ISIS-Statement aus Manbij: Brutale Verfolgung ziviler AktivistInnen

Dschihadisten von ISIS („Islamischer Staat in Irak & Syrien) schreiben via Facebook AktivistInnen aus Manbij zur Fahndung aus und kündigt die Strafen für die angeblichen Vergehen an. Das Statement ist ein weiterer Belege dafür, dass die AktivistInnen aus Manbij sich von radikalen Islamisten abgrenzen, weil sie in deren Unterstützung keinen Weg zur Freiheit sehen. Wie […]

Dschihadisten von ISIS („Islamischer Staat in Irak & Syrien) schreiben via Facebook AktivistInnen aus Manbij zur Fahndung aus und kündigt die Strafen für die angeblichen Vergehen an. Das Statement ist ein weiterer Belege dafür, dass die AktivistInnen aus Manbij sich von radikalen Islamisten abgrenzen, weil sie in deren Unterstützung keinen Weg zur Freiheit sehen.

Wie uns Kontakte aus Manbij versichert haben, sind die mit Strafen belegten Personen keineswegs Diebe oder „moralisch-verwerflich“ handelnde Personen – vielmehr handelt es sich bei den Gesuchten um zivile Aktivisten der ersten Stunde. Diese nun von ISIS zu Freiwild erklärten Personen waren aktiv daran beteiligt, das Regime Assad mit zivilen Protestaktionen aus Manbij zu vertreiben. Nach dem Rückzug des Regimes beteiligten sie sich zudem am Aufbau und der Instandhaltung der Infrastruktur sowie weiterer Projekte, die die Zukunft der Stadt und ihrer EinwohnerInnen positiv beeinflussen sollen.

Der Aktivist Fayez Ramadan musste aufgrund von Todesdrohungen die Stadt Manbij verlassen. Zivile AktivistInnen sehen sich zunehmends von Dschihadisten bedroht.
Der Aktivist Fayez Ramadan musste aufgrund von Todesdrohungen die Stadt Manbij verlassen. Zivile AktivistInnen sehen sich zunehmends von Dschihadisten bedroht.

Das letzte Jahr über haben wir von Adopt a Revolution eng mit Fayez Ramadan zusammengearbeitet, der in der unten zitierten Aufstellung mit der Nummer 6 belegt ist. Hiermit dokumentieren wir das ISIS-Statement, wie es uns von AktivistInnen aus Manbij zugesandt wurde. Das Statement ist bei Facebook mittlerweile nicht mehr abrufbar. Ob es aus Verstoß gegen die Nutzungsbedingungen von Facebook selbst offline genommen wurde, ist uns nicht bekannt.

Manbij – Das Recht und die Wahrheit
Im Namen Gottes, des Allmächtigen und Barmherzigen.

Folgende Personen sind aus der Stadt Manbij entkommen, werden jedoch von ISIS gesucht. Unsere Schwerter werden letztendlich ihre Kehlen erreichen.

Hier die Namen der Gesuchten:

  1. Imad Hanaidal: Entflohener Dieb, stahl Wertgegenstände der Einwohner Minbijs. Strafe: Enthauptung.
  2. Manzar Salal: Kooperation mit dem Westen & Diebstahl von Wertgegenständen der Einwohner Minbijs: Enthauptung.
  3. Anas Al-Sheikh Ways: Kooperation mit dem Westen & Diebstahl von Wertgegenständen der Einwohner Minbijs: Enthauptung.
  4. Ali Shalash: Diebstahl großer Geldsummen – Es liegen Beweise gegen ihn vor: Hand abhacken.
  5. Saleh Al-Dandan: Verunglimpfung von ISIS: Kehle durchschneiden.
  6. Fayez Ramadan: Verunglimpfung von ISIS; Kooperation mit Kanälen, die auf eine Spaltung der Muslime hinwirken; Gründung des Hay’et Al-Mustaqbal („Zusammenschluss der Zukunft“), die eine sündige und atheistische Gesellschaft proklamiert: Enthauptung.
  7. Bassel Al-Hamdu: Verunglimpfung des Rufes von ISIS: Enthauptung.
  8. Bassam Al-Hamdu: Verunglimpfung des Rufes von ISIS: Kehle durchschneiden.
  9. Riad Abd-Al-Salam: Sexuelle Belästigung einer Studentin: Auspeitschen.
  10. Abd-Al-Ru’uf (Anwalt): Zusammenarbeit mit der „ketzerischen“ Gemeinschaft: Kehle durchschneiden. [Anm.: „ketzerisch“ ist hier ein arabisches Wortspiel mit „national“; Anspielung auf das Oppositionsbündnis „Nationale Koalition“, das von ISIS als „heidnisch“ abgetan wird.]
  11. Ahmad Hamidi: Infames Verhalten & Kooperation mit dem Westen: Kehle durchschneiden.
  12. Abu Faissal: Mitarbeiter ausländischer Geheimdienste: Kehle durchschneiden.“

