Bundeswehreinsatz in Syrien: Nicht noch mehr Bomben!

Nach den Anschlägen in Paris sichert Angela Merkel Frankreich Unterstützung durch die Bundeswehr im Kampf gegen den „Islamischen Staat“ zu: 1200 Soldaten, Aufklärungstornados, ein Kriegsschiff und mindestens ein Tankflugzeug sollen zeitnah zum Kriegseinsatz nach Syrien entsandt werden. Was genau der Plan oder das Ziel dieses Vorgehens ist, bleibt vage. Ist der geplante Bundeswehreinsatz wirklich sinnvoll […]

Nach den Anschlägen in Paris sichert Angela Merkel Frankreich Unterstützung durch die Bundeswehr im Kampf gegen den „Islamischen Staat“ zu: 1200 Soldaten, Aufklärungstornados, ein Kriegsschiff und mindestens ein Tankflugzeug sollen zeitnah zum Kriegseinsatz nach Syrien entsandt werden. Was genau der Plan oder das Ziel dieses Vorgehens ist, bleibt vage. Ist der geplante Bundeswehreinsatz wirklich sinnvoll im Kampf gegen ISIS?

Seit etwa fünf Jahren, seit Beginn des Aufstands in Syrien und der sofortigen gewaltsamen Reaktion des Assad-Regimes gegen sein eigenes Volk, fordert die syrische Bevölkerung Unterstützung der internationalen Gemeinschaft. Ihre Hilferufe blieben weitestgehend ungehört. Dabei spitzt sich die humanitäre Situation immer weiter zu, das Leid wird immer größer: Stadtteile und ganze Städte befinden sich – UN-Resolutionen zum Trotz – unter Belagerung und Beschuss, Millionen von SyrerInnen sind auf der Flucht und Zehntausende sitzen bis heute in den Foltergefängnissen des Assad-Regimes.

Eine internationale Koalition geht bereits seit über einem Jahr militärisch gegen den sogenannten „Islamischen Staat“ vor – offenbar wenig erfolgreich, wie sich an der Situation in Syrien und den Terroranschlägen in Paris im November erkennen lässt. Für Deutschland, das sich bisher aus einer direkten militärischen Intervention in Syrien herausgehalten hatte, muss es nach diesen Anschlägen plötzlich sehr schnell gehen: Jetzt, da der Schrecken vor den Terroranschlägen der islamistischen Extremisten nicht mehr nur die Menschen in der Levante trifft, sondern auch die in Europa, folgen die Reaktionen der westlichen Länder in schwindelerregendem Tempo.

Das Vorgehen gegen ISIS muss ein Anderes sein

Wenn der Krieg in Syrien endlich ein Ende nehmen soll, ist ein Eingreifen durch die internationale Gemeinschaft ohne Frage unverzichtbar. Dazu äußert sich ebenfalls der Autor Navid Kermani eindrücklich in seiner Rede zum Friedenspreis des Deutschen Buchhandels: „Wahrscheinlich werden wir Fehler machen, was immer wir jetzt noch tun. Aber den größten Fehler begehen wir, wenn wir weiterhin nichts oder so wenig gegen den Massenmord vor unserer europäischen Haustür tun, den des ‚Islamischen Staates‘ und den des Assad-Regimes.“

Doch ist ISIS in Syrien nicht isoliert zu betrachten. Das Assad-Regime hat durch seine Destabilisierung des Landes nicht unwesentlich zur Entstehung der Terrorgruppe beigetragen. Zu Beginn des Aufstands entließ er sogar Dschihadisten aus den Gefängnissen, um die Oppositionsbewegung zu unterwandern (mehr dazu in unserem ISIS-Factsheet). In der Konsequenz bedeutet dies: Wer ISIS nachhaltig besiegen will, muss auch die Ursache für die Destabilisierung Syriens beheben – die Gewalt des Assad-Regimes.

Viele SyrerInnen, die weiterhin im Land leben, wünschen sich jedoch eine andere Intervention in Syrien: Am Himmel über ihren Städten tummeln sich bereits genügend Kampfjets, es müssen nicht noch weitere hinzukommen. All diese Luftangriffe haben ISIS bisher nur beschränkt davon abgehalten, sich auszubreiten, die Bevölkerung zu terrorisieren und Hotspots in anderen Ländern aufzubauen. Warum sollte sich das ändern, wenn weitere Staaten Luftangriffe fliegen?

kafranbel

Das Vorgehen gegen den Islamischen Staat muss ein Anderes sein. Um den ISIS-Terror zu schwächen, muss ihm seine interne Legitimation entzogen werden. Diese beruht vor allem darauf, dass die – zweifellos fehlgeleiteten – religiösen Motive junger Kämpfer aus der ganzen Welt gegen die Gräueltaten des Assad-Regimes in Stellung gebracht werden. Viele der Dschihadisten sehen sich als die einzigen, die die Menschen in Syrien gegen die brutale, gewaltsame Unterdrückung der Diktatur verteidigen. Dieses starke Argument werden die Dschihadisten weiterhin zur Rekrutierung verwenden können, denn die geplante militärische Intervention wird nicht dazu beitragen, das Leiden der syrischen Bevölkerung zu vermindern.

Die syrische Zivilgesellschaft als die Leidtragenden

Was die syrische Zivilgesellschaft angeht, werden sie auch in diesem Abschnitt des syrischen Konflikts mit großer Wahrscheinlichkeit die Leidtragenden sein, wenn nicht neben die militärischen Maßnahmen weitere, zivile treten. Die SyrerInnen brauchen nicht mehr Bomben, die auf sie herabfallen. Stattdessen fordern zivile AktivistInnen bereits seit Langem, dass die internationale Gemeinschaft endlich die Fassbomben stoppen solle. Eine entsprechende UN-Resolution gibt es seit über eineinhalb Jahren – doch umgesetzt wird sie bisher weder vom Assad-Regime noch von der internationalen Gemeinschaft.

Wenn die Staaten sich schon entschließen, militärisch in Syrien einzugreifen, dann sollten sie dies wenigstens tun, um die Zivilbevölkerung zu schützen. Dann könnten zivile Initiativen auch besser daran arbeiten, Zukunftsprojekte aufzubauen, die den Dschihadisten die Basis entziehen und es den Menschen ermöglichen, in Syrien bleiben zu können, statt nach Europa fliehen zu müssen. Doch dafür müsste das Bomben verhindert statt intensiviert werden.

Syrische AktivistInnen haben den Friedensaufruf „Planet Syrien“ gestartet. Darin fordern sie ein Ende der Fassbomben sowie echte Friedensverhandlungen. Helfen Sie mit, stärken Sie den Friedensaufruf aus Syrien mit Ihrer Unterschrift!

Syrischen Friedensappell unterzeichnen!

Trotz der drastischen humanitären Lage in Syrien und den anhaltenden Bombenangriffen verschiedener Koalitionen gibt es noch immer AktivistInnen im Land, die sich den schwierigen Bedingungen zum Trotz mit friedlichen zivilen Projekten für eine demokratische Zukunft einsetzen. Unterstützen Sie jetzt die syrische Zivilgesellschaft mit Ihrer Spende!

Jetzt Zivilgesellschaft stärken!

Herzlichen Dank!