Protest in Berlin. Foto: Jib Collective

Freiheit oder Tyrannei

Syrien heute – das sind apokalyptische Bilder, ein gescheiterter Aufstand und das Comeback autoritärer Führer wie Putin, Erdogan und Trump. Was tun? Die Antwort kann nur sein: Solidarität mit jenen, die für Selbstbestimmung streiten.

Protest in Berlin. Foto: Jib Collective

+++ Dieser Artikel stammt aus unserer neuen Zeitung +++

Von Tunesien aus verbreitete sich der arabische Frühling wie ein Lauffeuer: Ob Libyen, Ägypten, Jemen oder Syrien – Hundertausende trugen ihren Protest gegen die verknöcherten autoritären Regime auf die Straße. In der Hoffnung auf Freiheit, Partizipation und Selbstbestimmung. Gerade einmal sechs Jahre sind seitdem vergangen.

Vor dem Hintergrund der apokalyptischen Bilder, die uns heute von dort erreichen, erscheint dieser hoffnungsvolle Aufbruch wie aus einer anderen Zeit. Jeden Tag erfahren wir, wie in Aleppo, Idlib oder den Vororten von Damaskus die Bomben einschlagen, wie täglich Menschen in den Trümmern ihrer Häuser sterben, wie ihnen die letzten Nahrungsreserven ausgehen, es an Medikamenten fehlt und ein Krankenhaus nach dem anderen gezielt zerstört wird.

Aus einem Konflikt zwischen dem syrischen Regime und großen Teilen der Bevölkerung ist längst ein internationalisierter Krieg mit einer Unzahl bewaffneter Gruppen geworden. Die Ideen, für die die Menschen im März 2011 auf die Straße gegangen waren, scheinen genauso ausgelöscht wie ganze Stadtteile Aleppos.

Jahrelang haben die EU und die USA fast tatenlos zugesehen
Nicht minder düster stimmt der Blick auf die internationale Ebene: Auf Seiten des Despoten Assad
lässt Russlands Präsident Wladimir Putin seit September 2015 unerbittlich Luftangriffe in Syrienfliegen – ohne Rücksicht auf zivile Opfer. Derweilen geht der türkische Präsident Erdogan mit Massenverhaftungen gegen jede Form demokratischer Strukturen vor – nicht nur im eigenen Land: Mit ihrem Einmarsch in Nordsyrien im Sommer 2016 versucht die Türkei im Einvernehmen mit Russland dem noch jungen Projekt einer kurdischen Selbstverwaltung den Garaus zu machen. Jahrelang haben die EU und die USA fast tatenlos zugesehen, wie in Syrien allen voran diejenigen massakriert wurden, die sich für universelle Werte der Humanität einsetzten.

Der künftige US-Präsident Donald Trump und auch François Fillon, der wahrscheinliche Präsidentschaftskandidat der französischen Konservativen, gehen noch eine Schritt weiter – genauso wie in Deutschland die AfD, Teile der Linkspartei und einige Repräsentanten der Sozialdemokratie: Ungeniert loben sie Russlands Präsidenten Putin, einen anti-demokratischen, autoritären Herrscher, dessen Bombardements in Syrien selbst UN-Generalsekretär Ban Ki-Moon als barbarisch bezeichnet.

Während Ärzte ohne Grenzen das russisch-syrische Bombardement in Syrien als das Ende der Humanität bezeichnen, wird die unfassbare Gewalt des Assad-Regimes und seiner Verbündeten von Teilen unserer Gesellschaft billigend in Kauf genommen, wenn nicht legitimiert oder gar gelobt. Die Rückkehr der autoritären Herrscher und ihrer Politik der nackten Gewalt prägt viele Konflikte der Gegenwart. In Syrien wird sie auf abscheuliche Weise sichtbar. Können wir vor dem Hintergrund dieser unheimlichen Allianzen und des alltäglichen Grauens in Syrien überhaupt noch etwas tun?

Aleppo
Aleppo

Menschlichkeit darf nicht zur naiven Worthülse verkommen
An zynischen Optionen mangelt es nicht. Wegschauen wäre eine Option. Eine andere wäre es, auf die Gewalt der starken Männer von Trump über Putin bis Erdogan und Assad zu setzten, bis jede Alternative zu Diktatur und Despotismus in Grund und Boden gebombt ist. Wer aber den Rückfall in das Zeitalter autoritärer Herrscher nicht akzeptieren will, für den gibt es nur eine Antwort: sich klar auf die Seite derjenigen zu stellen, die sich für Gerechtigkeit, Freiheit und Menschenwürde einsetzen. Mit Blick auf Syrien bedeutet dies jenen Menschen beizustehen, die sich inmitten der Bombardements, inmitten des Terrors und aller anderen Entbehrungen weiterhin für eine friedliche und demokratische Gesellschaft einsetzen, ihrer Marginalisierung zum Trotz. Den Menschen, die in bombensicheren Kellern Schulunterricht organisieren, der nicht zum Hass, sondern zum Frieden erzieht. Die in zivilgesellschaftlichen Zentren Menschen verschiedener Konfessionen an einen Tisch bringen. Die Kriegsverbrechen dokumentieren, Menschenrechtsverletzungen anprangern und gewaltfreien Widerstand leisten gegen Diktatur und Dschihadismus.

Die Auseinandersetzungen in Syrien um demokratische Mitbestimmung und Tyrannei haben die Welt schon jetzt verändert. Anstatt sich angesichts der zerbombten Humanität in Aleppo und der neuen autoritären Allianzen in Fatalismus zu ergehen, müssen wir unsere Solidarität mit den Menschen in Syrien zeigen und gleichzeitig hierzulande zur Verteidigung humanitärer Werte zurückkehren. Ein erster Schritt wäre, den autoritären Politikstil der Assads, Erdogans und Putins vehement zurückzuweisen und ihre Verbrechen klar beim Namen zu nennen – damit Menschlichkeit nicht mehr als naive Worthülse abgetan werden kann.

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