Berlin, 06. Juli 2022 – Die Türkei plant ihren nächsten völkerrechtswidrigen Angriffskrieg gegen die Kurd:innen in Nordost-Syrien. In diesem Zuge sollen mindestens zwei Millionen syrische Geflüchtete aus der Türkei in die Region zwangsumgesiedelt werden, die ihnen fremd ist. Die Bundesregierung hat als Reaktion ihren NATO-Partner dazu aufgerufen, das Völkerrecht einzuhalten und seine Sicherheitsinteressen in der Region auf politischem Weg und nicht durch Einsatz militärischer Mittel zu verfolgen.
Das Problem: Den türkischen Machthaber Erdoğan interessiert solche Mahnungen nicht. Bereits seit Monaten finden fast täglich türkische Drohnenangriffe auf die nordsyrische Grenzregion statt. Auch sind bereits heute schon Zwangsabschiebungen von syrischen Geflüchteten in hoher Zahl im vollen Gange. Allein im Juni sind 1.729 Personen in den unter Dauerbeschuss stehenden Nordwesten abgeschoben worden, obwohl diese Personen gebürtig aus anderen Provinzen stammen und von den lokalen Autoritäten keinerlei Hilfe erwarten können. Konsequenzen für diese bereits heute stattfindenden Völkerrechtsbrüche gibt es von der Bundesregierung oder der EU bislang keine.
Bereits bei der türkischen Militäroffensive 2019 gaben sich die Bundesregierung und die EU handlungsunfähig – über eine Verurteilung des Angriffskrieges ging es kaum hinaus. Denn: Die EU hat sich mit dem EU-Türkei-Deal erpressbar gemacht – die Türkei hält in deren Auftrag die syrischen Geflüchteten von Europa fern. Diese sind somit ein Faustpfand für Erdoğan, der seine Interessen ungehindert durchdrücken kann. Der Preis: Millionen im Nordwesten festsitzende Menschen unter katastrophalen humanitären Bedingungen, Hundertausende Vertriebene im Nordosten und die weitere Destabilisierung einer bereits volatilen Region.
„Diese Pläne der Massenabschiebung verstoßen nicht nur gegen das humanitäre Völkerrecht, die ethnische Massenvertreibung der ortsansässigen kurdischen Bevölkerung ist zudem ein Kriegsverbrechen“, mahnt Svenja Borgschulte von der deutsch-syrischen Menschenrechtsorganisation Adopt a Revolution. „Die Bundesregierung misst mit zweierlei Maß, wenn sie den einen Autokraten sanktioniert und den anderen gewähren lässt. Die EU hat sich mit dem EU-Türkei-Deal erpressbar gemacht und ist
dadurch handlungsunfähig. Wir müssen raus aus dieser Spirale und endlich den EU-Türkei-Deal aufkündigen.“
Die Bundesregierung darf sich nicht zur Mittäterin machen
Wir verurteilen die geplante türkische Offensive aufs Schärfste. Die Bundesregierung und die EU dürfen nicht ein weiteres Mal wegschauen und müssen sich endlich ihrer Verantwortung stellen.
Daher fordern wir die Bundesregierung dazu auf:
- Den nötigen Druck auf die Türkei auszuüben, um ihre Invasionspläne sowie die Massenabschiebung von zwei Millionen Menschen zu stoppen und die aktuell bereits stattfindenden Angriffe sofort einzustellen. Die Türkei handelt völkerrechtswidrig und verstößt gegen die Charta der UN und den Nordatlantik-Vertrag der NATO.
- Sich vehement für eine Abkehr vom EU-Türkei-Deal in seiner aktuellen Form einzusetzen. Grundlage für eine finanzielle Unterstützung müssen die militärische Zurückhaltung der Türkei in Syrien, die vollständige Anerkennung der Genfer Flüchtlingskonventionen sowie die Einhaltung von Menschen- und Grundrechten sein!
- Sichere und legale Fluchtwege für syrische Geflüchtete nach Europa zu schaffen! Dafür braucht es einen humanitären Korridor und ein neues, völkerrechts- und rechtsstaatskonformes Asylverfahren für alle Menschen, die über die Türkei in die EU reisen möchten, um Asyl zu beantragen.
- Sich für ein Waffenembargo auf EU-Ebene stark zu machen.
- Sich mit allen Mitteln für eine gesamtsyrische nachhaltige Friedenslösung einzusetzen, um alle Menschen in Syrien vor Gewalt, Verfolgung und Vertreibung zu schützen – ob im Nordosten vor der Türkei, in der Provinz Idlib vor syrisch-russischen Bomben und im Rest des Landes vor der brutalen Verfolgung durch das Assad-Regime.
Gerne vermitteln wir Ihnen Interviews und Zitate von unseren Projektpartner*innen aus dem Nordosten und Nordwesten Syriens! Bitte melden Sie sich per E-Mail unter presse@adoptrevolution.org