Das Jagarkhwin Center ist eines der Zentren für Zivilgesellschaft in Syrien, welches von Adopt a Revolution unterstützt wird. Inmitten von Krieg und Zerstörung schaffen diese einen Raum zur Gestaltung einer zukünftigen friedlichen und demokratischen Gesellschaft und bieten einen Hoffnungsschimmer für die zivile Bevölkerung.
Die Stadt Tell Tamer liegt zwischen der türkischen und irakischen Grenze am Fluss Chabur, nicht weit entfernt von der Stadt Kobanî, die durch heftige Auseinandersetzungen zwischen Kurden und IS-Kämpfern bekannt wurde. Dort leben vor Allem Kurden, aber auch Araber und assyrische Christen. Viele von ihnen sind geflüchtet. Um Tell Tamer toben seit einigen Monaten heftige Kämpfe gegen die ISIS.
Das Gebiet wird weitläufig von der IS-Terrormiliz belagert. Bei Tell Tamer und weiteren Orten entlang des Flusses Chabur handelt es sich für die ISIS um strategisch wichtige Gebiete, die zur Einnahme der Stadt Al-Hasaka führen sollen. Ende Februar 2015 wurden laut European Syriac Union (ESU) 350 bis 400 Christen aus den umliegenden Dörfern entführt. Darunter waren Männer, Frauen und Kinder. Bei bewaffneten Auseinandersetzungen starb u.a. die 19-jährige Ivana Hofmann, die als erste deutsche und erste ausländische Frau gilt, die im Kampf gegen die IS gefallen ist.
Der aus Tell Tamer stammende Psychologe Idris Abdallah arbeitete zwei Jahre lang für das Jagarkhwin Center, ehe der Krieg ihn zur Flucht zwang. Seit etwa sechs Monaten lebt er nun in Deutschland. In einem Interview erzählt er von der Arbeit im Zentrum und vom Ausnahmezustand in seiner Heimatstadt.
Adopt a Revolution: Wie und Wann ist das Jagarkhwin-Center entstanden?
Idris: Das zivilgesellschaftliche Zentrum Jagarkhwin wurde Ende des Jahres 2012 von einer Gruppe junger Leute gegründet, die sich für kulturelle Aktivitäten interessieren und persönlich dafür einsetzen.
AaR: Wie sah eure Arbeit im Zentrum aus? Wie habt ihr mit der zivilen Bevölkerung interagiert?
Idris: Das Zentrum sollte den kulturellen Austausch zwischen den verschiedenen EinwohnerInnen der Stadt ermöglichen und ein friedliches Zusammenleben in der Region fördern. Besondere Aufmerksamkeit für die kulturelle Situation wird durch Debattierclubs erreicht, in denen das Konzept der Zivilgesellschaft zum Thema gemacht wird. Außerdem wird kostenlose Bildung für SchülerInnen aus verschiedenen Stufen bereitgestellt sowie für Kinder der ersten Klassen. Wir unterrichten einige Sprachen, etwa Englisch, Kurdisch und Französisch und die LehrerInnen sind zum Teil selbst Mitglieder des Zentrums. Am Ende jedes „Schuljahres“ gibt es eine Auszeichnung für die SchülerInnen und ihnen wird ein Zeugnis überreicht. Die Arbeit des Zentrums ist aufgeteilt in verschiedene Bereich. Es gibt, wie schon angesprochen, den kulturellen Bereich mit den Diskussionsrunden und -clubs, dann den künstlerischen Bereich mit Musik und Theater und zusätzlich dazu den medizinischen Bereich.
Hier wirken ebenfalls Mitglieder des Jagarkhwin-Zentrums persönlich mit und bilden ca. 15 KrankenpflegerInnen in einem gezielten Programm dafür aus. Das Jagarkhwin-Zentrum ist bislang das einzige in Tell Tamer und der Region, welches sich für Kultur, Kunst, Bildung und Gesundheit engagiert. Trotz der vielen Schwierigkeiten, denen wir gegenüberstehen, wie der materiellen Knappheit, der fehlenden Ressourcen für den Unterricht etc.
AaR: Wie beeinflusst ISIS das Leben in Tell Tamer? Was hat dich dazu veranlasst, Syrien zu verlassen und nach Deutschland zu kommen?
Idris: Das Zentrum führt seine Aktivitäten trotz der mangelnden Möglichkeiten fort. Nach dem Angriff von ISIS auf Tell Tamer sind viele EinwohnerInnen in die ländliche Umgebung geflohen, daher haben wir den Sitz des Zentrums nach Al-Mutasalta verlegt um mit der Arbeit fortfahren zu können. Nach dem Umzug haben wir zwei kostenlose medizinische Kampagnen durchgeführt, in denen unter der Aufsicht spezialisierter Ärzte eine mobile Stationen errichtet wurde, welche die Dörfer besuchte. Im Rahmen dieser Kampagne konnten wir 16 Dörfer besuchen, welche von Arabern, Kurden und Assyrern bewohnt waren. Es konnten mehr als 550 kranke Personen untersucht und Medikamente bereit gestellt werden, an denen es vor Ort mangelt.
AaR: Wird die Arbeit im Zentrum trotz der schwierigen Umstände fortgesetzt?
Idris: Das zivilgesellschaftliche Zentrum Jagarkhwin ist noch immer sehr aktiv und in naher Zukunft wird es seine Aktivitäten auch auf den Bereich der Menschenrechte ausweiten und durch den Dialog mit den BewohnerInnen der Region ein friedliches Zusammenleben fördern.
Ich möchte Adopt a Revolution im Namen des Jagarkhwin-Zentrums für die Unterstützung danken, die es uns ermöglicht hat, unsere Arbeit kontinuierlich fortzusetzen.
AaR: Vielen Dank, Idris, für die vielen Informationen!
Das Jagarkhwin-Center ist eines von mehreren Zentren für Zivilgesellschaft, die Adopt a Revolution in Syrien unterstützt. Mit ihrer Spende helfen Sie uns, auch weiterhin die jungen AktivistInnen zu stärken!
Zentren für Zivilgesellschaft unterstützen!
Vielen Dank!