„Die Geberländer können und müssen auch ohne UN-Mandat humanitäre Hilfe leisten“

Der UN-Sicherheitsrat konnte sich auf keine Verlängerung der grenzüberschreitenden Hilfslieferungen aus der Türkei nach Nordwestsyrien einigen. Der lebenswichtige Versorgungsweg für über vier Millionen Menschen ist damit abgeschnitten. Die deutsch-syrische Menschenrechtsorganisation Adopt a Revolution fordert deshalb, Hilfslieferungen auch ohne UN-Mandat sicherzustellen.

Über vier Millionen Menschen sind im Nordwesten Syriens unmittelbar auf humanitäre Hilfe angewiesen. Seit den Erdbeben Anfang Februar hat sich die Situation der Bevölkerung noch einmal massiv verschärft. Jedes Jahr ringen die Vereinten Nationen im UN-Sicherheitsrat um eine Verlängerung der UN-Resolution 2165. Diese stellt die Grundlage für grenzüberschreitende UN-Hilfe nach Nordsyrien dar. In den vergangenen Jahren sorgte der Verbündete des syrischen Assad-Regimes, Russland, dafür, dass immer mehr Grenzübergänge für die Hilfslieferungen geschlossen wurden. Zuletzt blieb der Grenzübergang Bab al-Hawa als einziger Zugang übrig. Nun ist auch dieser für die Hilfslieferungen geschlossen, im UN-Sicherheitsrat konnte sich bis zum Auslaufen der Resolution am Montag auf keine Verlängerung geeinigt werden.

„Die Menschen brauchen jetzt eine Lösung, das Ausbleiben von Hilfslieferungen aufgrund des russischen Vetos im UN-Sicherheitsrat bringt Millionen Menschen in akute Lebensgefahr. Es ist wichtig, aber nicht ausreichend, sich jetzt weiter für einen Kompromiss mit Russland anzustrengen. Die Geberländer sind in der Pflicht schnell und unbürokratisch die Hilfslieferungen über die türkische Grenze aufrechtzuerhalten“, erklärt Svenja Borgschulte, Pressesprecherin der deutsch-syrischen Menschenrechtsorganisation Adopt a Revolution.


Das Nichthandeln der UN bringt Millionen Menschen wissentlich in Gefahr

Das Scheitern der UN-Resolution war nur eine Frage der Zeit. Russland hat in den vergangenen Jahren immer wieder deutlich gemacht, dass es keine Notwendigkeit für direkte Hilfslieferungen sieht. Putin will mit seinem Veto im UN-Sicherheitsrat die Abwicklung der UN-Hilfe über Damaskus erzwingen. Für die bedürftigen Menschen in Nordwestsyrien wäre das gleichbedeutend mit einem Stopp der Hilfslieferungen – bei ihnen käme nichts davon an.

Deshalb fordert Adopt a Revolution die Geberländer mit Nachdruck dazu auf, auch eine langfristige Lösung zu finden, um den Menschen ein Mindestmaß an Versorgungssicherheit zu gewährleisten. „Die Geberländer haben sich wissentlich auf temporären Verhandlungserfolgen ausgeruht, anstatt echte Alternativen aufzubauen. Es braucht völkerrechtlich kein UN-Mandat, um humanitäre Hilfe vor Ort zu leisten, die auch ankommt“, mahnt Borgschulte.


Konkret fordert Adopt a Revolution die Geberländer, darunter die deutsche Bundesregierung, auf, Hilfslieferungen auch ohne UN-Mandat über den Grenzübergang Bab Al-Hawa und weitere in den Norden Syriens zu bringen. Gleichzeitig soll die Syrien-Hilfe von der UN entkoppelt und stattdessen direkt lokale humanitäre Hilfsorganisationen unterstützt werden. Denn diese verfügen über ausgeprägte Kenntnisse der lokalen Gegebenheiten und haben einen direkten Zugang zu den Hilfsbedürftigen. Anstatt diese in die Planung und Durchführung von humanitären Maßnahmen einzubeziehen, ist bei ihnen in den letzten Jahren und Monaten aber immer weniger Geld angekommen.   

Es gibt zwar noch eine kleine Hoffnung, dass es in den nächsten Tagen in Nachverhandlungen zu einer Einigung mit Russland kommt. Darauf darf sich die UN dann aber nicht ausruhen. „Es ist gerade deutlicher denn je geworden, dass es alternative Wege für humanitäre Hilfe braucht. Die Strukturen dafür müssen bereits heute aufgebaut werden, damit sie im Ernstfall greifen“, betont Borgschulte.


Adopt a Revolution vermittelt Ihnen gerne Interviews mit und Zitate von Projektpartner*innen aus den betroffenen Regionen!