Damaskus vor Genf II

Während sich auf politischer Ebene vorerst auf den 22. Januar 2014 als Datum für die Genf II – Verhandlungen geeinigt wurde und das Ringen um die Teilnahme aller beteiligten Parteien anhält, lassen die Neuigkeiten aus Damaskus und Umland daran zweifeln, ob das Regime tatsächlich an einer gleichberechtigten politischen Lösung interessiert ist. Seit Monaten belagern die […]

Während sich auf politischer Ebene vorerst auf den 22. Januar 2014 als Datum für die Genf II – Verhandlungen geeinigt wurde und das Ringen um die Teilnahme aller beteiligten Parteien anhält, lassen die Neuigkeiten aus Damaskus und Umland daran zweifeln, ob das Regime tatsächlich an einer gleichberechtigten politischen Lösung interessiert ist.

Seit Monaten belagern die Assad-Truppen verschiedene Stadtteile und Vororte von Damaskus. Mit der Strategie der Belagerung und des Aushungers wurde über Monate hinweg Druck auf die widerständischen BewohnerInnen der Orte aufgebaut. Auf Basis und unter Ausnutzung dieser vom Regime selbst geschaffenen humanitären Ausnahmesituation drängt man die (Vor-)Orte vor Genf II nun zu Waffenstillständen. Die Konditionen bestimmt das Regime, in die belagerten Viertel dürfen im Gegenzug u.a. Lebensmittel  eingeführt werden – wann und wie viel entscheidet nach wie vor das Regime. Viele der seit Monaten belagerten Stadtviertel und Vororte von Damaskus wurden in den vergangenen Wochen diese Art Waffenruhe angeboten. Diejenigen, die das Angebot das Regimes ablehnten, wurden in den vergangenen Wochen weiter bombardiert. Andere, die wie Muadhamiya aufgrund des hohen Leidensdrucks einen Waffenstillstand akzeptierten, leiden trotzdem noch unter Hunger, denn das Regime lässt bei Weitem nicht genügend Lebensmittel in das Stadtviertel hinein. So lässt sich auch erklären, warum gerade die Damaszener AktivistInnen sich von den Genf II-Verhandlungen nicht viel versprechen.

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Aktuell sind u.a. folgende Viertel von dieser Strategie des Regimes betroffen:

Seit mehr als zehn Tagen wird der vollständig belagerte Damaszener Vorort Daraya täglich bombardiert. Die Belagerung von Seiten des Regimes hält an. AktivistInnen berichten, dass auch ihnen vorher ein inoffizielles Angebot vom Regime unterbreitet wurde, in Daraya wurde das aber zunächst abgelehnt.

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Bild: Bombardierung Darayas mit Fassbomben am 15.01.2014.

Der von pro-Regime Gegenden umschlossene und belagerte Vorort Qudssaya hingegen akzeptierte ein Angebot des Regimes und seit zwei Monaten gelangen wieder Lebensmittel in die Stadt. Die Bedingung dafür war es, eine Kommission einzurichten, die Qudssaya offiziell verwaltet und der eine Liste der Namen aller Bewaffneter in Qudssaya ausgehändigt werden musste. Gegen diese Kommission ging das Komitee am vergangenen Freitag erneut auf die Straße. Weiterhin protestierte man für die Freilassung von politischen Gefangenen aus Qudssaya in den Gefängnissen des Regimes. Über die Gründe zur Zustimmung zu einem Abkommen mit dem Regime schrieb ein Aktivist aus Qudssaya: “Was in Qudssaya passiert, ist keinesfalls eine Übergabe des Viertels an das Regime. Zusammengefasst könnte man sagen, dass es sich eher um eine Vertagung der Schlacht handelt – und zwar aus Rücksicht auf die halbe Millionenn Menschen, die sich in Quddsaya befindet und von denen Mehr als die Hälfte Flüchtlinge sind. Für sie müssen wir dafür sorgen, dass die Belagerung geöffnet wird!

Video: Demonstration in Qudssaya, 10.01.2014.

