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Auf einen Kaffee mit dem Diktator

Voll normal!? Der syrische Diktator Basshar Al-Assad erlebt ein diplomatisches Revival. Nach jahrelanger politischer Isolation und internationaler Ächtung ist der Diktator plötzlich wieder ein geladener Gast bei internationalen Konferenzen. Warum das nicht sein darf.

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Mit wie vielen Stückchen Zucker trinkt Assad wohl seinen Kaffee? Mag er es eher süß oder herb? Was mundet einem Diktator so auf Reisen? Solche Fragen müssen nun wieder Menschen klären, die internationale Konferenzen mit dem syrischen Machthaber organisieren. Nachdem er jahrelang recht eintönig nur Russland und Iran besuchen durfte, hat Assad das Fernweh gepackt.

In diesem Jahre traf er sich zum diplomatischen Kaffeeklatsch mit Staatsmännern in Oman, den Vereinigten Arabischen Emiraten, Saudi-Arabien und China. Als Kirsche obendrauf gab es sogar eine Einladung zur Weltklimakonferenz in Dubai.

Frei nach dem Motto “Was schert mich mein Geschwätz von gestern” schlürft auch der Generalsekretär der Arabischen Liga, Ahmed Aboul Gheit, ein Finjan mit dem Mann, dessen Regime er noch vor sieben Jahren verantwortlich machte für “die grausamen Militäroperationen […] gegen seine Bevölkerung in Aleppo.” In Deutschland mögen Assad die Türen noch nicht offen stehen, doch der scharfe Ton ihm gegenüber verliert deutlich an Würze. In Politik und Presse wird selten noch über “Diktator”, sondern wieder über

“Präsident” Baschar Al-Assad gesprochen. Außenministerin Annalena Baerbock warnte bei einem Besuch im Golf vor einer “bedingungslosen Normalisierung” des Regimes. Obwohl  sie dabei wiederholt auf dessen Gräueltaten hinwies, steht unterm Strich: Mit Assad kann wieder verhandelt werden.

Es ist kein kollektives Vergessen, sondern eine kollektive Ignoranz, welche die politischen Repräsentant*innen an den Tag legen. Sie verdrängen, dass Assads Krieg mehr als eine halbe Million Menschenleben gefordert hat, während Hunderttausend noch vermisst werden. Allein Kanada und die Niederlande legten im Sommer beim Internationalen Gerichtshof Klage gegen das Regime ein. Sie wollen es für  Folter und den Einsatz chemischer Waffen zu Verantwortung ziehen.  Im August jährte sich der Giftgasangriff auf Ghouta zum zehnten Mal. Bis zu 1.400 Menschen starben damals durch das tödliche Nervengas Sarin.

Vor allem arabische Staaten wie Saudi-Arabien, aber auch die Vereinten Nationen haben sich aus der Kontaktaufnahme eine Stabilisierung Syriens versprochen. Doch der Schuss ging gewaltig nach hinten los.

Es scheint, als könne Assad aus jeder Katastrophe Profit schlagen. Beispiel gefällig?!

Die verheerenden Erdbeben Anfang des Jahres verwüsteten viele Gebiete, die nicht unter der Kontrolle des Regimes stehen. Zuerst versagte die UN auf ganzer Linie, schnell und ausreichend Nothilfen dorthin zu leisten.

Dann scheiterte im Juli der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen daran, der Resolution zuzustimmen, welche die türkisch-syrische Grenz für die wenigen Hilfslieferungen offen hielt. Im gleichen Zeitraum wurde bekannt, dass das UN-Welternährungsprogramm mehr als 2,5 Millionen Menschen in Syrien die Rationen wegen Finanzierungsengpässen kürzen muss.

In der ausweglosen Situation wandte sich der UN-Nothilfekoordinator Martin Griffith ausgerechnet an Assad. Mit ihm gilt jetzt die generöse Abmachung, dass die Grenzübergänge bis zum Winter nicht geschlossen werden. Wie wenig es dem Diktator dabei um hilfsbedürftige Menschen geht, zeigte er in Idlib und anderen Regionen im Nordwesten.

Bombardierungen durch das Regime und seinen Verbündeten Russland sind nichts Neues in diesen oppositionellen Gebieten. Anfang Oktober hat die Offensive aber an Intensität gewonnen und sich zu einem flächendeckenden Großangriff entwickelt. Ziele sind insbesondere zivile Infrastrukturen wie Wohnquartiere, Märkte und Krankenhäuser. Die UN warnte bereits vor einer humanitären Katastrophe mit Blick auf die Zehntausenden, die akut vor dieser Gewalt geflohen sind.

Ein cleverer Schachzug: Assad schafft die Situation, in der Nothilfe gebraucht wird und instrumentalisiert diese dann auf internationalem politischen Parkett. Allein die Syrer*innen haben nicht vergessen, was für ein Monster in Damaskus die Fäden zieht.

Seit August finden wieder Proteste gegen das Regime statt. Dreh- und Angelpunkt ist die Region Suweida im Süden Syriens, die offiziell unter der Kontrolle Damaskus’ steht. Gingen dort zuerst Menschen wegen der Wirtschaftskrise auf die Straße, hallten bald die Rufe nach dem Sturz des Regimes. Und nicht nur das:

“Assad und seine Gefolgschaft sollen nicht ungestraft davonkommen. Wir fordern, dass seine Angehörigen vor Gericht gestellt werden. Wir fordern die Freilassung aller politischen Gefangenen und dass die Schicksale der vielen Verschwundenen aufgeklärt werden.”

Das sagte uns eine Demonstrantin in Suweida. Sie und ihre Mitstreiter*innen zeigen: Das syrische Volk wird nie vergessen, was es unter diesem Regime erlitten hat. Und sie fordern auch die UN auf, sich an ihr “Geschwätz von gestern” zu erinnern: Die Resolution 2254, die einen friedlichen Machtübergang beinhaltet.

Als hätten es nicht schon die vergangenen zwölf Jahre deutlich gemacht, zeigt sich erneut: Es wird keinen Frieden und keine Freiheit mit Assad geben. Und auch politisch gesehen, fehlt ihm jegliche Voraussetzung, um Syrien aus den vielen Krisen zu führen. Es ist an der Zeit, den Diktator so zu behandeln, wie er es verdient hat – wie kalten Kaffee. Und weg damit.