Der Folter in Syrien entkommen: “Ich lebe jeden Tag in dem Wissen, dass ich nur aufgrund meines deutschen Passes nach Hause gekommen bin.”

Martin Lautwein saß 48 Tage in einem syrischen Foltergefängnis. Jetzt schließt er sich der Klage gegen Folterer des Assad-Regimes an – und geht mit seinen Erlebnissen an die Öffentlichkeit. Hier begründet er seinen mutigen Schritt und weist darauf hin, dass andere noch immer und noch viel mehr unter der Gewalt in Syriens Gefängnissen leiden. Ein Statement.

English and Arabic follow below

Manche von euch haben vielleicht die Nachrichten gesehen und mitbekommen, dass ich mich einer Klage von Folterüberlebenden des syrischen Regimes angeschlossen habe. Man kann den Weg, den ich gewählt habe, in seiner Form durchaus kritisieren. Gerade was die Gewaltdarstellung der Vorkommnisse angeht, bin ich mir bewusst, dass es einen Unterschied macht, ob eine direkt betroffene Person davon spricht, oder ich, der als deutscher Häftling in diesem Gefängnis vermutlich die privilegierteste Position unter allen hatte. Deswegen möchte ich mich zu meinen Beweggründen äußern.

Ich habe lange darüber nachgedacht, ob es für mich der richtige Weg ist, mich an die Presse zu wenden. Im Grunde, konnte bisher jeder der wollte, wissen was in diesen Gefängnissen passiert. Die Berichte und Schilderungen von den Überlebenden sind unzählig. Gerade deswegen, war es für mich in den letzten zwei Jahren einfach nur noch frustrierend mit anzusehen, wie gering die Resonanz für dieses noch immer andauernde Verbrechen ist. Auf keinen Fall wollte ich all den Syrerinnen und Syrern, welche den Mut zusammengenommen haben die Geschehnisse anzuprangern, mit meinem Beitrag die Aufmerksamkeit nehmen. Ganz im Gegenteil, ich hoffe, dass vielleicht der Ein oder Andere endlich hinhört, wenn einer „der Eigenen“ das Thema vor die eigene Haustür bringt.

Tausende Menschen sind in der Maschinerie des syrischen Folterregimes verschwunden. Jedes einzelne Opfer ist ein einzelnes Menschenleben. Es ist wichtig Zahlen zu nennen. Trotzdem ist es wichtig nicht aus den Augen zu verlieren, dass es Menschen sind und keine Zahlen.

Es handelt sich um Menschen, die es sich nicht nehmen lassen, sich trotz allem Horror bei jeder Möglichkeit auch nur eine Sekunde anzulächeln, wissend der Bestrafung, sollte es das Wachpersonal mitbekommen. Oder einen Menschen, der mir nach einer Nacht, in der ich mit meinem Geheule wahrscheinlich den halben Gang wachgehalten habe, seinen eigenen Keks – den es wenn überhaupt nur alle paar Wochen mal gibt – im vorbeigehen heimlich in die Zelle warf. Bis heute weiß ich nicht, wer meiner Mitinsassen es war. Genauso wenig weiß ich, was aus ihm geworden ist und ob er überhaupt noch lebt. Das zählt nicht nur für ihn, sondern für jeden einzelnen meiner Mitgefangenen.

Nach 48 Tagen stand für meinen Freund und mich ein Flugzeug am Flughafen in Damaskus. Für uns ging es auf direktem Weg nach Hause. Dort wartete auf mich ein warmes Bett und ein funktionierendes Sozialsystem. Ärzte, Therapeuten und Arbeitsamt, sodass ich erstmal die Füße hochlegen konnte. Jeden Tag frage ich mich, was aus meinen Mitgefangenen wurde. Wie geht es für sie weiter sollten sie es jemals lebend herausgeschafft haben? Wo sind sie jetzt? Wie geht es ihnen? Ich werde es niemals wissen.

