Wafa Mustafa bei ihrer Rede beim Alternativen Ostermarsch

„Die Friedensbewegung hat uns seit Jahren ignoriert“

Die syrische Aktivistin Wafa Mustafa hat beim alternativen Ostermarsch in Berlin abgerechnet: Mit der Friedensbewegung und der Internationalen Gemeinschaft. Wir dokumentieren hier ihre kraftvolle Rede zum Nachlesen und Anschauen.

Wafa Mustafa bei ihrer Rede beim Alternativen Ostermarsch

“Seit der russischen Invasion in der Ukraine verfolgen wir Syrer*innen die Grausamkeiten des Krieges, die das Regime von Wladimir Putin in der Ukraine begeht. Wir sind traurig, aufgelöst und wütend. Wir verfolgen die Nachrichten und sehen die Bilder und Videos der Zerstörungen durch die unrechtmäßigen russischen Angriffe auf Krankenhäuser, Schulen und Wohngebiete in der Ukraine. Die meisten von uns wissen genau, wie es sich anfühlt, von Russland angegriffen und von einem solchen Verbrecherstaat besetzt zu sein.

Russland hält seit Ende September 2015 einen Teil Syriens besetzt und unterstützt das Assad-Regime brutal dabei, um jeden Preis an der Macht zu bleiben. Der Preis dafür sind hunderttausende getötete Menschen, die Inhaftierung und das gewaltsame Verschwinden von mindestens 130.000 Menschen, die Zwangsvertreibung von mehr als der Hälfte der syrischen Bevölkerung und die Zerstörung des Landes, das wir unsere Heimat nennen.

Uns eint der Kampf um Freiheit

Die Ukraine und Syrien teilen nicht nur die Erfahrung russischer Angriffe, sondern uns eint auch der Kampf um Freiheit im Angesicht des Terrors. Sowohl wir Syrer*innen als auch die Ukrainer*innen haben hart dafür gekämpft und es gewagt, von einem besseren Leben für sich, für ihre Kinder und für die Menschheit zu träumen.

Syrien war ein Testgelände für das russische Militär und griff mit international geächteten Waffen zivile Einrichtungen an wie Krankenhäuser, Schulen und Märkte. In den vergangenen Jahren haben wir Syrer*innen die Internationale Gemeinschaft, Politiker*innen und Regierungen vor einer Normalisierung der diplomatischen Beziehungen mit dem von Russland unterstützten Assad-Regime gewarnt. Aber niemand hat auf uns gehört!

Wir haben unmissverständlich klargemacht: Wenn Assad und Russland mit ihren Verbrechen ungeschoren davonkommen, ist dies eine Einladung an beide verbrecherischen Regime und an alle Diktatoren weltweit, Menschen zu töten und Länder zu zerstören – und trotzdem straffrei zu bleiben.

Wenn Verbrecher ungeschoren davonkommen, hören die Verbrechen nie auf

Wir wissen sehr gut, dass die Dinge in der Ukraine vermutlich anders gelaufen wären, wenn der Westen sich entschlossen gegen Putins Verbrechen in Syrien gestellt hätte.

Die deutsche Regierung ist wie alle anderen Regierungen für die Situation in der Ukraine und in Syrien mitverantwortlich. Die Tragödie, die sich heute in der Ukraine abspielt, hätte verhindert werden können, wenn die Internationale Gemeinschaft die russische Intervention in Syrien gestoppt hätte und nicht zugelassen hätte, dass Assad und seine Verbündeten gegen jedes Recht verstoßen und trotzdem ungestraft davonkommen.

Wirklicher Frieden sowohl in Syrien als auch in der Ukraine kann auf keinen Fall erreicht werden, wenn nicht Syrer*innen und Ukrainer*innen dabei im Mittelpunkt stehen und die Führung übernehmen. Wir sind die Bürger*innen dieser Länder und wir sind die Opfer dieser kriminellen Regierungen und ihrer brutalen Kriege. Trotzdem hat die Friedensbewegung unsere Stimmen seit Jahren bewusst ignoriert – und sich damit entfernt vom Frieden oder zumindest von der Beendigung von Kriegen.

Nicht zuschauen, sondern Solidarität leisten!

Solche Bewegungen wollen, dass ihre Regierungen sich nicht einmischen und dem Töten und den Kriegsverbrechen in Syrien, in der Ukraine und an vielen anderen Orten einfach zusehen. Aber:

  • Es kann keinen Frieden geben, wenn man die schrecklichen Verbrechen ignoriert, die Russland in der Ukraine und in Syrien begangen hat und immer noch begeht!
  • Es kann keinen Frieden geben, wenn Russland und Diktatoren wie Assad und ihr andauernder Krieg gegen die Zivilbevölkerung nicht gestoppt werden!
  • Es kann keinen Frieden geben, wenn wir nicht sicherstellen, dass alle Kriegsverbrecher für ihre Verbrechen zur Rechenschaft gezogen werden!

Der einzige Weg zum Frieden ist Gerechtigkeit. Der einzige Weg zu Veränderung und Freiheit ist Solidarität. Es gibt keine andere Möglichkeit für Syrer*innen, Ukrainer*innen und für uns alle, als sich gegenseitig zu unterstützen und gemeinsam zu kämpfen.

Der Umbruch ist unvermeidlich und der Weg dorthin ist noch weit.

Alleine erreichen wir wenig, aber gemeinsam können wir viel bewirken.

Slava Ukraine und für ein freies Syrien!”