Unterdrückung und Gewalt: Die prekäre Lage von Frauen-Organisationen in NWS

Aktivistinnen, die sich für die Rechte von Frauen einsetzen, werden in Nordwestsyrien bedroht und sogar angegriffen. Dazu behindern lokale Behörden ihre Arbeit auf administrativer Ebene. Syrians for Truth and Justice beleuchten die schwierige Realität.

Sie werden mit sexualisierter Gewalt oder Mord bedroht – on- und offline. Die Einschüchterungsversuche gegen Frauen, die sich in Nordwestsyrien zivilgesellschaftlich engagieren, gehen oft bis zum Äußersten. Frauenorganisationen arbeiten dort in einem vorwiegend feindlichen Klima ihnen gegenüber und erfahren vielschichtige Unterdrückung. Die Tragweite legte Syrians for Truth and Justice (STJ), eine Partnerorganisation von Adopt a Revolution, in einem jüngst veröffentlichten Report dar. Sie befragten dazu 19 Frauen, die aktivistisch, humanitär oder journalistisch zu Frauenthemen arbeiten.

Ihr Engagement ist dringend nötig. Denn Frauen sind vom anhaltenden Krieg und den Folgen der Erdbeben in der Region überproportional betroffen. Sie leben oft in finanzieller Not. Töchter aus Familien, die unter extremer Armut leiden, werden früh aus der Schule genommen und verheiratet. Auch die Arbeitslosenrate unter Frauen ist hoch. Eine Befragung der privaten Zivilschutzorganisation Weißhelme von 2023 in Nordwestsyrien ergab, dass nur 29 Prozent der Teilnehmerinnen beschäftigt waren. Befragt wurden mehr als 1.700 Frauen.

Frauen in Nordwestsyrien sind Hassreden, Belästigungen, Einschüchterungen und Anstiftung zur Gewalt durch Autoritäten ausgesetzt. Diese nutzen soziale Medien, Moscheen und andere öffentliche Räume, um ihre Propaganda und Ideologie zu verbreiten.

Rechtsanwältin in Idlib, anonym

Seitens der Behörden gibt es kaum Verständnis für die finanzielle Not vieler Frauen. Genauso ernsthafte Bemühungen, Ungleichheit zu bekämpfen, Bedingungen zu verbessern oder gar Frauenrechte zu stärken.

Im Schatten der Autoritäten

Frauenorganisationen, die an der Situation etwas ändern wollen, sind Hass, Belästigung und Drohungen ausgesetzt. Dazu gehören u. a. Angriffe auf ihre Standorte und öffentliche Diffamierung von Mitarbeitenden seitens religiöser Führer. Viele Frauenorganisationen arbeiten deshalb im Verborgenen. Denn Schutz durch die Autoritäten gibt es nicht. Im Gegenteil: Frauenorganisationen sind starken Repressionen ausgesetzt. In Idlib durch die dschihadistische Miliz Hai’at Tahrir al-Sham (HTS) und in Afrin durch das von der Türkei finanzierte syrische Milizenbündnis Syrian National Army  (SNA). Auch digitale Gewalt ist verbreitet. Die patriarchalen gesellschaftlichen Strukturen schaffen den perfekten Nährboden dafür. 

Hinzu kommt, dass Behörden den Zugang zu Ressourcen einschränken oder sogar verweigern. Die HTS erhebt z. B. hohe Kosten für die Genehmigung von Projekten und Aktivitäten, welche die Situation von Frauen verbessern sollen. Manche Frauenorganisationen bekommen nicht einmal eine offizielle Zulassung, obwohl sie aktiv sind. Das verkompliziert den Erhalt von Spendengeldern und macht es sogar unmöglich, Verträge mit Spender*innen abzuschließen. 

Auf der anderen Seite wiederum stehen unrealistische Vorstellungen von Geldgeber*innen. Mehrere der befragten Aktivistinnen gaben an, dass diese bestimmte Programme umgesetzt sehen möchten, die wenig Impact oder nicht durchführbar sind. Auch das schränkt die Möglichkeit von Frauenorganisationen ein, die wirklichen Bedürfnisse der Frauen in der Region zu adressieren.

Es gibt nicht genügend Organisationen, die sich um die Bedürfnisse von Frauen und Mädchen ab 16 Jahren in Syrien kümmern. Diese sehen sich immer noch mit zahlreichen Herausforderungen konfrontiert wie Armut, Analphabetismus, Vertreibung, Gewalt und Diskriminierung.

Syrische Journalistin, anonym

Der STJ-Bericht schließt mit klaren Empfehlungen an die Behörden, die internationale Gemeinschaft und die Zivilgesellschaft. Gefordert wird die Schaffung sicherer Räume für Frauen, die Abschaffung repressiver Gesetze, die Sicherstellung von Frauenrechten, die Beteiligung von Frauen an Institutionen und die Sicherung nachhaltiger Finanzierung. Die Hoffnung bleibt, dass die internationale Gemeinschaft und die Zivilgesellschaft zusammenarbeiten, um die Situation von Frauen in Nordwestsyrien zu verbessern und die Unterdrückung zu beenden.


Im Rahmen der von uns geförderten Projekte unterstützen wir unsere Partner*innen dabei, ihre eigenen Konzepte und Vorhaben zu realisieren, weil sie den Bedarf, die Bedingungen und die damit verbundenen Herausforderungen vor Ort am besten kennen.