Ich bin mir im Klaren, dass es gerechter gewesen wäre, wenn an meiner Stelle jemand anderes diesen Ort hätte verlassen dürfen.”
Martin Lautwein

Ich lebe jeden Tag in dem Wissen, dass ich nur aufgrund meines deutschen Passes nach Hause gekommen bin. Mit mir gefangen waren Minderjährige, Mütter und Väter. Ich bin mir im Klaren, dass es gerechter gewesen wäre, wenn an meiner Stelle jemand anderes diesen Ort hätte verlassen dürfen. Wenn also jetzt einer derer Angehörigen diesen Text liest, möchte ich sagen, dass ich mir die Frage „warum ich?“ genauso stelle und dass es mich innerlich auffrisst. Tag für Tag und jede schlaflose Nacht.

Was meine Haltung zum Kriegsverbrecherprozess in Koblenz, andere bestehende Klagen und auch meinem Anschluss an die Klage der Überlebenden der „Palestine Branch“ angeht glaube ich, dass es ein erster wichtiger Schritt ist, aber wir uns darauf auf keinen Fall ausruhen dürfen. Wir müssen jeden möglichen Weg gehen, diese Verbrechen zu stoppen, jeden einzelnen Verantwortlichen vor Gericht bringen und sie dort in einem fairen Prozess, mit allen Rechten die sie ihren Opfern vorenthalten haben, ihrer gerechten Strafe zuführen.

Syrien ist nicht sicher – für niemanden. Deswegen jetzt den Abschiebestopp verlängern und Petition unterzeichnen!

Bis dahin läuft die syrische Foltermaschinerie weiter. Und sie läuft, und läuft und läuft.

ENGLISH

Some of you may have seen the news in which I participate in a legal case of survivors of torture by the Syrian regime. The way I chose to present my experience can surely be criticised in it form. In particular, concerning the expression of violence, I am aware that it makes a difference if the person speaking is directly affected, or is someone like myself, who as a German citizen, likely had the most privileged position in the entire prison complex. That is why I want to speak about my intention and motivations behind my approach.

I have considered speaking to the press for a while now. It seems that anyone who wants to know about what is happening in these prisons, can already do so. The reports and descriptions of Syrian torture survivors are innumerable. That is the reason why it has been so frustrating over the past two years to see how low public interest has become to this ongoing crime. While sharing my experience, I am particularly concerned that the spotlight may move away from all the brave Syrians who stand up and speak out about these horrible crimes. Thus, my intention is to use my position, by bringing this topic to our front doors, and amplify their voices.

Thousands of people disappeared into the machine that is the Syrian torture system. Every single victim is a single human life. And while it is important to count the numbers, we must not forget, that these are not just numbers, but human lives.

These are humans, who despite enduring this horror, still find a way to flash a smile for a split second to one another, knowing full well about the potential punishment if the guards see. Or a man, who after one night where I likely kept the whole floor sleepless through my crying, threw his biscuit – one of the rarest goods in that place – into my cell while passing by. Still to this day, I do not know who of all the inmates this was. I also do not know what happened to him, or if he is even still alive. The same goes for all the other prisoners around me.

After 48 days there was a plane at the airport of Damascus for my friend and me. We went straight back home where waiting for us was a social system with doctors, therapists, and welfare programs, so that we could recover. I ask myself every day what happened to the other inmates. Where are they? Did they ever make it out alive? I will never know.

But I live every day knowing that the only reason I am alive is my German passport. Imprisoned next to me were teenagers, children, mothers, and fathers. I am aware that it might have been more fair for one of them to have left instead of me. So, if any of their relatives are reading this text, I want to say that I am also asking myself this “why me?” question. Day after day, and every night that I cannot sleep.

My opinion about the trials against Syrian war crimes like the one in Koblenz, or the one of “Palestine Branch” survivors that I participate in, is that these trials are an important and vital first step. But we must not lean back on this. We have to take every possible measure to stop these horrific crimes, and to bring every person responsible to court, sentencing them in a fair trial, with all the rights that they themselves withheld from their victims.

Until then, the Syrian torture machine will run, and run, and run.