Auch der Lokale Rat in Muadhamiya akzeptierte ein Angebot des Regimes. Im Gegenzug musste zuerst die Flagge des Regimes gehisst werden. AktivistInnen beklagten, dass das Regime seitdem nur wenige Lebensmittel in die Stadt eingeführt hat. Die Gruppe “Break The Siege” erklärte kürzlich, das Regime fordere nun die Auslieferung der Medienaktivisten in Muadhamiya, damit mehr Lebensmittel eingeführt werden. ِAußerdem werden die geringen Mengen, die in die Stadt gelangen dürfen, als gezielte Provokation verstanden: “Das Regime versucht nun eine Kluft zwischen uns zu treiben – zwischen diejenigen, die Essen bekommen und jene, die weiter hungern”, erklärt ein Aktivist.

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Bild: Muadhamiya 18.01.2014. Nach dem Waffenstillstand kommt das Aufräumen. “Säubern wir unsere Stadt oder verwischen wir die Verbrechen Assads?”, fragt der Aktivist Amir.

Erbin in Ost-Ghouta wurde kein Angebot unterbreitet. Das Viertel wird seit mehreren Tagen mit Fassbomben bombardiert. Das Viertel ist belagert und Lebensmittel gelangen nur noch über Schmuggler hinein. In den von zivilen AktivistInnen aufgebauten alternativen Schulen leiden fast alle Kinder unter Unterernährung. Trotzdem fand am vergangenen Freitag eine große Demonstration gegen das Regime statt.


Video: Bombardierung Erbins von Flugzeugen des Regimes, 08.01.2014.

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Bild: Demonstration in Erbin, 10.01.2014.

Die im Umland von Damaskus gelegene und seit zwei Jahren belagerte Stadt Zabadani wird seit Ende Dezember fast täglich bombardiert  – hauptsächlich mit Fassbomben sowie mit Artillerie von Stellungen um die Stadt herum. Die Belagerung hält an, denn auch hier gab es vorher ein Angebot von Seiten des Regimes, das die Stadt allerdings ablehnte: Die Aushändigung aller Bewaffneten im Gegenzug für eine Öffnung der Belagerung zu Konditionen des Regimes.


Video: Bombardierung Zabadanis mit Fassbomben am 15.01.2014.

Das südlich von Damaskus gelegene Camp Yarmouk steht seit sieben Monaten unter einer kompletten Belagerung. Nach Aussagen der AktivistInnen vor Ort sind vor allem während der Kältewelle der letzten Wochen mindestens 50 Menschen an Unterernährung gestorben. Die meisten BewohnerInnen ernähren sich seit Wochen von gekochtem Wasser mit Gewürzen. Nur auf dem Schwarzmarkt, wo geplünderte Waren angeboten werden, kann man noch Nahrungsmittel erwerben. Die Preise übersteigen für einen Sack Reis oft 1700 Lira (circa 9 €) – unerschwinglich für die meisten BewohnerInnen.

Video: Demonstration nach Bombardierung mit Fassbomben am 16.01.2014, “Eins, Eins, Eins – PalästinenserInnen und SyrerInnen sind eins”.

Nach mehreren gescheiterten Versuchen, Nahrungsmittel in das Viertel zu bringen, hat das Regime zugelassen, dass den BewohnerInnen medienwirksam am 18.01.2014 eine Ladung von 200 Kartons übergeben wurde – zu wenig für die 18.000 Menschen des Viertels. Allerdings wurde die Nahrung nicht in das Camp selber gebracht, sondern weibliche Familienangehörige wurden dazu aufgefordert, zum Checkpoint zu kommen. Nur wer seine UNRWA-Registrierungskarte (d.h. wer als offiziell als palästinensischer Flüchtling in Syrien registriert ist) dabei hatte, durfte Nahrungsmittel entgegen nehmen. Die Binnenflüchtlinge, die in den letzten zwei Jahren nach Yarmouk flohen, wurden somit ausgeschlossen, was von AktivistInnen vor Ort als Akt der Erniedrigung und der Schaffung von Gräben beschrieben wird.

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Bild: Yarmouk, 19.01.2014. Die Familien, denen Lebensmittel ausgehändigt wurden teilen ihre Lebensmittel mit denen, die weiterhin hungern müssen.

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Die Informationen für diese Zusammenstellung stammen von lokalen Partnern von Adopt a Revolution im Syrien. Adopt a Revolution hält ständigen Kontakt zu landesweit über 40 zivilen Gruppen.