FSA-Kämpfer versus Dschihadisten – Was kommt nach dem Regime? – Netzschau Syrien 18. September

Die Medien konzentrieren ihre Berichterstattung aktuell auf den militärischen Aspekt der syrischen Revolution. The Arab Digest verlinkte gestern ein Video, das zum ersten Mal saudische Kämpfer bei der Befreiung eines syrischen Orts zeigen soll. Das Video stammt wohl aus dem Nordosten Syriens um Ar-Raqqa. Die Kämpfer halten die syrische Befreiungsflagge hoch. Dass Syrer über das […]

Die Medien konzentrieren ihre Berichterstattung aktuell auf den militärischen Aspekt der syrischen Revolution. The Arab Digest verlinkte gestern ein Video, das zum ersten Mal saudische Kämpfer bei der Befreiung eines syrischen Orts zeigen soll. Das Video stammt wohl aus dem Nordosten Syriens um Ar-Raqqa. Die Kämpfer halten die syrische Befreiungsflagge hoch.

Dass Syrer über das Ausmaß der von außen einsickernden Kämpfer beunruhigt sind und sich um den Fortlauf ihrer Revolution sorgen, zeigt ein Bericht von Mani aus Latamneh. Nach mehreren Massakern durch Assads Kräfte sind die Bewohner zur Selbstverteidigung übergegangen. Sie kämpfen gegen Assad und fühlen sich von der Welt und Exil-Opposition alleingelassen. Obwohl sie selbst keinen friedlichen Widerstand mehr ausüben, ängstigt sie das Vorgehen und die Intention der ausländischen Kräfte. Das Video bringt zum Ausdruck: „The Syrian town caught between Assad and al-Qaeda“. Channel4 zeigt ebenfalls eine kurze Diskussion über Manis Bericht.

Ein Bericht von Paul Wood für die BBC aus Aleppo zeigt die Auswirkungen des bewaffneten Konflikts auf die dortige Zivilbevölkerung. Das Bombardieren von Wohngebieten findet weiterhin statt; Bewohner geraten in die Schusslinie zwischen FSA und syrischer Armee. Die FSA fühlt sich auch in Aleppo im Stich gelassen. Die syrische Bevölkerung trägt überall die Folgen des Unvermögens der Weltgemeinschaft, sich um Syrien der Syrer willen zu widmen – anstatt die eigenen weltpolitischen Eitelkeiten zu pflegen.

Dominique Moïsi schreibt in der Welt, die internationale Gemeinschaft dürfe sich nicht mehr verstecken. Er vergleicht Syrien mit dem spanischen Bürgerkrieg. Während der Ruf nach einer Intervention kritisch zu sehen ist, stellt der Artikel dar, wie es zur bisherigen Politik des Zuschauens kam.

Joshua Landis widerspricht diese Woche Analysten, die einen Zerfall von Assads Armee vorhersagen. Er meint, dass Assad eine weitere Libanisierung des Konflikts betreiben wird. Als Basis könnte dabei die Küstenprovinz um Lattakia dienen. Landis meint jedoch: „If Sunni Arab rebels manage to unify or if foreign powers intervene directly, the survival of Assad’s military is unlikely.“ Eine Lesermail erwähnt die Gründung von Milizen im Küstengebiet, gesponsort von Assads Cousin Rami Makhlouf (der reichste Mann Syriens, der bislang Syriens Wirtschaft dominiert). Die Autorin schreibt: „There are so many of my friends who have had dear Alawi friends, and they had to watch those friends become soldiers who kill their fellow Syrians. It’s not easy, especially when those friends die. You just don’t know how to feel.“

In einem Interview mit dem Freitag äußert sich Volker Perthes über die Aussichten für Syrien derzeit und nach einem Ende des Regimes Assad, das er für unausweichlich hält. Der Abnutzungszustand des Regimes kann u.a. durch ein Abspringen von Assads Partnern beschleunigt werden. Er hält eine diplomatische Lösung noch für möglich. U.a. zentral dafür:

„Den heute noch etwa 15 Prozent der Bevölkerung, die mehr oder weniger überzeugt hinter dem Regime stehen, muss man sagen: Auch für euch gibt es im Syrien der Zukunft einen Platz. Und den etwa 40 Prozent der Bevölkerung, die Angst haben vor Chaos, vor einem Absturz in den Bürgerkrieg: Es gibt eine Zukunft nach dem Regime. Daran müssen sich alle beteiligen, die heute Einfluss in Syrien haben. Auch Russland und Iran.“

Notizen aus Syrien: Laut einer Facebook-Seite hat der Libanon die syrischen Palästinenser aufgefordert, Libanon binnen eines Monats zu verlassen. Die gleiche Seite enthält einen Bericht über „Life and death in Yarmouk camp“. Hier war am Wochenende zu lesen, dass die Universität Damaskus ca. ein Dutzend Studenten aufgrund ihrer politischen Aktivität exmatrikuliert hat. Sie sind fortan an allen Unis Syriens – privat oder staatlich – vom Studieren ausgeschlossen.

Weitere Nachrichten: Nachdem Iran erst am Wochenende offiziell eingestanden hatte, dass Revolutionsgarden in Syrien vor Ort seien, wurde dies am Montag sogleich vom Außenministerium dementiert. Es heißt, Äußerungen seien „teilweise falsch“ wiedergegeben worden. Derweil sollen syrische Geschäftsleute ein Kopfgeld von 25 Millionen Dollar auf Assad ausgelobt haben. Es ist unklar, ob der Bericht stimmt. Lakhdar Brahimi besucht heute ein syrisches Flüchtlingslager in der türkischen Provinz Hatay.

Das Schweizer Fernsehen bietet einen ausführlichen Bericht über die mögliche Aufnahme von 40 syrischen Kontingentsflüchtlingen des UNHCR in der Schweiz. Der Wille, syrischen Flüchtlingen akut und außertourig zu helfen, ist bei unseren schweizerischen Nachbarn kaum größer als in Deutschland. Philipp Müller von der FDP: „Syrer haben wir ohnehin von selbst.“ Auch die Schweiz verzeichnet zuletzt einen Anstieg an syrischen Flüchtlingen – 130 Gesuche wurden im August 2012 verzeichnet. Im gleichen Zeitraum verließen 100.000 Syrer ihr Land. Klingt nicht, als würde die Schweiz derzeit „überrannt“.

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