Laut einem Bericht der Taz vom 13.06.2023 hat das Bundesinnenministerium zugesagt, die Verfahrenspraxis für subsidiär Schutzberechtigte aus Eritrea zu ändern und allen Betroffenen einen Reiseausweis für Ausländer*innen auszustellen. Das erklärte Markus Grünewald, Innenstaatssekretär in Potsdam, im Innenausschuss des Brandenburger Landtags.
Damit sollen Geflüchtete aus Eritrea nicht mehr gezwungen werden, die Botschaft ihres Verfolgerstaats aufzusuchen. Das Vorgehen des BMI bestätigt: Es braucht lediglich den politischen Willen im BMI, um die Praxis der Passbeschaffung zu ändern.
Im Oktober 2022 urteilte das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig: „Einem subsidiär schutzberechtigten Ausländer darf die Ausstellung eines Reiseausweises für Ausländer nicht mit der Begründung verweigert werden, er könne einen Pass seines Herkunftsstaates auf zumutbare Weise erlangen, wenn der Herkunftsstaat die Ausstellung eines Passes an die Unterzeichnung einer “Reueerklärung” knüpft, die mit der Selbstbezichtigung einer Straftat verbunden ist, und der Ausländer plausibel darlegt, dass er die Erklärung nicht abgeben will.“ Der Kläger war eritreischer Staatsangehöriger. Mit Ausnahme von Bayern und Brandenburg haben sich die meisten Bundesländer an dem BVerwG Urteil orientiert. Nun will das BMI durch ein Länderrundschreiben die Unzumutbarkeit der Passbeschaffung im beklagten Fall bundesweit vereinheitlichen.
Das ist nicht nur ein Erfolg für die eritreischen Schutzsuchende in Deutschland. Es ist auch ein Hoffnungsschimmer für andere Gruppen, die ebenfalls seit Jahren für die Unzumutbarkeit der Passbeschaffung kämpfen – darunter Geflüchtete aus Afghanistan und vor allem die Hunderttausenden syrischen Geflüchteten, die massiv unter der Praxis leiden.
Denn: Durch die deutsche Passpflicht nimmt das Assad-Regime jährlich dreistellige Millionenbeträge ein. Zudem müssen die Syrer*innen persönliche Daten, wie Wohnort und Kontaktdaten, an die Botschaft ihres Verfolgers weitergeben, womit sie nicht nur sich selbst, sondern auch in Syrien verbliebene Familienangehörige in Gefahr bringen. Für die vor dem Regime geflüchteten Syrer*innen ist diese Finanzierung ihres Verfolgerstaates eine Tortur – das wird von deutschen Behörden aber selten anerkannt.
Die Bundesregierung hatte in mehreren schriftlichen Antworten an Bundestagsabgeordnete argumentiert, man könne keine Vereinheitlichte Praxis zur “Zumutbarkeit von Mitwirkungshandlungen im Asylrecht” herausgeben, da diese “stets einzelfallbezogen zu beurteilen” sein (Drucksache 19_31438). Auf eine kleine Anfrage der Linken im Oktober 2022 erklärte das BMI zur Unzumutbarkeit bei Syrer*innen: “Eine pauschale Aussage hierzu kann nicht getroffen werden, da es auf die konkreten Umstände des Einzelfalls ankommt, insbesondere ob die Passbeschaffung eine Gefahr für sich oder Dritte bedeutet.”
Die aktuelle Reaktion des BMI spricht eine andere Sprache: Offensichtlich ist eine gruppenbezogene Interpretation der Unzumutbarkeit möglich, es bedarf lediglich des politischen Willens. Denn: Das Urteil verpflichtet die Bundesregierung keineswegs zu dieser Vereinheitlichung. Es ist mehr als Interpretationsvorlage für die Exekutive zu verstehen.
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