer Normalität zurückkehren können, wie das während des Waffenstillstandes kurz der Fall war.

In Aleppo zünden die Menschen Autoreifen an, um den Piloten der Kampfflugzeuge und -hubschrauber die Sicht zu nehmen und sie so am Bombardement zu hindern
In Aleppo zünden die Menschen Autoreifen an, um den Piloten der Kampfflugzeuge und -hubschrauber die Sicht zu nehmen und sie so am Bombardement zu hindern

Ich wünsche mir, dass Syrien einen Weg findet, um diesen Krieg zu beenden, dass dieser Diktator fällt und wir eine demokratische Regierung bekommen und einen zivilen Staat aufbauen können, der die Freiheit aller versichert.

Die Internationale Gemeinschaft ist ein Haufen Scheiße, das ist es, was wir glauben – sie ist eine große Lüge die man Ländern wie unserem zu verkaufen versucht. Das Völkerrecht ist nicht mehr als Tinte auf Papier und was heute wirklich herrscht, ist das Gesetz des Dschungels. Alle wichtigen Länder der Welt versuchen aus diesem Krieg nur das Beste für sich herauszuholen.

Die Menschen sehen jetzt, dass die Internationale Gemeinschaft mit ihrer Politik der Nicht-Intervention zu einem Komplizen des Tötens geworden ist. Damit haben sie Assad grünes Licht gegeben, um das Massaker an den Syrern seit über fünf Jahren fortzuführen. Noch schlimmer wurde es, als Russland an der Seite des Regimes in vollem Bewusstsein begann, am Töten teilzunehmen.

Mit ihrem Schweigen und ihrer Untätigkeit beteiligt sich die ganze Welt an diesen Verbrechen.