ARABIC

ربما تابع بعضكم أخبار مشاركتي في قضية قانونية لناجين من التعذيب على يد النظام السوري. يمكن انتقاد الشكل الذي قدمت به تجربتي. خاصة فيما يتعلق بالتعبير عن العنف، أدرك أن تحدث الشخص المتضرر مباشرة – كما هو حالي- يُحدث فرقًا إذا كان يتمتع كمواطن ألماني بالمكانة الأكثر امتيازًا في مجتمع السجن بأكمله. لهذا السبب أريد أن أتحدث عن نيتي والدوافع وراء مقاربتي

لقد فكرت في التحدث إلى الصحافة منذ فترة. يبدو أن كل من يريد أن يعرف ما يحدث في هذه السجون يمكنه فعل ذلك. فتقارير وأوضاع الناجين من التعذيب السوريين لا تعد ولا تحصى. هذا هو السبب في أنه كان من المحبط للغاية على مدى العامين الماضيين كيف أضحى اهتمام الرأي العام بهذه الجرائم متدنياً. أثناء مشاركة تجربتي، أشعر بالقلق بشكل خاص من أن الأضواء قد تبتعد عن كل السوريين\ات الشجعان الذين\اللواتي يقفون\ن ويتحدثون\ن عن هذه الجرائم الفظيعة. وعليه، فإنني أعتزم استخدام حالتي، من خلال عرض هذا الموضوع كأولوية، ورفع أصوات الناجين\ات

اختفى آلاف الأشخاص في آلة تعذيب النظام السوري. كل ضحية هي حياة بشرية واحدة. وبينما من المهم حساب الأرقام، يجب ألا ننسى أنها أرواح بشرية وليست مجرد أرقام. إنهم بشر، على الرغم من معاناتهم من هذا الرعب، إلا أنهم لا يزالون يجدون طريقة لإلقاء ابتسامة لجزء من الثانية لبعضهم\ن البعض، وهم\ن يعرفون جيدًا عن العقوبة المحتملة إذا رآهم السجانين. أو بعد ليلة من المحتمل أنني لم أتيح النوم فيها لكل المعتقلين بسبب بكائي، حيث قام رجل بإلقاء بسكويتته – قطعة حلوى- وهي أحد أندر البضائع في ذلك المكان – في زنزانتي أثناء مروره. ما زلت حتى يومنا هذا لا أعرف من قام بذلك من بين جميع السجناء. كما أنني لا أعرف مصيره، أو حتى إذا كان لا يزال على قيد الحياة. وهذا الشيء نفسه ينطبق على جميع السجناء الآخرين من حولي

لا للترحيل إلى سوريا
وقعوا الآن

بعد 48 يومًا من الاعتقال كانت هناك طائرة في مطار دمشق لي ولصديقي. عدنا مباشرة إلى المنزل حيث كان بإنتظارنا نظامًا اجتماعيًا به أطباء ومعالجين وبرامج رعاية، حتى نتمكن من التعافي. أسأل نفسي كل يوم ماذا حدث للسجناء الآخرين. أين هم؟ هل استطاعوا النجاة والبقاء على قيد الحياة؟ لن أعرف أبداً.لكني أعيش كل يوم وأنا أعلم أن السبب الوحيد لكوني على قيد الحياة هو جواز سفري الألماني. سُجن بجواري مراهقون وأطفال وأمهات وآباء. أدرك أنه ربما كان من العدل أن يغادر أحدهم بدلاً مني. لذا ، إذا كان أي من أقاربهم يقرأ هذا النص، فأنا أريد أن أقول إنني أيضاً أسأل نفسي يوماً بعد يوم وكل ليلة لا أستطيع النوم فيها، هذا السؤال “لماذا أنا؟”

.رأيي في محاكمات جرائم الحرب السورية مثل تلك التي تجري في مدينة كوبلنز الألمانية، أو الخاصة ب “فرع فلسطين” التي أشارك فيها كأحد الناجين، هو أن هذه المحاكمات هي خطوة أولى مهمة وحيوية. لكن يجب ألا نتراخى بسبب ذلك. علينا أن نتخذ كل الإجراءات الممكنة لوقف هذه الجرائم المروعة، وتقديم كل شخص مسؤول أمام المحكمة، والحكم عليهم في محاكمة عادلة، مع جميع الحقوق التي حجبوها هم أنفسهم عن ضحاياهم

حتى ذلك الحين، تستمر آلة التعذيب السورية وتستمر وتستمر