Versagen der Exilopposition, Not in Syrien – Presseschau 28. Juli 2014

Ana Maria Luca setzt sich auf NOW mit der Nationalen Koalition der syrischen Revolutions- und Oppositionskräfte (SNC) auseinander. Diese hatte am Dienstag bekanntgegeben, ihre Übergangsregierung unter Ministerpräsident Ahmad Tomeh aufzulösen. Innerhalb eines Monats soll eine neue Regierung gebildet werden, welche die Basis der Bewegung nach Syrien verlagern soll. Die Auflösung der Übergangsregierung durch die Koalition […]

Ana Maria Luca setzt sich auf NOW mit der Nationalen Koalition der syrischen Revolutions- und Oppositionskräfte (SNC) auseinander. Diese hatte am Dienstag bekanntgegeben, ihre Übergangsregierung unter Ministerpräsident Ahmad Tomeh aufzulösen. Innerhalb eines Monats soll eine neue Regierung gebildet werden, welche die Basis der Bewegung nach Syrien verlagern soll. Die Auflösung der Übergangsregierung durch die Koalition – welche von den USA und einigen anderen europäischen Staaten als einziger Vertreter der syrischen Opposition anerkannt wird – mag einige überrascht haben. Syrische AktivistInnen hingegen berichten, dass dieser Schritt die Schwäche der Regierung und ihre Bedeutungslosigkeit aufzeigt. Laut dem libanesischen Journalisten Mustafa Fahs ist die Auflösung keiner spontanen Idee entsprungen. Seiner Meinung nach hatten die Menschen in Syrien hohe Erwartungen, welche nicht erfüllt werden konnten. Des Weiteren sind die politischen Fraktionen innerhalb des SNC untereinander zerstritten und versuchten fortwährend, die Kontrolle im Kabinett zu übernehmen. In jeder Revolution gibt es verschiedene Sichtweisen und politische Einstellungen, allerdings sollten diese hinter dem primären Ziel stehen, das Assad-Regime zu beseitigen. Der Aktivist Maher Esber, welcher aufgrund seiner politischen Arbeit neun Jahre in syrischen Gefängnissen verbrachte, zeichnet ein ähnliches Bild. Die Koalition brachte anfangs Hoffnung, konnte dieser allerdings seitdem nicht gerecht werden. Der innere Kampf zwischen den Fraktionen habe sie gelähmt, während Korruptionsvorwürfe ihre Glaubwürdigkeit untergruben.

Ahmad al-Bouleily berichtet für Damascus Bureau über die Anstrengungen des Gemeinderates in Al-Bouleil, die Bewässerungsprojekte für die lokale Landwirtschaft wiederzubeleben. Die von den Rebellen gehaltene Stadt liegt an den Ufern des Euphrats und ist ca. 25 km vom ostsyrischen Deir al-Zor entfernt. Vor der Revolution wurde von der öffentlichen Einrichtung für Agrarreform sowie dem Bauernverband Wasser aus dem Euphrat zur Bewässerung bereitgestellt. Nachdem oppositionelle Gruppen die Kontrolle übernommen hatten, beendeten diese Organisationen ihre Arbeit. Die öffentliche Einrichtung für Agrarreform kämpft mit häufigen Stromausfällen, während der Bauernverband kein Geld mehr hat, die Wasserpumpen zu unterhalten. Der Gemeinderat in al-Bouleil hat nun die Arbeit des Bauernverbandes wieder aufgenommen. 1000 Quadratmeter werden gegenwärtig mit 12 US-Dollar bewässert, während dieselbe Fläche vor der Revolution für 60 US-Dollar bewässert wurde. Khalil al-Hashtar, der Leiter der Landwirtschaft im Gemeinderat, hebt die Bedeutung der Wiederbelebung hervor. So können die Bauern ihre Existenzgrundlage behalten. Als Folge des anhaltenden Krieges sind die Saatgut- und Düngemittelpreise gestiegen, weshalb in den vergangenen drei Jahren ein deutlicher Rückgang der Landwirtschaft zu spüren war. Durch Projekte wie die Re-Aktivierung des Bauernverbandes sollen Schritte unternommen werden, diesen Trend zu stoppen.

Abdullah Klido berichtet ebenfalls auf Damascus Bureau über den Druck, der auf den Bildungseinrichtungen in den befreiten Gebieten lastet. Lokale AktivistInnen klagen über die mangelnde Unterstützung aus dem Bildungsministerium, das von der nationalen Koalition der syrischen Revolutions- und Oppositionskräfte (SNC) ins Leben gerufen wurde. Mohammad Jamal al-Shohood, Leiter des örtlichen Bildungs-Direktoriums, berichtet, dass die meisten Prüfungsfragen immer noch auf dem offiziellen (staatlichen) syrischen Lehrplan basieren. Einige Schulen benutzen mittlerweile Prüfungen auf der Grundlage des libyschen Lehrplanes, weshalb diese später libysche Zeugnisse ausstellen werden. Nichtsdestotrotz bekommt al-Shohood keine finanzielle Unterstützung, um den Unterricht zu gewährleisten. Die SchülerInnen berichten über äußerst schwierige Bedingungen, die Prüfungen zu absolvieren. Einige AufseherInnen handeln hysterisch und zeigen dies durch ihr nervöses Auftreten. Diese Zwischenfälle sind eine Folge des Drucks, dem sie sich angesichts des Mangels an Sicherheit in den befreiten Gebieten ausgesetzt sehen. Ein weiteres Problem wird die Anerkennung der Abschlüsse sein, da die Zeugnisse durch oppositionelle Behörden ausgestellt werden. Viele europäische Staaten, darunter auch Deutschland, akzeptieren nur den Abschluss an den staatlichen Schulen. Die Türkei hat unterdessen signalisiert, dass SchülerInnen mit Abschlüssen aus den oppositionellen Gebieten akzeptiert werden. Dieser Schritt wird tausenden syrischen Menschen die Möglichkeit bieten, an türkischen Universitäten zu studieren.

Orwoa Kanawati berichtet auf al-Monitor über die aktuellen Geschehnisse in Aleppo. Als Folge der anhaltenden Belagerung der befreiten Viertel leeren sich die Straßen Aleppos fortlaufend. Diese Gebiete haben eine massive Zerstörung sowie Abwanderung erlebt, sodass man nachts das Gefühl habe, eine tödliche Seuche habe den Ort in ihrem Griff. Der oppositionelle Rat in Aleppo ist nicht in der Lage, alltägliche Dienstleistungen zu liefern, weil es ihm an materiellen, logistischen und menschlichen Ressourcen mangelt. Es gibt lediglich 4 Stunden Strom am Tag, während die Orte unter der Kontrolle von Jabhat al-Nusra 18 Stunden Strom empfangen können. Muhannad Ghabash, ein Mitglied der Initiative „The Sword of Aleppo for the People of the Levant“, beschreibt deren Bemühungen, die eigenen Reihen zu vereinen. Sie engagieren sich auf vielfältige Weise und versuchen, einen Teil der Last von den bewaffneten Rebellengruppen aufzufangen. Sie verteilen Nahrungsmittel und leisten eine medizinische Versorgung sowie Pflege der oppositionellen Kräfte. Für die Zivilbevölkerung hat die Initiative sichere Wege geschaffen, um aus und nach Aleppo zu reisen. Alternative Routen an den östlichen und nordöstlichen Fronten der Stadt wurden nach den Luftangriffen befestigt. Es bleibt abzuwarten, wie die Menschen dieser drohenden Belagerung widerstehen werden und dabei dem Alltagsleben nachgehen werden.

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