Wir wollen zeigen, dass die zivile Bewegung lebt – Bericht der StudentInnen

Bericht des Aktivisten Abu Hussam, Union Freier Syrischer StudentInnen (UFSS), Damaskus Bei uns in Damaskus ist die Sicherheitslage unglaublich angespannt. Wir sind uns sicher, dass sich hier in der Hauptstadt die syrische Revolution und all das, was danach mit Syrien passiert, entscheiden wird. Die Situation ist wirklich absurd: In der ganzen Stadt sind Tag und […]

Bericht des Aktivisten Abu Hussam, Union Freier Syrischer StudentInnen (UFSS), Damaskus

Bei uns in Damaskus ist die Sicherheitslage unglaublich angespannt. Wir sind uns sicher, dass sich hier in der Hauptstadt die syrische Revolution und all das, was danach mit Syrien passiert, entscheiden wird. Die Situation ist wirklich absurd: In der ganzen Stadt sind Tag und Nacht Schusswechsel zu hören und auch Explosionen schwererer Geschütze. Wir StudentInnen setzen trotzdem nicht auf Gewalt, sondern versuchen mit kreativen Protestformen immer wieder zu zeigen, wie die Revolution angefangen hat und daran zu erinnern, dass es das Regime war, das mit dem Blutvergießen angefangen hat.

In Damaskus sind wir rund 100 AktivistInnen, die sich zusammen in nicht-öffentlichen Diskussionsforen und Chatrooms austauschen. Hier diskutieren wir unsere Forderungen, planen unsere Aktionen und vereinbaren die Treffpunkte. Dabei wissen wir oft gar nicht, wer die anderen Menschen sind, denn alle verwenden Pseudonyme. Wenn wir uns etwa auf einen Flashmob verabreden, weiß ich vorher auch nicht, wer gleich dabei sein wird und wer nicht. Diese Anonymität ist wichtig für unsere Sicherheit, denn immer wieder werden Mitglieder unserer Gruppe festgenommen und gefoltert. Je weniger wir wissen, desto weniger können wir dann auch über die anderen preisgeben.


Video: Flashmob im Suq von Damaskus, April 2013.

Vor etwa sechs Wochen ist einer unserer vier Koordinatoren festgenommen worden, schon zum zweiten Mal. Beim ersten Mal hatten sie den Verdacht, dass er für das StudentInnen-Komitee aktiv ist, haben ihn aber nach zehn Tagen wieder laufen lassen – wohl in der Hoffnung, über ihn an weitere Mitglieder ranzukommen, was glücklicher Weise nicht geklappt hat. Trotzdem schockt es uns natürlich immer wieder, wenn Menschen aus unserem direkten Umfeld festgenommen werden, auch wenn wir uns ja eigentlich gar nicht persönlich kennen.

Als Studierende sind wir inzwischen eine der letzten Gruppen, die im Zentrum von Damaskus noch öffentliche, zivile Proteste veranstaltet. Aus Sicherheitsgründen haben viele andere Gruppen inzwischen damit aufgehört. So auch das Komitee in Kafersuseh, in dem ich zusätzlich im Medienteam aktiv bin. Unsere letzte Demonstration in Kafersuseh verlief zwar sehr erfolgreich – wir hatten mobilisiert und mehr als 300 Menschen zusammenbekommen. Es waren auch alle rechtzeitig weg, ehe die Polizei und die Schlägertrupps des Regimes kamen. Als Rache haben die wiederum aber einfach Dutzende Unbeteiligte festgenommen, die zufällig dort waren, wo unsere Demonstration stattfand. Wir wollen natürlich keine Dritten gefährden und haben deswegen als Komitee aufgehört Demonstrationen zu organisieren.


Video: Aufforderung der UFSS Damaskus zum Streik an allen Universitäten in der Woche vom 30.03. – 04.04.2013: „Die Universitäten sollen wieder Orte des Wissens werden, nicht wie jetzt, Orte der Shabbiha des Regimes!“

Anders ist das bei den Studierenden: Im Rahmen der UFSS Damaskus haben wir schon lange nicht mehr auf Demonstrationen gesetzt, sondern auf Aktionen wie an der Uni Flyer zu verteilen, Graffiti zu sprayen oder andere, kreativere Protestformen umzusetzen. Dafür ist häufig eine lange Recherche nötig, um ganz sichergehen zu können, dass zum Zeitpunkt der Aktion keine Sicherheitskräfte in der Nähe des sein werden. Ein Beispiel dafür ist, dass wir wenige Tage nach dem Massaker in Banyas nur einen halben Kilometer vom Präsidentenpalast entfernt, mit Farbe eine Blutspur über eine Straße gemalt und Portraits des Diktators Bashar Al Assad drauf geklebt haben. Solche Aktionen erregen immer wieder Aufmerksamkeit und eigentlich machen sie dazu auch Spaß. Ich selbst habe für diese Aktion eine ganze Nacht lang auf der Lauer gelegen um zu schauen, wann dort die Sicherheitskräfte patrouillieren.


Video: Protestaktion der UFSS Damaskus, in Solidarität mit den Opfern des Massakers in Banyas.

An der Uni gibt es offiziell weiter Vorlesungen und Seminare, auch wenn ständig Gefechtslärm zu hören ist. Selbst vom Qasiun, dem Berg über der Stadt, wird ständig mit Mörsergranaten geschossen. Die Bewaffneten Oppositionellen stehen an den weitesten Stellen nur noch zwölf Kilometer, an den nächsten Stellen acht Kilometer von der Omayyadenmoschee im Zentrum der Stadt entfernt. Überall da, wo das Regime noch die Kontrolle ausübt, gibt es unglaublich viele Checkpoints und Straßensperren. Alleine auf der vier Kilometer langen Straße von Al Midan in die Altstadt gibt es zehn Kontrollstellen. Das ist natürlich gefährlich für alle, die als Oppositionelle bekannt sind und gesucht werden.


Video: Beitrag auf Al Arabiyya über die Studierenden die UFSS.

Trotzdem glauben wir, dass wir weitermachen müssen. Aus dem Rat aller Komitees in Damaskus wissen wir, dass sich viele nur noch auf humanitäre Hilfe konzentrieren und ansonsten versuchen, nicht aufzufallen. Wir haben uns aber entschlossen, nicht alleine den Bewaffneten die Entscheidung über Damaskus zu überlassen, sondern auch selbst immer wieder aktiv zu werden. Für den Ramadan im Juli planen wir, jeden Tag eine Aktion zu machen: Seien es Graffiti, Flashmobs oder etwas anderes. Wir wollen zeigen, dass der zivile Widerstand weiter lebt und sich das Regime trotz aller Sicherheitsmaßnahmen auch hier im Zentrum der Stadt seiner nicht sicher sein kann. Wenn uns das gelingt, dann wird die Diktatur nicht mehr lange Bestand haben – da sind wir uns sicher!

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