Weitere aktuelle Eindrücke der AktivistInnen in Syrien in unserem Liveblog.
Seit den frühen Morgenstunden häufen sich Berichte, wonach in Vororten östlich und westlich von Damaskus größere Mengen Giftgas eingesetzt worden sein sollen, was nach Angaben von AktivistInnen zu über 750 Toten geführt hat. Betroffen sind insbesondere die Vororte Ain Tarma, Zamalka und Moadamieh. Adopt a Revolution arbeitet seit fast zwei Jahren mit verschiedenen Bürgerkomitees in den Vorstädten von Damaskus zusammen. Anlässlich der Medienberichte haben wir heute morgen via Skype ein Interview mit einem Aktivisten aus benachbarten Erbin geführt. Der Vorort liegt nur wenige Kilometer von Zamalka entfernt.
Adopt a Revolution: Uns erreichen Berichte, dass es heute in den frühen Morgenstunden in Ain Tarma, Zamalka und Moadamieh zu einem großen Einsatz von Giftgas gekommen sei. Was war in Erbin davon mitzubekommen?
Sami: Erbin liegt nur vier Kilometer von Zamalka entfernt. Zwischen vier und fünf Uhr haben die Moscheen in Erbin per Lautsprecher alle Einwohner dazu aufgefordert, Fenster und Türen geschlossen zu halten, weil es zu einem Giftgasanschlag in der Nähe gekommen ist. Gleichzeitig haben wir im ganzen Ort Feuer gelegt, um das Gas zu vertreiben. In der ganzen Stadt roch es nach Rauch.
Gab es auch in Erbin Tote und Verletzte?
Nein, in Erbin selbst sind mir keine Opfer bekannt. Allerdings wurden ab 5 Uhr morgens Tote und Verletzte aus Zamalka und Ain Tarma zu uns ins Krankenhaus gebracht. Bis heute Mittag um 12 Uhr wurden allein bei uns im Krankenhaus 85 Tote gezählt, weitere 40 Menschen sind in Behandlung. Aus den anderen Ortschaften in Ost-Ghouta hören wir ähnliche Zahlen. Zusammengezählt müssen über 750 Menschen betroffen sein.
Was für Verletzungen haben die Menschen, die in die Krankenhäuser eingeliefert werden?
Alle eingelieferten haben Atemprobleme, viele sind bleich und haben Schaum vor dem Mund, insbesondere die Kinder. Ihre Pupillen sind ganz klein, die Region um den Mund und die Nase sind grau.
Wie werden die Menschen behandelt?
Unser Feldkrankenhaus ist mit dieser Anzahl der Verletzten absolut überfordert. Wir haben keine passenden Medikamente. Um die Atemwege frei zuhalten, reiben wir die Menschen mit Zwiebeln ein. Das hilft ein wenig.
Was belegt, dass es ein Angriff mit Chemiewaffen war? Könnte es sich nicht auch einfach um eine Offensive in Zamalka handeln?
Es ist anders als bei sonstigen Angriffen: Es fließt kein Blut, die Menschen haben keine äußeren Verletzungen, sie sterben von innen. Unser Ort wird fast jeden Tag mit Mörsern und aus Kampfflugzeugen beschossen, auch wieder seit heute morgen um 7 Uhr. Dabei sterben pro Tag zwischen zehn und 20 Menschen, wir wissen also, wie diese Opfer normalerweise aussehen. Bei den heftigsten Luftangriffen die es bislang bei uns gab, die waren im Juli 2012, sind 36 Menschen gestorben. Heute Nacht wurden über 750 Menschen umgebracht. Was sollte es denn anderes sein als Giftgas?
In Syrien sind letzte Woche UN-Beobachter eingetroffen, die Giftgaseinsätze untersuchen sollen. Sind sie schon in Zamalka eingetroffen?
Wir haben gehört, dass die UN-Inspektoren in der Innenstadt von Damaskus in einem Hotel untergebracht sind, das nur wenige Kilometer von Zamalka entfernt ist. Sie könnten innerhalb von 20 Minuten hier sein, aber bislang sind sie nicht aufgetaucht. Wir verstehen einfach nicht, warum?
Welche Schutzmaßnahmen ergreifen die Menschen in Erbin gegen einen Gasangriff?
Eigentlich gar keine. Vom Komitee aus haben wir versucht, selbst Gasmasken herzustellen. Aber die funktionieren nicht wirklich. Wir versuchen uns gegenseitig zu warnen, wie heute morgen. Aber einen richtigen Schutz gibt es nicht.
Das Interview wurde per Skype am 21.08.2013 um 13:30 geführt.
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