In Saraqeb besetzen anti-HTS-Demonstranten im Sommer 2017 das lokale, von den Radikalen unterstützte, Scharia-Gericht.

Neuerscheinung: Wie Syriens Zivilgesellschaft den Extremismus bekämpft

Immer wieder widersetzen sich syrische Städte erfolgreich den Expansionsversuchen radikalislamistischer Milizen. Doch wie genau gelingt ihnen das? Welche Widerstandsstrategien wenden AktivistInnen an? Der syrische Autor Haid Haid beleuchtet, welche Faktoren über Erfolg und Misserfolg entscheiden.

In Saraqeb besetzen anti-HTS-Demonstranten im Sommer 2017 das lokale, von den Radikalen unterstützte, Scharia-Gericht.

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Seit 2013 fielen zahlreiche syrische Städte unter die Kontrolle radikalislamistischer Gruppen wie der Nusra-Front und dem „Islamischen Staat (IS)“. Manchen Städten aber gelang es, die Expansionsversuche dschihadistischer Gruppen erfolgreich abzuwehren. Und dafür waren allem Anschein nach nicht nur militärische Faktoren entscheidend: In Atareb und Maarat al-Nu’man etwa demonstrierten große Teile der Bevölkerung gegen die Übernahmeversuche dschihadistischer Milizen – die schließlich tatsächlich abziehen mussten. Doch warum kam es in diesen Städten zu Protesten der Zivilbevölkerung, während anderswo kaum Widerstand gegen dschihadistische Milizen sichtbar wurde? Welche Rolle kommt der Zivilgesellschaft bei der Abwehr radikalislamistischer Übernahmeversuche zu? Welche Rolle spielen zivile Verwaltungsstrukturen? Welche Bedingungen und welche Unterstützung brauchen zivile Akteure, um sich vor Ort gegen fundamentalistische Milizen zur Wehr zu setzen?

Die vorliegende Studie des syrischen Autors Haid Haid versteht sich nicht als letztgültige Antwort auf diese Fragen, sondern als eine Ersterkundung, die eine dringend benötigte neue Perspektive zu eröffnen sucht. Denn insbesondere im Hinblick auf den Nahen Osten und den „War on Terror“ bleiben Analysen und Debatten hierzulande oft bedrückend oberflächlich. Nicht selten wird suggeriert, die Bevölkerung bestehe aus ethnisch oder konfessionell definierten monolithischen Blöcken wie „den Kurden“, „den Arabern“, „den Sunniten“ und nicht aus politisch denkenden und handelnden Individuen. So wird die Rolle lokaler ziviler und zivilgesellschaftlicher Akteure oft vernachlässigt – meist zugunsten ausschweifender geopolitischer Exkurse.

Im Gegensatz dazu wagt die vorliegende Studie die absolute Nahaufnahme: Sie lässt das „große Ganze“ außen vor und fokussiert lokalpolitische Auseinandersetzungen. Das zwingt zur Differenzierung. Sie zeigt, dass die militärische Dominanz einer Miliz in einem Gebiet nicht heißt, dass die Miliz dieses Gebiet auch politisch kontrolliert. Oder führt vor Augen, dass, so befremdlich dies für manche auch klingen mag, Terrororganisation nicht gleich Terrororganisation ist. So teilt die Miliz Hai’at Tahrir al-Sham (HTS), um die es in dieser Studie vorrangig geht, mit dem sogenannten „Islamischen Staat“ etwa eine schwarze Flagge, die mörderische dschihadistische Ideologie und ihre bei al-Qaida liegenden Wurzeln. Doch in vieler Hinsicht unterscheiden sie sich – insbesondere hinsichtlich ihrer Strategien der Machtergreifung und ihrem Umgang mit der Zivilbevölkerung. Diese feinen Unterschiede bringen nicht nur mehr Komplexität, sondern neue Strategien gegen den dschihadistischen Terror ins Bild.

Die Analyse des syrischen Autors Haid Haid zeigt: Wenn nur der politische Wille bestände, könnten gewaltfreie Strategien der Konflikttransformationen die Expansion der extremistischen Miliz zumindest eindämmen. So viel vorweg: Der syrischen Zivilgesellschaft fällt dabei eine bedeutende Rolle zu.

Lesen Sie jetzt unsere Neuerscheinung „Widerstand zwecklos? Wie Syriens Zivilgesellschaft den Extremismus bekämpft“!

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