Der stille Kummer & wachsender Organhandel in Damaskus

Vian Mohammad erzählt auf damascusbureau die Geschichte einer Witwe, deren Mann zum Märtyrer geworden ist. Es geschah am vierten Tag des islamischen Feiertags Eid al-Adha 2013, als er sie und die Kinder zu ihrem Bruder fuhr. Sie hatte keine Ahnung, dass sie nun zum letzten Mal an seiner Seite saß, nach 16 Jahren Ehe mit […]

Vian Mohammad erzählt auf damascusbureau die Geschichte einer Witwe, deren Mann zum Märtyrer geworden ist. Es geschah am vierten Tag des islamischen Feiertags Eid al-Adha 2013, als er sie und die Kinder zu ihrem Bruder fuhr. Sie hatte keine Ahnung, dass sie nun zum letzten Mal an seiner Seite saß, nach 16 Jahren Ehe mit all der Süße und Bitterkeit des Lebens. Beim Aussteigen rief er ihr hinterher, dass sie auf sich selbst und die Kinder Acht geben solle, denn er musste zu einem Freund, etwa 35 km entfernt. Spätestens um Mitternacht sei er wieder da. Als Schmied passierte es öfters, dass er in der Umgebung gebraucht wurde und als leidenschaftlicher Schauspieler ging er Abends meist zu Proben ins Theater. Die Zeit kam, doch von ihrem Mann fehlte jegliche Spur. Sie bat ihren Bruder, sie nach Hause zu fahren, doch dort fand sie eine Menschenmenge in ihrem Haus versammelt, alle mit traurigen Gesichtern und schweigender Miene. Ihr Herz schien sich in ihrer Brust zusammenzuziehen, doch sie sagte nichts und versuchte stumm, ihren Mann zu finden. Eine Frau näherte sich ihr und stellte sich als Vertreterin der Stiftung für Familien von Märtyrern vor, einer Organisation, die von der Partei der Demokratischen Union in Hassakeh unterstützt wird und sich um Verwandte kümmert, deren Angehörige im Konflikt getötet wurden.

Obwohl ihr Mann nichts mit irgendwelchen militärischen Angelegenheiten zu tun hatte, wurde er Opfer eines Anschlages – an einem Checkpoint sprengte sich ein LKW-Fahrer in die Luft, als er ihn überholen wollte. Völlig schockiert kamen ihr die letzten Worte ihres Mannes in den Sinn, nämlich auf sich und den Kindern Acht zu geben. Eine der Frauen legte ein kleines Foto von ihrem Mann um den Hals und versuchte, sie zu trösten. „ Jetzt bist du die Frau eines Märtyrers, es gibt Tausende wie Dich.“

Beri Mohammed beschäftigt auf ARAnews mit dem wachsenden Organhandel in Damaskus. Mit der Verschlechterung der Sicherheitslage haben Entführungen und Menschenhandel in den letzten Monaten zugenommen. Vor allem in der syrischen Hauptstadt ist der Handel mit menschlichen Organen präsenter denn je. So berichtet Nadia Kamal, Mutter eines 8-Jährigen Mädchens im Viertel al-Qadam, dass ihre Tochter Raghad plötzlich verschwand und ihre Suche erfolglos blieb. Erst nach zehn Tagen meldete sich eine unbekannte sowie maskierte Person und übergab ihr das Mädchen – nach einer Untersuchung vom Arzt entdeckten sie, dass ihr eine Niere entfernt wurde. Auch Muhammad Ali aus dem Viertel Rukn al-Din berichtet von ähnlichen Vorfällen in seiner Nachbarschaft. Mehrere Kinder sind plötzlich verschwunden und wurden vor einigen Tagen wieder vor ihren Häusern abgelassen – bei jedem der Kinder fehlte mindestens ein Organ. Dennoch ist der Organhandel in Syrien noch kein Thema bei den humanitären Organisationen oder der UN. Es gibt keine genauen Zahlen über Opfer in dem vom Konflikt zerrissenen Land, sodass Schätzungen über das Ausmaß nur schwierig zu treffen sind. Die überwiegende Mehrheit der syrischen Flüchtlinge sind Frauen und Kinder, welche besonders anfällig für Menschenhandel, Ausbeutung und sexueller Missbrauch sind.

Bana Deeb berichtet auf damascusbureau über Leila und ihren Erfahrungen mit der Revolution. Es geschah am 25. März 2011, als sie ein YouTube-Video von DemonstrantInnen sah und sofort in den Bann der aufkeimenden Revolution gezogen wurde. Leila war ein ruhiges Mädchen aus gutem Elternhause, die Tochter eines syrischen Arztes und einer ausländischen Mutter, die sehr liberal in ihrem Denken ist. Von nun an besuchte sie jede Demonstration im südlichen Bezirk von Latakia, wo zu der Zeit besonders viele Menschen sich der Opposition anschlossen. Frauen waren an der Spitze der Proteste und die täglichen Ereignisse wurden live auf dem arabischen Fernsehsender Al-Jazeera ausgestrahlt. Der Einsatz von scharfer Munition durch Truppen des Regimes begann im Sommer, was den Protesten ein Ende setzte. Ihr Vater, der respektierte Arzt, bekam von einem Geheimdienstagent den Tipp, dass seine Tochter an den Demonstrationen teilnahm. Dieser wollte sie lediglich befragen, doch der Vater befürchtete das schlimmste. Völlig schockiert über den ausgestellten Haftbefehl gegen seine Tochter schickte er sie in den Libanon, damit sie in Sicherheit ist. Leila konnte sich den Willen ihres Vaters nicht widersetzen und reiste aus, konnte ihrem Wunsch nach Rückkehr jedoch nicht widerstehen und fand sich wenig später bei einem Freund in seiner Wohnung wieder. Der Widerstand im Untergrund wurde für sie nun zum einzigen Ziel. Ihr Vater sprach sich gegen die Revolution aus und brach den Kontakt zu ihr ab – dasselbe tat ihre Mutter. Die Lage um Latakia wurde für die Opposition immer bedrohlicher, sodass Leila abermals fliehen musste. Auf ihrer Flucht lernte sie Asad, einen armen, jungen Rebellen kennen und verliebte sich in ihn. Er trat der FSA bei und hielt um ihre Hand an – sie sagte sofort ja. Heute lebt sie in der Türkei und ist Mutter einer kleinen Tochter, die Ehe mit Asad ist völlig intakt. Sie ist weiterhin in mehreren zivilgesellschaftlichen Organisationen aktiv, welche Workshops anbieten und nach alternativen Lösungen suchen. Auf ihr altes Leben angesprochen, wird sie nostalgisch und vermisst das gute, behütete Leben. Jedoch war es die wichtigste Entscheidung in ihrem Leben, sich der Revolution anzuschließen. Sie hat es bis heute nicht bereut.

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