Wie auch im ISIS-Statement erkennbar, hat sich besonders Fayez Ramadan den Zorn von ISIS zugezogen. Dies ist leider nicht verwunderlich, versuchte die von ihm aufgebaute Jugendgruppe „Hay’et Al-Mustaqbal“ doch , die Jugendlichen der Stadt Manbij dem Einfluss radikaler Gruppen zu entziehen. Zudem fungierte er als Leiter des Zentrums für Zivilgesellschaft (Civil Society Center) in Manbij. Nun, da ISIS nach einer kurzzeitigen Vertreibung wieder die Stadt kontrolliert, gehen ISIS-Kämpfer mit brutalsten Methoden gegen AktivistInnen wie Fayez vor. Die oben aufgeführte Liste stellt – laut Ankündigungen von ISIS – nur die erste Fahndungsliste der Stadt dar. Es ist klar, dass ISIS zivile AktivistInnen physisch aus der Stadt schaffen will – sei es durch Hinrichtung oder „lediglich“ deren Vertreibung mittels Todesdrohungen.

Am Beispiel Manbij wird deutlich, dass die AktivistInnen in Syrien doppelter Bedrohung ausgesetzt sind: durch das Regime wie Dschihadisten. Keineswegs stellen sich AktivistInnen wie Fayez nach dem Sturz Assads in Manbij „automatisch“ auf die Seite der Dschihadisten. Ganz im Gegenteil: Das Festhalten an den Ursprungszielen der Revolution macht sie erneut zu Opfern von Repression. Daher können nur noch wenige Aktivistinnen – im Schutze des Hijab – zivile Aktivitäten in Manbij aufrechterhalten, die einst vom Civil Society Center geplant wurden. Alle weiteren Projekte mussten vorerst auf Eis gelegt werden.

Fayez kommentierte seine Bedrohung Adopt a Revolution gegenüber eher trocken: „Man muss ja nicht gleich den Kopf verlieren. Ich versuche, es mit Humor zu nehmen. Aber solange ISIS in Manbij ist, kann ich höchstens mit falscher Identität und unter höchster Gefahr zurück.“

Manbij ist eine Stadt von ca. 100.000 EinwohnerInnen in der Provinz Aleppo, unweit der türkischen Grenze gelegen. Damit befindet sich Manbij aktuell im Einflussbereich radikal-islamischer Netzwerke wie dem Al-Qaida-Ableger ISIS. Nach der Vertreibung des syrischen Regimes bedrohen nun Netzwerke wie ISIS zivile AktivistInnen, sodass diese unter Lebensgefahr nur schwer ihren zivilen Wiederaufbau- und Bildungsprojekten nachgehen können.

Beispiele wie die von Fayez gibt es im heutigen Syrien leider viele. Jedoch halten zivile AktivistInnen vielerorts am Wiederaufbau des zivilen Staates fest, planen Bildungs- und Freizeitprogramme für Kinder, halten die Infrastruktur in Stand, bieten eine Alternative zum grauen Alltag des Krieges. Helfen auch Sie mit, die AktivistInnen in ihrer schwierigen Lage weiterhin zu unterstützen. Auch scheinbar kleine Projekte können vor Ort einen Unterschied machen. Adopt a Revolution arbeitet bereits seit 2011 mit einem Netzwerk ziviler AktivistInnen zusammen.

Zivilgesellschaft unterstützen!