Aufbau, „Normalität“ und komplexe Strukturen

Der Krieg in Syrien befindet sich inzwischen in seinem fünften Jahr und wird, wie der Online-Nachrichtendienst rudaw.net berichtet, in zunehmendem Maße komplex. Am 27.07.2015 kam es dem erwähnten Nachrichtendienst zufolge zu einem zweifachen Bombenanschlag in der nordsyrischen kurdischen Stadt Qamischli mit einer Vielzahl an Todesopfern. Am 26.07.2015 veröffentlichten die kurdischen Streitkräfte der Volksverteidigungseinheiten (YPG) eine […]

Der Krieg in Syrien befindet sich inzwischen in seinem fünften Jahr und wird, wie der Online-Nachrichtendienst rudaw.net berichtet, in zunehmendem Maße komplex. Am 27.07.2015 kam es dem erwähnten Nachrichtendienst zufolge zu einem zweifachen Bombenanschlag in der nordsyrischen kurdischen Stadt Qamischli mit einer Vielzahl an Todesopfern. Am 26.07.2015 veröffentlichten die kurdischen Streitkräfte der Volksverteidigungseinheiten (YPG) eine Stellungnahme zu den militärischen Entwicklungen. Demzufolge, so rudaw.net, konnten die Kräfte der YPG die Stadt Srin unweit von Aleppo einnehmen und die Streitkräfte des Islamischen Staates (IS) vertreiben. Außerdem seien die Gegenden um Mujbala, Iza’a, Tal Showaiha und Shaikh Salih und eine Hauptverkehrsstraße zwischen Kobani und Afrin nun unter der Kontrolle der YPG-Kräfte. Agence France Presse zitiert den Direktor der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte, Rami Abdel Rahman, demzufolge am 30.07.2015 zwei Brücken zwischen der syrischen Stadt Al-Bukamal und der irakischen Grenze durch die Luftwaffe der Koalition unter US-amerikanischer Führung zerstört worden seien. Die Brücken im Kerngebiet des IS seien von strategischer Bedeutung für den Verkehr zwischen den Gebieten des IS im Irak und Syrien gewesen. Der englischsprachige Nachrichtendienst Syrianobserver.com zitierte am 31.07.2015 das Syrische Netzwerk für Menschenrechte (SNHR): Dem Netzwerk zufolge kam es in den Städten Salqeen und Maaret al-Numan in der Provinz Idleb und in dem Viertel al-Salehiya in der Stadt Deir-ez-Zor der gleichnamigen Provinz zu Luftangriffen der syrischen Armee mit einer Vielzahl an zivilen Opfern. Angesichts der sich verschlechternden humanitären Lage hofft der Untergeneralsekretär für humanitäre Angelegenheiten der Vereinten Nationen, Stephen O’Brien, dass sein Besuch in Damaskus in der nächsten Woche eine Möglichkeit bieten wird, in konstruktive Gespräche mit der syrischen Regierung zu treten und sich mit den „wichtigen Zugangshindernissen, die die humanitären Operationen ernsthaft behindern,“ zu befassen, so berichtet ARA News. Eine politische Lösung, so der Untergeneralsekretär, sei „dringender als jemals zuvor“.

Massoud Hamed schildert für Al-Monitor.com die Situation der vom IS befreiten Stadt Kobani: Aufbauarbeiten und die Gewährung einer umfassenden Grundversorgung würden vor allem dadurch erschwert, dass sich aufgrund der fehlenden staatlichen Unterstützung und angesichts von fortdauernden Angriffen vonseiten des IS die Verfügbarkeit von Kraftstoff in zunehmendem Maße reduziert. Während alleine die in den kurdischen nordsyrischen Gebieten gelegenen Rmelan-Felder ca. 36% der nationalen Produktionsmenge ausmachen, würde die Stadt Kobani weiterhin an den Folgen der wirtschaftlichen Blockade leiden, die der IS über sechs Monate bis zur Eroberung der Stadt durch die Volksbefreiungsarmee (YPG) im Januar 2015 verhängte. Doch auch nach der Eroberung der Stadt durch die YPG verbesserte sich die Versorgungslage der Stadt nur geringfügig, da die türkische Regierung Zufuhren von Lebensmitteln nicht genehmigte: Kraftstoffe und Nahrungsmittel mussten auf illegalem Wege nach Kobani geschmuggelt werden, so der Autor. Erst nachdem die YPG, die Streitkräfte der Freien Syrischen Armee und die Internationale Allianz die Stadt Tell Abyad im Juni 2015 eroberten, eröffnete sich für die Bewohner_Innen der Stadt Kobani ein neuer Versorgungszugang. Die Preise für Lebensmittel und Kraftstoff, die nun aus der Provinz Jazeera eingeführt werden konnten, fielen erstmalig. Dennoch bleibt die Lage angespannt, wie das Massaker von 320 Bewohner_Innen der Stadt Kobani am 25.06.2015 zeigt.

