Wie die Welt berichtet, trifft sich am heutigen Freitag der UN-Sondergesandte Brahimi erneut mit Vertretern Russlands und der USA. Ob dieses Treffen Erfolge erzielen wird, bleibt bei der unterschiedlichen Haltung der beiden Staaten zu Syrien fraglich. Währenddessen soll sich Brahimi laut ORF zum ersten Mal rhetorisch von Assad distanziert haben: Assad werde nicht Teil einer syrischen Übergangsregierung sein. Die Rede Assads sei ausgrenzend und kompromisslos gewesen. Brahimi soll gar gesagt haben, Assads Rede sei sektiererisch – was er allerdings zurücknahm.
Am Mittwoch fand der erste Gefangenenaustausch zwischen syrischem Regime und der Opposition statt (siehe FAZ). Man könnte annehmen, dabei würden syrische Gefangene der einen Seite mit denen der anderen ausgetauscht. Weit gefehlt: Das syrische Regime lässt 2130 Gefangene frei, um im Gegenzug 48 gekidnappten Iranern zur Freiheit zu verhelfen. Für die Opposition zeigt sich hiermit erneut, wie wenig Wertschätzung der Staat seinen Bürgern entgegenbringt. Für Beobachter ist der Austausch ein Zeichen, dass Verhandlungen zwischen den syrischen Konfliktparteien möglich sind. Etwas bizarr: Vermittelt haben u.a. Qatar und die Türkei, die sonst vom Regime als Teile der internationalen Verschwörung gegen Syrien ausgemacht werden. Freikamen am Mittwoch auch die „Bräute von Damaskus“ sowie der Aktivist Zaidoun al-Zoabi, über den Anderson Cooper bei CNN erneut berichtete. Unklar bleibt, ob wirklich alle 2130 Gefangenen schon freigelassen wurden, wie Greenpeace erwähnt.
Diese Woche tobten Stürme, schwere Regen- und sogar Schneefälle in Nahost. Besonders betroffen hiervon sind die Flüchtlinge in Syrien und den Nachbarstaaten. Erschütternd ist die Lage erneut im Zaatari-Camp in Jordanien: Das Camp ist in Teilen überflutet, viele Zelte vom Sturm zerstört. Wie die New York Times berichtet, ist dort diese Woche ein Flüchtling aufgrund der schlechten Bedingungen gestorben. Es soll zu Protesten im Camp gekommen sein. Über die Not der Flüchtlinge schreibt auch die Frankfurter Rundschau. Die Arabische Liga wird nun zum ersten Mal über Flüchtlingshilfe beraten – auf Antrag Libanons. Durch die Präsenz islamistischer Brigaden in Syrien geht derzeit aus Angst vor Fehlleiten der Spenden wenig Hilfe ein, obwohl die humanitäre Not enorm ist.
Wie CNN berichtet, ist auf Seiten der FSA der Sohn eines syrischen Ministers im Kampf gestorben. Dies zeigt die Risse über die politische Lage innerhalb von Familien. Der Minister Mohammad Turki al-Sayyed scheint vom Tod seines Sohnes nicht erschüttert, nennt ihn einen Terroristen und verstößt ihn: “’When it comes to choosing between terrorism and the homeland, the minister always chose the homeland and disavowing himself from everyone who wants to stir evil in the nation even if it was his own son.’”
Marlin Dick schreibt für den libanesischen Daily Star über die Provinz Suwaida. Die von Drusen bewohnte Region in Südsyrien liegt direkt neben der Provinz Daraa/Hauran, in der die Revolution begann. Suwaida ist bislang recht ruhig geblieben, dass es aber auch dort revolutionäre Aktivität gibt, schildert der Artikel. Zudem beherbergt die Stadt 15.000 Flüchtlinge v.a. aus der Provinz Daraa. Spannungen zwischen Daraa und Suwaida werden oft herbeigeredet, die Solidarität zwischen den Bewohnern scheint aber zu bestehen. Die Stadt Suwaida sei wohl gespalten in pro- und anti-Regime-Anhänger, durch die Erfolge der Opposition und FSA könnte sich dies aber verändern. Der Artikel gibt detaillierten Einblick in eine medial sehr unterrepräsentierte Region Syriens. Das Komitee Suwaida (hier der letzte Bericht) wird gefördert von Adopt a Revolution.
Über die Rolle der Frauen in Syrien und der Revolution schreiben die syrische Journalistin Rula Asad und Kawa Hassan für HIVOS. Den Artikel kann man sich hier herunterladen. Die Autoren führen an, dass Frauen in der Revolution von Beginn an sehr aktiv waren, durch die Gewalteskalation aber von den Straßen verdrängt wurden. Leider sei eine männliche Machokultur wieder aufgekommen. Zudem führen Gewalttaten an Frauen wie Vergewaltigung weiterhin zur Stigmatisierung syrischer Frauen in Gesellschaft und Familie. Mittlerweile hat sich der Aktionismus syrischer Frauen stark auf das Internet und soziale Medien verlagert. Leider sind Frauen in den politischen Organisationen weiterhin stark marginalisiert. Die Autoren plädieren daher: ein dramatischer Wandel für die syrischen Frauen müsse jetzt erfolgen. Dafür bedarf es auch der aktiven Hilfe westlicher Akteure für Projekte, die sich aktiv für Frauenrechte einsetzen.
Joshua Landis hat in seinem Blog Syria Comment aktuell zwei Artikel zur Frage einer Oppositionsübergangsregierung verlinkt. Ein Artikel stammt von Radwan Ziadeh, einem syrischen Exilpolitiker, der andere von Frederic C. Hof, einem US-Analysten. Letzterer argumentiert: „Forming a Syrian Opposition Government: The Time is now“.
Die FAZ hat ein Interview mit dem libanesischen Politiker Michel Aoun geführt. Der christliche Politiker ist seit einigen Jahren mit der Hisbollah verbündet und Assad-loyal, was erstaunlich ist, da er früher vor Hafez al-Assad aus dem Libanon floh. Aoun hält die arabischen Revolutionen katastrophal für die freiheitlichen Kräfte der Region. Nach dem Sturz Assads kann für ihn nur eins kommen: die Herrschaft der Islamisten. Einen Dialog mit Assad hält er für unausweichlich, dessen Friedensbemühungen sieht er als ehrlich und fair an. Aouns Einschätzung Assads und Syriens ist abenteuerlich: „Obwohl er allein gegen die ganze Welt kämpft, gegen Amerika, die Ölstaaten, die Macht des Geldes, hat er bis heute widerstanden. Zurzeit jedenfalls ist Syrien näher an der Demokratie als alle anderen Länder in der Region, die von sich behaupten, die Menschenrechte zu verteidigen.“
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