Zehntausende Fassbomben hat das Assad-Regime auf syrische Städte abgeworfen . Fassbomben sind so ungenau, dass sie eigentlich nicht als Kriegswaffen taugen. Sie sind häufig mit Metallteilen versetzt, um möglichst viele Menschen zu verletzen, nicht unbedingt, um sie zu töten. Zivilist*innen zu treffen und zu verwunden gehört bei ihnen quasi zum Programm – und deshalb sind sie auch international geächtet.
Trotz eindeutiger Resolution des UN-Sicherheitsrats von 2014 konnte das syrische Regime jahrelang weiter Fassbomben aus Helikoptern werfen, ohne dass sich die aufständischen Gruppierungen dagegen verteidigen konnten. Syrische Oppositionelle warteten monatelang vergebens auf internationale Unterstützung, die die syrische Armee daran gehindert hätte, weiter Wohngebiete, Bäckereien und Märkte zu bombardieren.
Wenn schon niemand von außen offen militärisch interveniert, um solch brutale Angriffe des Regimes auf die Zivilbevölkerung zu stoppen, dann braucht es wenigstens eine Flugverbotszone. Darauf hatten viele Syrer*innen lange gehofft und ihre Forderung international verbreitet. Vergeblich. Nachdem einige Nato-Staaten die UN-Autorisierung einer Flugverbotszone in Libyen ab März 2011 genutzt hatten, um auf der Seite der Gegner Gaddafis in den Krieg einzugreifen war klar: Einer Flugverbotszone für Syrien würde die russische Regierung niemals zustimmen. Im Zuge des Einsatzes in Libyen starben nach Schätzungen bis zu 50.000 Menschen.
Ukrainer*innen fordern Flugverbotszone
Angesichts der Übermacht der russischen Luftwaffe, fordern aktuell auch viele Ukrainer*innen eine Flugverbotszone für ihr Land. Realistischerweise wären nur die Nato-Staaten in der Lage, ein solches Flugverbot durchzusetzen – doch das würde wohl den nächsten Weltkrieg provozieren. Wie also umgehen mit dieser Forderung?
Bei Adopt a Revolution haben wir ein offenes militärisches Eingreifen in Syrien und die Einrichtung einer Flugverbotszone immer abgelehnt. Zu groß, so unsere Einschätzung, wären die zivilen Opfer. Wir wollten eine zivilgesellschaftliche Intervention und nicht, dass der zivile Aufstand gegen die Diktatur von einer militärischen Logik überlagert und die zivilen Kräfte an den Rand gedrängt werden. Jetzt, nach der Militarisierung des Aufstands, nach dem Kampf gegen den “Islamischen Staat”, nach dem Eingreifen Russlands und der Türkei mag sich die Frage stellen, ob diese Einschätzung richtig war. Wäre es angesichts der massiven Zerstörungen, der rund 800.000 Toten, der millionenfachen Vertreibung verantwortungsethisch nicht richtiger gewesen, 2011, 2012 oder spätestens nach dem Giftgas-Angriff von Ost-Ghouta eine Flugverbotszone einzurichten?
Mit unseren Partner*innen in Syrien haben wir uns so manches Mal über unsere Ablehnung einer Flugverbotszone gestritten. Wir haben versucht, unsere Position zu begründen – sie haben ihre Position begründet. Gleichzeitig haben wir immer auch syrischen Aktivist*innen den Raum gegeben, ihre Forderungen zu formulieren und zu begründen. Denn wer sind wir, dass wir darüber urteilen, was die Menschen in Syrien fordern, über deren Köpfe die Hubschrauber kreisen und die Kampfbomber hinwegziehen?
Wer solidarisch ist, muss aufrichtig zuhören können
Als Reaktion wurde uns mehrfach vorgeworfen, die Agenda einer militärischen Intervention in Syrien zu verfolgen – insbesondere aus Kreisen der hiesigen Friedensbewegung. Diesen Konflikt mussten wir aushalten und werden ihn weiter aushalten. Denn, es mag von außen betrachtet naiv scheinen, eine Flugverbotszone zu fordern, wenn die Konsequenzen über den eigentlichen Konflikt hinausgehen und unvorhersehbar sein können. Aber wer nicht nachvollziehen und zulassen kann, wenn Menschen in einer lebensbedrohlichen Lage Sicherheit fordern, dem fehlt die Empathie. Und letztlich wäre es bevormundend und arrogant, die Positionen der Betroffenen wegzuwischen, nur weil sie nicht zur eigenen Meinung und ins eigene Weltbild passen – solidarisch ist das auf jeden Fall nicht.
So wie wir es im Fall Syrien gesehen haben, so sehen wir das auch im Fall der Ukraine. Wir glauben, dass eine Flugverbotszone einen unkontrollierbaren Konflikt auslösen würde, wenn Russland nicht vorab zustimmt. Aber es gehört zur Solidarität mit den Menschen unter Beschuss, ihnen und ihren Forderungen offen und aufrichtig zuzuhören.
Adopt a Revolution unterstützt seit 2011 die zivile Aufstandsbewegung gegen das Assad-Regime. Noch immer arbeiten Aktivist*innen in vielen Landesteilen daran, vor Ort demokratische Freiräume zu schaffen. Helfen Sie mit, unterstützen Sie die syrische Zivilgesellschaft mit Ihrer Spende!