Maha Rabah von Damascusbureau.org gibt in ihrem Artikel „Resources Overstreched in Kafr Nabel Hospitals“ vom 30.07.2015 Einblick in die Versorgungslage der Krankenhäuser in den Städten Kafr Nabel und Maaret al-Numan. In der Gegend der Stadt Kafr Nabel befinden sich zehn Krankenhäuser, deren Ausstattung sich erheblich unterscheidet: Während manche Krankenhäuser aufgrund der Unterstützung durch humanitäre Organisationen über eine gute Ausstattung verfügen, haben andere Kliniken wie das Dar al-Hikma Krankenhaus begonnen, Schwerverletzte mit einem Krankenwagen in die Türkei zu bringen und dort ärztlich versorgen zu lassen. Mitarbeiter_Innen des Krankenhauses hingegen warnen die meisten Patienten davor, dass viele der Schwerverletzten bereits auf dem Weg in die Türkei verstorben seien, so Rabah. Das Orient Krankenhaus in Maaret al-Numan ist eines der besser ausgestatteten Krankenhäuser. Es wurde allerdings schon öfters Ziel von Luftangriffen, bei denen u.a. ein Arzt, Dr. Mahmud al-Zarab, zu Tode gekommen ist. Der Leiter des Orient-Krankenhauses, Mazen Saud, fügt hinzu, dass ein Krankenhaus in der angrenzenden Stadt Saraqeb durch Fassbomben zerstört worden sei. Die Autorin zitiert eine Bewohnerin der Stadt Kafr Nabel, die fünfundzwanzigjährige Amena, der zufolge das private Geburtskrankenhaus in Kfar Nabel andauernd überfüllt sei und manche Mütter inzwischen auf Krankenhäuser in Maaret al-Numan ausweichen würden. Die meisten der Patient_Innen, so Mazen Saud, müssten wegen Knochenfrakturen behandelt werden, die aufgrund der Bombardierungen besonders häufig seien.

Eine Pause vom täglich wiederkehrenden Konflikt bieten die Regionalen Fußballmeisterschaften den Bewohner_Innen der Stadt Hass in der Provinz Idlib, von denen Damascusbureau.org berichtet. Zum ersten Mal nach vierjähriger Unterbrechung konnten die Veranstalter_Innen in der erst seit Kurzem von Rebellen kontrollierten Stadt ein Tournier mit 16 Mannschaften austragen, das zum Anfeuern einlädt und dank der Unterstützung von Spender_Innen wie der Organisation „Daa Basmatak“ mit Preisen und renovierten Sportplätzen lockt. Mohammed Kallas, ein fünfundzwanzigjähriger Bauarbeiter, kommentiert das Ereignis: „Wir sind verrückt nach Fußball. Es ist das einzige, das unser Leiden mindert in diesem endlosen Krieg“. Damit kleinere Auseinandersetzungen zwischen den Zuschauer_Innen und/oder den Spielern nicht zu ernsthaften Konflikten führen, patrouilliert die Polizei an den Spielstätten und greift ein, wenn nötig. Khaled al-Yahya, Administrator der Facebook-Seite des Fußballtourniers hofft, dass er Spieler und Interessierte aus anderen Dörfern in der Provinz Idlib erreicht: „Wir möchten, dass die Welt sieht, dass wir keine Angst haben Fußball zu spielen, während Präsident Bashar al-Assads Militärflugzeuge im Himmel über uns sind“.