Protestaktion zur Vorkonferenz der IMK: Ende der Passbeschaffungspflicht für Syrer*innen gefordert

Unter dem Motto „Defund Assad“ hat heute ein breites Bündnis an zivilgesellschaftlichen Organisationen zusammen mit syrischen Aktivist*innen im Rahmen einer Kundgebung vor dem Bundesrat an die Innenminister*innen appelliert, die Passbeschaffungspflicht für Syrer*innen auf die Tagesordnung der anstehenden IMK zu setzen. Die konkrete Forderung: Ein Ende der Behördenpraxis, die Geflüchtete zur Kooperation mit ihrem Verfolgerstaat zwingt.

Stimmen aus dem Bündnis:

Adopt a Revolution, Qusay Amer, Projektkoordinator

“Assads Foltermaschinerie läuft noch genauso auf Hochtouren wie vor dem Aufstand. Menschen werden bis heute entführt und verschwinden. Es darf nicht sei, dass die deutsche Bürokratie schutzsuchende Syrer*innen dazu zwingt, dem Regime die Kassen zu füllen. Es bedarf keiner neuen Gesetze, es braucht nur den politischen Willen Menschenrechte anzuerkennen und umzusetzen. Der strukturelle Rassismus in Deutschlands Ausländerbehörden muss gestoppt werden, egal ob es sich um Menschen aus Syrien, Afghanistan, Eritrea oder anderen Staaten handelt!”  

#SyriaNotSafe, Samer Al-Hakim

“Es ist katastrophal, dass Assads Todesmaschinerie über diesen Weg dauerhaft finanziert wird. Syrer*innen mit dem Wissen in Assads Botschaft zu zwingen, dass diese dort horrende Summen zahlen, die direkt in die Kriegskasse des Regimes fließen, ist nicht nur eine Beihilfe zu Mord, sondern auch eine Anerkennung und Legitimierung des Regimes.” 

ProAsyl, Tareq Alaows, flüchtlingspolitischer Sprecher

„Syrer*innen, die vor Folter und Verfolgung geflohen sind, sind in Deutschland gesetzlich verpflichtet, Assads Kriegsmaschinerie zu finanzieren. Sie werden gezwungen jährlich Millionen Euro an das Regime zu zahlen, indem sie in Assads Botschaft in Berlin ihre Reisepässe verlängern oder neu beschaffen müssen. Damit finanzieren sie nicht nur ihren eigenen Folterstaat, sondern werden mit dem Gang zur Botschaft ihres Peinigers retraumatisiert. Das ist eine absurde Behördenpraxis in Deutschland, die sofort beendet werden muss.“

Flüchtlingsrat Berlin, Nora Brezger, Sprecherin

“Wir kritisieren die Passbeschaffungspflicht an sich, da die Ausländer- und Einwanderungsbehörden häufig völlig unrealistische Erwartungen haben, was Menschen finanziell, emotional und auch ganz praktisch zugemutet werden kann, um sich einen Nationalpass zu beschaffen. Besonders perfide ist es jedoch, wenn syrische Menschen auf Druck der Ausländerbehörden in die syrische Botschaft müssen, Hunderte von Euros für einen Pass bezahlen und somit direkt den Folterstaat Assad unterstützen müssen, vor dem sie geflüchtet sind. Das ist ein politischer Skandal.” 

Verband Deusch-Syrischer Hilfsvereine e.V.

“Wir fordern dringend im Namen aller Syrer*innen in Deutschland von der Verpflichtung einer Passbeschaffung bei der syrischen Botschaft in Berlin abzusehen. Leider müssen zahlreiche Syrer*innen feststellen, dass sie beispielsweise von den Ausländerbehörden – seien sie anerkannte Flüchtlinge, subsidiär Schutzberechtigte oder geduldet – verpflichtet werden, einen aktuellen Reisepass, aktuelle Geburtsurkunden und andere Originaldokumente von der syrischen Botschaft zu beschaffen. Durch die Verpflichtung der Passbeschaffung gehen Betroffene lebensbedrohliche Gefahren ein: noch in Syrien lebende Verwandte der betroffenen Personen werden zum Teil verfolgt und bedroht. Die Passgebühren sind unverhältnismäßig hoch. Das Geld nutzt das syrische Regime, um seinen Terror gegen die Zivilbevölkerung in Syrien mitzufinanzieren. Wir fordern die Unzumutbarkeit der Passbeschaffung für Syrer*innen anzuerkennen und die direkte Finanzierung des brutalen syrischen Folterstaates zu beenden!” 

Hintergrund:

Vom 30. November bis 2. Dezember tagt die Herbstkonferenz der Innenminister*innen, heute fand dazu im Bundesrat die Vorkonferenz statt. Auf der anstehenden Innenministerkonferenz (IMK) könnten sich die Innenminister*innen auf die grundsätzliche Unzumutbarkeit für die Passbeschaffung von Syrer*innen einigen und die Behördenpraxis entsprechend anpassen. Bislang steht das Thema aber nicht auf der Tagesordnung und wird von den Innenminister*innen weitgehend ignoriert.

Dabei ist das Problem sehr groß und sehr drängend. Denn die Mehrheit der aus Syrien Geflüchteten wird von deutschen Behörden im Kontext des Aufenthaltsrechts oder der Einbürgerung aufgefordert, einen nationalen Reisepass bei der syrischen Botschaft zu beantragen. Davon kann jedoch abgesehen werden, wenn die Passbeantragung und der Gang zur Botschaft unzumutbar sind. Seit einer Verfahrensänderung im Jahr 2018 durch den damaligen Bundesinnenminister Horst Seehofer wird die Unzumutbarkeit dieser Kooperation von Syrer*innen mit ihrem Verfolgerstaat aber nur noch in den seltensten Fällen anerkannt.

So nimmt das Assad-Folterregime jährlich allein aus Deutschland ca. 100 Millionen Euro ein, mit denen es seine Diktatur aufrechterhalten kann, finanziert von deutscher Bürokratie.

Im Rahmen der von Adopt a Revolution initiierten Kampagne #DefundAssad will die deutsch-syrische Solidaritäts- und Menschenrechtsorganisation zusammen mit #SyriaNotSafe, Pro Asyl, dem Flüchtlingsrat Berlin, #LeaveNoOneBehind und dem Verband Deutsch-Syrischer Hilfsvereine e.V. deshalb auf die gravierenden Auswirkungen der aktuellen Passbeschaffungspflicht bei Syrer*innen aufmerksam machen und eine politische Kehrtwende einleiten.


Weitere Informationen zur Passbeschaffungspflicht und der Situation der Betroffenen finden Sie auf der Kampagnenseite https://defundassad.de/.