Am Wochenende ging der Fastenmonat Ramadan zu Ende – weltweit war dies Anlass für viele MuslimInnen, zu feiern und mit der Familie zusammen zu sein. Besonders aufregend ist dieses Fest für Kinder, oft spielen sie an diesen Tagen die Hauptrolle. In der libanesischen Stadt Saida etwa wurde ein ganzer Platz zu einem einzigen Jahrmarkt für Kinder und Erwachsene umgestaltet. Karussells, Schaukeln und vor allem Süßes wohin man blickt und das wichtigste: eine ausgelassene und fröhliche Stimmung. Einige Hundert Kilometer weiter östlich ist auch das Ende des Ramadan gekommen, aber gibt es dort auch kleine Jahrmärkte mit Schaukeln und Süßem? Wie sieht das Fest des Fastenbrechens in einem Land aus, in dem täglich Bomben vom Himmel fallen und sich verschiedene Gruppen Auseinandersetzungen liefern und sich bekämpfen?
Dass das Ende des Ramadan keine Ausnahme in der allgemeinen Situation Syriens darstellt und für viele Menschen auch einfach kein Grund zu Feiern ist, zeigen etwa auch die Solidaritätsaufrufe aus den kurdischen Gebieten um die jüngsten brutalen Ereignisse in Kobani zu betrauern und aus diesem Grund das Fastenbrechen nicht zu zelebrieren. Ob durch den Terror von ISIS, Fassbomben von Assad oder andere kämpferische Auseinandersetzunge zwischen den einzelnen Gruppen: das Ende des Ramadan stellt für die syrische Bevölkerung keine Pause vom täglichen Geschehen dar. Ich frage einen jungen Syrer aus Aleppo, mit dem Adopt a Revolution seit längerem zusammenarbeitet: Wie sieht das Fastenbrechen bei euch aus?
„Der erste Tag des Eid al-Fitr (Fest des Fastenbrechens) begann in Aleppo mit Bomben und Raketen vom Regime Assad, Zielscheibe waren die Festtagsgebete und die Freude der Kinder in den Vierteln der Stadt und ihrem Umland. Seit sechs Uhr morgens sind seine Flugzeuge von den Flughäfen gestartet um den Leuten und deren Kindern das Fest zu zerstören. Der erste Angriff begann auf die Stadt al-Bab, welche unter der Gewalt von ISIS liegt und wo auf die Gebäude der Stadt und die Häuser der BewohnerInnen gezielt wurde. Hinterlassen wurden fünf Tote und mehr als sechs Verwundete, unter ihnen Frauen. Die Kriegsflugzeuge nahmen heute morgen ebenfalls die Häuser der BewohnerInnen der Stadt Darat Izza im westlichen Umland Aleppos ins Visier und hinterließen hier ebenfalls sechs Tote. Mindestens zehn Personen wurden verwundet und die Angst, welche die Kriegsflugzeuge hinterlassen, hinderte die Kinder daran, ihre Häuser zu verlassen und das Fest zu genießen, zu spielen und sich zu freuen, was ihr Recht gewesen wäre. Ebenso haben die Flugzeuge des Regimes die Stadt Andan und das Dorf Bayanoun im Norden der Provinz Aleppo angegriffen, was viele materielle Schäden zur Folge hatte. Naguib Bakour, der für die zivile Verteidigung im westlichen Umland Aleppos zuständig ist, sagte: ‘Wir sind aufgestanden und während der letzten Tage haben wir einen Arbeitsplan für die Gruppen der zivilen Verteidigung im westlichen Umland Aleppos gemacht. Wir wussten, dass das Regime dies tun und uns Bomben und Zerstörung bringen würde. Wir sind glücklich, wenn wir die Leute beschützen können, denn Sicherheit finden wir nicht beim Regime, welches alles um uns herum bombardiert. Wir arbeiten daran, während des ganzen Eid-Festes einsatzbereit zu sein, damit die Kinder sich freuen und auch in den Gegenden des Regimes spielen können.'”
Auch unser Partner aus Erbin hat kaum etwas zu berichten, dass ansatzweise an die Situation im Libanon erinnern könnte: „Die Kriegsflugzeuge verlassen den Himmel nicht. Am ersten Tag, nach dem Festgebet, gehen wir normalerweise auf den Friedhof um die Märtyrer zu besuchen; dieses Jahr gingen nur wenige aufgrund des Bombardements und der Flugzeuge. Das Bedeutendste aber war, dass es keine Besuche zwischen den Menschen gab. Die Stimmung des Festes war trüb und die Kinder konnten das Haus nicht verlassen und auf der Straße spielen. Um ehrlich zu sein, denke ich, dass das Regime dies beabsichtigt hat. Zuvor war es relativ ruhig gewesen, am ersten Tag des Fastenbrechens jedoch hat das Bombardement begonnen und seitdem nicht mehr aufgehört. Bis jetzt sind 18 Menschen ums Leben gekommen und mehr als 100 wurden verletzt.“
Eine kleine Ausnahme bildet al-Qamishli, wo das Fraternity Center, mit dem Adopt a Revolution zusammen arbeitet, eine kleine Feier für die Kinder der Region veranstaltet hat. Wenn auch nicht die Art von Fest, die sonst für diesen Anlass passend gewesen wäre, so konnten die Kinder doch am Sonntag Abend zusammen tanzen und für einen Moment vielleicht die Umstände in ihrem Land ausblenden. Am Tag zuvor hatten Kinder aus der Stadt Tirbespiyê die Möglichkeit, in dem Büro der Organisation zu feiern.
Und wie sieht es in Zabadani aus? Eine Aktivistin, die aufgrund der Auseinandersetzungen dort nach Madaya geflüchtet ist, schreibt:
“Es gibt keine Eid-Gebete, die den Himmel dieser kleinen Stadt zwischen den Bergen ausfüllen. Es gibt keine Minarette oder Moscheen oder übriggebliebene Häuser. Es ist nichts geblieben außer den Resten der Trümmer und die verstreuten Erinnerungen.
Man hört nichts außer die Geräusche der Verteidiger und das Brummen der Flugzeuge und die Fässer des Hasses, die wie der Regen fallen und das Rattern von Scharfschützen an den Ecken der Stille.
In der Umgebung der Stadt drehen sich die mahlenden Mühlen der Kämpfe weiter und jeden Tag gibt es Neuigkeiten über Tote und Verwundete. Früher sollten die Kinder die Festtagskleider für das Fastenbrechen auf dem Bett vor dem Schlafengehen ordnen und konnten nicht schlafen vor freudiger Aufregung und Begeisterung für den nächsten Tag und nicht wegen dem Geräusch der Angst oder des Schreckens oder des lauernden Tods.
Jetzt gibt es keine neuen Kleidern für dieses Fest und keinen Ort für schöne Rituale, es gibt keinen Geruch nach Kuchen und Kaffee. Es gibt keine Nachbarin, die zu ihrer Nachbarin geht um zusammen die Gräber zu besuchen und dabei Blumen mit sich tragen. Sie machen dies nicht mehr, da der Tod seine Besonderheit verloren hat.
Und Yassir, das kleine Kind, wartet seit dem letzten Jahr auf seinen Vater und wartet, dass er ihm die Geschenke bringt. Er ist dieses Jahr wieder nicht gekommen.
Das ist das Eid in Zabadani.”
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